Das UBA und das EU-Klimaziel (und was das bedeutet)

Noch zwei Monate, dann startet der nationale Emissi­ons­handel. CO2 hat dann auch in den Sektoren Verkehr und Heizung einen Preis. Der „große“ Emissi­ons­handel für Kraft­werke und Indus­trie­an­lagen mit mehr als 20 MW läuft sogar schon seit 2005.

Doch ein „Weiter so“ wird es wohl nicht geben. Es besteht offenbar weitgehend Einigkeit zwischen den Organen der EU, dass in der EU mehr als die bisher geplanten 40% gespart werden soll, nur das Ausmaß scheint umstritten zu sein: Das Parlament strebt 60% Minderung gegenüber 1990 bis 2030 an. Die Kommission hat sich für 55% ausgesprochen.

Doch ist das möglich und wie kommt man dahin? Hierzu hat das Umwelt­bun­desamt (UBA) ein umfang­reiches Papier zu der Anhebung der EU-Klima­ziele heraus­ge­geben. Die Bundes­be­hörde bezieht dabei klar Stellung. 60% seien möglich und notwendig. Besonders inter­essant ist aber nicht nur diese bis zu einem gewissen Grade erwartbare Position. Sondern die Vorschläge, wie diese Einsparung in den nächsten zehn Jahren erreicht werden soll.

Im EU-Emissi­ons­handel befür­wortet das UBA eine schnellere Reduzierung des Caps schon ab dem nächsten Jahr. Dabei sollen nicht die Zutei­lungs­mengen sinken, sondern die Verstei­ge­rungs­mengen. Das bedeutet höhere Preise. Statt 2,2% jährlicher Verrin­gerung der Zerti­fi­kat­menge würde um 4,2% (beim 55%-Ziel) oder 4,6% (beim 60%-Ziel verringert).

In den anderen Sektoren, vor allem Heizung und Verkehr, spricht sich das UBA für einen gemein­schafts­weiten Non-ETS-Emissi­ons­handel aus, ähnlich wie der, den Deutschland ab Januar 2021 einführen wird. Der Wunsch ist verständlich, denn Deutschland allein ist als Markt reichlich klein, und Märkte werden besser, wenn sie größer sind, weil dann einzelne Teilnehmer weniger ins Gewicht fallen und deswegen auch Preise weniger manipu­lierbar sind und die Preis­schwan­kungen nicht so stark. Das UBA weist auch darauf hin, dass ein separater gemein­schafts­weiter Emissi­ons­handel für Verkehr und Heizung unerwünschte Wechsel­wir­kungen mit dem bereits bestehenden EU-ETS vermeiden würde. Neben diesen markt­ba­sierten Instru­menten setzt das UBA auf Ordnungs­recht, um einen einheit­lichen Mindest­standard zu gewärhleisten.

Doch was heißt das nun alles für Unter­nehmen in Deutschland? Zunächst: Es wird ernst. Es ist inzwi­schen nahezu auszu­schließen, dass es bei den 40% Einspa­rungen bleibt, die der heutigen Emissi­ons­han­dels­richt­linie zugrunde liegen. Das bedeutet aber in jedem Fall deutlich höhere Preise. Darauf müssen sich Unter­nehmen einstellen, wenn sie kalku­lieren, wenn sie Preis­ga­rantien geben, wenn sie Preis­gleit­klauseln entwi­ckeln (Miriam Vollmer).

2020-10-30T21:24:15+01:0030. Oktober 2020|Emissionshandel|

Energie­wende weltweit – Südkorea verkündet ehrgei­ziges Ziel

Deutschland ist nicht das einzige Land, welches vor dem Hinter­grund des Klima­wandels eine Energie­wende betreibt. Südkorea hat gestern am 28.10.2020 verkündet, bis zum Jahr 2050 den Netto­ausstoß an CO2 auf null reduzieren zu wollen. Hierfür will Südkorea umgerechnet rund 6 Milli­arden EUR in einen „Green Deal“ inves­tieren. Bereits im Jahr 2017 hatte Südkorea das Ziel gefasst den Anteil regene­ra­tiver Energien auf 20 Prozent bis zum Jahr 2030 erhöhen. Bislang erfolgt die südko­rea­nische Energie­ver­sorgung weitgehend durch Nutzung fossiler Brenn­stoffe sowie durch 24 Reaktor­blöcke an 4 Stand­orten. Kohlestrom hat einen Anteil von etwa 40 Prozent der Strom­erzeugung, Kernkraft­werke weitere 30 Prozent. Im Jahr 2019 wurden dort nur 5,5 Prozent des Stroms aus erneu­er­baren Energien gewonnen (zum Vergleich: Deutschland 46 %). Dafür ist das Land bei der Entwicklung von Strom­spei­cher­technik neben Japan führend. Von ca 7000 inter­na­tional angemel­deten Patenten zur Strom­spei­cherung entfielen 1230 auf Südkorea. Südkorea ist steht auf der Liste der weltweit größten Volks­wirt­schaften auf Platz 12, steht im Ausstoß von CO2 aber auf dem 8. Platz. Den Ausstieg aus der Atomkraft hatte Südkorea bereits im Jahr 2017 beschlossen. Schon im Jahr 2013 zeigte das Land Interesse an der deutschen Energie­wende. Ob und inwieweit sich Südkorea bei der konkreten Umsetzung am deutschen Vorbild orien­tiert wird die Zukunft zeigen. (Christian Dümke)

2020-10-29T19:12:58+01:0029. Oktober 2020|Energiepolitik, Erneuerbare Energien|

Was tun bei geplatzter Mitgliederversammlung?

Demokratie und Mitbe­stimmung ist auf Versamm­lungen angewiesen. Dies gilt für Parteien genauso wie für Vereine und Gesell­schaften. Zu Pande­mie­zeiten ist das zunächst mal ein Problem. Denn tradi­tionell werden Versamm­lungen unter physisch anwesenden Personen abgehalten. Denn schließlich geht es bei gelebter Demokratie nicht nur darum, abzunicken, was „von oben“ vorge­geben wurde. Es geht auch darum, in Echtzeit-Inter­aktion Fragen zu stellen, inhalt­liche Vorschläge zu machen und Unaus­ge­go­renes zu konkre­ti­sieren. Mit anderen Worten geht es darum, sich vor „versam­melter Mannschaft“ eine Meinung zu bilden und Einfluss auf die zur Abstimmung stehenden Alter­na­tiven zu nehmen.

In vielen Fällen ist diese Art Meinungs­bildung in physi­scher Anwesenheit aktuell nicht möglich: Es fehlen geeignete Räumlich­keiten, um Abstände einzu­halten, ganz abgesehen davon, dass öffent­liche Versamm­lungen über einer bestimmten Anzahl an Anwesenden oft gar nicht zulässig sind. Es liegt insofern nahe, Parteitage, Mitglie­der­ver­samm­lungen oder Haupt­ver­samm­lungen von Aktio­nären zu verschieben, in virtu­eller Form statt­finden zu lassen oder durch ein schrift­liches Abstim­mungs­ver­fahren zu ersetzen. Aber ist das rechtlich überhaupt möglich?

Der Gesetz­geber hat sich mit dieser Frage dieses Jahr wiederholt befasst. Bereits zu Anfang der Pandemie hat er ein kurzes Gesetz mit langem Namen erlassen: „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts‑, Genossenschafts‑, Vereins‑, Stiftungs- und Wohnungs­ei­gen­tums­recht zur Bekämpfung der Auswir­kungen der COVID-19-Pandemie“ vom 27.03.2020. Begrenzt wurde die Wirksamkeit des Gesetzes zunächst bis Ende diesen Jahres. Es zeichnet sich aber bereits jetzt ab, dass die Regelungen im Wesent­lichen verlängert werden dürften.

Im Kern beinhaltet das Gesetz zwei Erleich­te­rungen für Vereine und Stiftungen:

#Der Vorstand bleibt bis zur Abberufung oder Bestellung eines Nachfolgers im Amt. Dies auch, wenn die Satzung keine entspre­chende Übergangs­klausel enthält.

#Abwei­chend von der Regelung über die Mitglie­der­ver­sammlung in § 32 BGB ist auch eine virtuelle Teilnahme an der Versammlung möglich. Zudem führt das Gesetz Möglich­keiten schrift­licher Abstim­mungs­ver­fahren ein.

Auch im Gesell­schafts­recht wurden Möglich­keiten virtu­eller Beschluss­fassung einge­räumt. Dabei bringt das Verfahren zum Teil Nachteile für Einzel­ak­tionäre mit sich: So wurden die Frage­rechte stark einge­schränkt. Es gibt nunmehr die Möglichkeit, Fragen nur zuzulassen, wenn sie vorab schriftlich einge­reicht wurden.

Was die Parteien angeht, hat der Gesetz­geber diesen Monat die Regelungen über Parteitage und Mitglie­der­ver­samm­lungen mit gewissen Abstrichen, z.B. die Änderung von Satzungen, an die Regeln für Vereine angeglichen. Das heißt, dass auch ohne ausdrück­liche Regelung in der Satzung Parteitage virtuell abgehalten werden können.

Eine Einschränkung von Frage­rechten wie im Aktien­recht dürfte für virtuelle Versamm­lungen nicht zwingend sein. Warum sollte die lebendige soziale Inter­aktion als Grundlage demokra­ti­scher Prozesse nicht auch in virtu­ellen Versamm­lungen voll zum Tragen kommen? Es ist vermutlich bloß eine Frage der Gewöhnung. Vermutlich werden manche Möglich­keiten, die virtuelle Demokratie bietet, auch nach der Pandemie beibe­halten (Olaf Dilling).

2020-10-28T12:43:33+01:0028. Oktober 2020|Digitales|