Wie viel Geld ist abschreckend?
Informationsrechte kennen Sie: Jedermann kann auch ohne einen bestimmten Grund Informationen abfragen, die der Bund besitzt. Es gibt eine Reihe Ausnahmen, u. a. für Informationen über Rechte Dritter, manche, nicht abgeschlossene Vorgänge, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, aber insgesamt realisiert das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes und auch die entsprechenden Gesetze vieler Länder den Anspruch der Bürger, alle Informationen erfragen zu können, die die Verwaltung besitzt. Schließlich ist Verwaltung nicht um ihrer selbst willen da, sondern dient der Bevölkerung und wird von den Bürgern bezahlt.
Nun kostet Verwaltung Geld: Beamte werden bezahlt. Beamte arbeiten in Gebäuden. Sie sitzen an Computern. Sie wühlen in Akten, kopieren Schriftstücke, frankieren ihre Briefe und versenden sie. Und wer ihre Leistungen in Anspruch nimmt, kann deswegen einen Gebührenbescheid erhalten, wenn es dafür einen Gebührentatbestand gibt, der wiederum mit den Grundsätzen des Gebührenrechts in Einklang steht. Ob dem so ist, hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 13.10.2020 (Az.: 10 C 23.19) hinsichtlich eines Gebührenbescheides für eine Auskunftserteilung durch Versand von Abschriften beim Bundesinnenministerium (BMI) zu beurteilen: Satte 235 EUR hatte das BMI für die angeblich vier Stunden währende Anfertigung von Abschriften gefordert.
Formell hält sich dieser Bescheid innerhalb des Rahmens von 30 bis 500 EUR, den die Informationsfreiheitsgebührenverordnung (IFGGebV) ihm setzt. Doch verbietet möglicherweise ein Prinzip der individuellen Gleichmäßigkeit eine so üppige Gebührenbemessung? Das erstinstanzlich erkennende Verwaltungsgericht (VG) Berlin hatte das angenommen. Ihm zufolge müssen sich die der Gebührenbemessung zugrunde liegenden Fälle gleichmäßig auf die vom Gebührenrahmen umfasste Spanne verteilen. Überdies stellt sich bei einer so erheblichen Summe die Frage, ob die Gebühr nicht abschreckend ist, das aber soll gerade nicht eintreten, § 10 Abs. 2 IFG.
Das BVerwG hielt beide Punkte für unproblematisch. Dies erscheint schon wegen der Frage zweifelhaft, wie die Gebühren sich auf die Gebührenspanne verteilen sollen. Wenn der Verordnungsgeber eine Spanne eröffnet, will er damit jedem denkbaren Fall gerecht werden, und dem dürfte eine gleichmäßige Verteilung von klein nach groß am ehesten entsprechen. Schließlich müsste ja auch Aufwand und Relevanz ungefähr gleichverteilt sein.
Noch schwieriger ist die Entscheidung des BVerwG in Hinblick auf die Abschreckungswirkung. Das BVerwG meint, das Verbot abschreckender Gebühren sei schon in den Erlass der Gebührenverordnung selbst eingeflossen. Mit anderen Worten: Gebühren bis 500 EUR hält das BVerwG offenbar nie für abschreckend. Das aber wird der Realität nicht gerecht. Die deutschen Arbeitnehmer verdienen im Durchschnitt netto monatlich 2.079 Euro. Dass in einem solchen Einkommen keine Luft mehr für Gebühren von 500 EUR – oder wie hier 235 EUR – sein dürfte, liegt auf der Hand. Transparenz ist damit, folgt man dem BVerwG, eine Frage des Einkommens. Dies wird der Bedeutung von Informationen nicht gerecht. Hier wäre der Gesetzgeber gefragt (Miriam Vollmer)