Beihilfen für Hinkley Point C (EuGH v. 11.09.2020, C‑594/18 P)
Die Geschichte selbst ist schnell erzählt: Großbritannien, damals noch Mitgliedstaat der EU, wünschte sich ein Atomkraftwerk. Freunde der Kernkraft werden auch in Deutschland nicht müde zu erzählen, wie günstig Strom aus Atomkraftwerken sei. Danach hätten sich Unternehmen quasi darum schlagen müssen, das Kraftwerk zu bauen. Tatsächlich fand sich der künftige Betreiber des Kraftwerks Hinkley Point C in Somerset, das französisch-chinesische Unternehmen NBB (ein Konsortium, zu dem die EdF gehört), aber nur dann zum Bau bereit, wenn der Staat auf den Marktpreis für Strom kräftig draufzahlte: 92,25 Pfund pro MWh plus Inflationsausgleich soll UK für 35 Jahre im Rahmen eines „Contract for Difference“ garantieren, also die (erhebliche) Differenz zwischen Marktpreis und garantierter Vergütung zahlen. Sofern das Kraftwerk vorzeitig abgeschaltet wird, soll UK eine hohe Ausgleichszahlung leisten. Außerdem soll UK eine Kreditgarantie übernehmen.
Für dieses teure Paket brauchte UK die Notifikation der Europäischen Kommission nach Art. 107 AEUV ff.. Diese erhielt UK auch, und zwar am 8. Oktober 2014 (Beschluss (EU) 2015/658 der Kommission). Hiergegen klagte das atomstromfreie Österreich. Das Europäische Gericht (EuG) wies die Klage aber mit Urteil vom 12. Juli 2018 ab (T‑356/15).
Nun hat am 22. September 2020 auch die zweite und letzte Instanz, der EuGH, die Klage der Österreicher abgewiesen. UK hätte auch als Mitgliedstaat Hinkley Point so üppig unterstützen dürfen wie geplant. Nun ist UK bekanntlich ausgetreten. Die Entscheidung trotzdem interessant. Denn der EuGH stellt einige Punkte klar, die auch für andere Entscheidungne relevant sein können. So führt er aus, dass Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete bestimmt sein müssen, und die Handelsbedingungen nicht in einem Maße verändern dürfen, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufen. Aber dass Beihilfen einem gemeinsamen Interesse dienen, ist nicht nötig. Zwar gelten die Regeln für die Beihilfenaufsicht auch für die Kernkraft. Aber im Rahmen der Prüfung, ob eine zulässige Beihilfe vorliegt, findet keine „ökologische“ Bewertung statt: Jeder Mitgliedstaat darf seinen Energiemix frei wählen (Miriam Vollmer).