Die neue Heizung: Was steht denn nun im GEG‑E?

Viel Aufregung gibt es gerade um Thema Heizung. Will Robert Habeck wirklich alle Deutschen zwingen, nächstes Jahr eine Wärme­pumpe einzu­bauen? Wir haben uns den Entwurf des Gebäu­de­en­er­gie­ge­setzes vom 07.03.2023 (GEG‑E) einmal angesehen.

Mehr als nur Wärmepumpen

Die Neure­ge­lungen, die Heizungen betreffen, stehen in den §§ 71ff. GEG‑E. Anders als vielfach disku­tiert, ist hier nicht nur die Rede von Wärme­pumpen. Der Entwurf ist sozusagen techno­lo­gie­offen. Diese sollen zu mindestens 65% aus erneu­er­baren Energien oder unver­meid­barer Abwärme gespeist werden. Neben der Wärme­pumpe nennt der Entwurf Fernwärme und Strom­di­rekt­hei­zungen als Alter­na­tiven auch im Neubau. Für Bestands­ge­bäude kommen neben diesen Möglich­keiten auch noch Wärme aus Solar­thermie, Biomasse oder grünem Wasser­stoff oder Wärme­pumpen-Hybrid­hei­zungen, also eine Kombi­nation aus Wärme­pumpe und einer Verbren­nungs­ein­richtung, die auch fossil betrieben werden kann, in Frage. Für alle Heizungen gelten zusätz­liche quali­tative Kriterien.

Was bei der Verengung der öffent­lichen Diskussion auf Wärme­pumpen oft unter den Tisch fällt: Fernwärme kommt künftig eine zentrale Rolle zu, die dem einzelnen Euigen­tümer die Planung und Vorfi­nan­zierung abnimmt. Oft bietet ein Fernwär­menetz auch Zugang zu Wärme­quellen, die einem einzelnen Eigen­tümer nicht offen­stehen wie etwa über Kaltwas­ser­netze, Großwär­me­pumpen oder Tiefenbohrungen.

Neubau und Bestand nach 30 Jahren

Die meisten Eigen­tümer können aufatmen. Die 65% EE gelten nicht Knall auf Fall ab dem 01.01.2024 für jeden, der zu Hause nicht frieren will. Sondern erst einmal für den Neubau und für neue Heizungen in Bestands­ge­bäuden. Wer also gerade eine Gastherme gekauft hat, kann diese auch weiternutzen.

Für Bestands­an­lagen führt § 72 GEG‑E teilweise langjährige Übergangs­fristen auf. Heizkessel müssen erst ausge­tauscht werden, wenn sie 30 Jahre laufen. Für Nieder­tem­pe­ratur- und Brenn­wert­kessel und eine Reihe sehr kleiner oder sehr großer Anlagen gibt es Übergangs­fristen, in denen diese 30 Jahres-Frist nicht gilt. Erst 2044 ist dann ratzekahl Schluss mit jeglicher fossiler Verbrennung.

Ja, es gibt Ausnahmen

In der Öffent­lichkeit ist sie omnipräsent: Die einsame Witwe im großen Haus, das sie und ihr verstor­bener Mann sich über viele Jahre vom Munde abgespart haben, aber nun reicht die kleine Witwen­pension nicht aus für die neue Heizung. Diese Fälle soll § 72 Abs. 3 GEG‑E erfassen. Wenn ein Eigen­tümer in einem Gebäude mit maximal zwei Wohnungen mindestens seit dem 01.02.2002 wohnt, so steht eine Umrüstung nicht vor 2030 an, teilweise erst ab 2033. Und findet ein Eigen­tü­mer­wechsel statt, etwa weil die alte Dame stirbt und den Kindern das Haus hinter­lässt, so haben sie noch zwei Jahre Zeit, auch wenn die 30 Jahre an sich schon abgelaufen sind. Ausnahmen gibt es auch für Heizungs­ha­varien und den Übergang bis zum Anschluss an ein Wärmenetz.

Was ist mit Mietern?

Dre Entwurf hängt den Mieter­schutz verhält­nis­mäßig hoch. § 71m GEG‑E ordnet an, dass die Heizkosten durch gasförmige Brenn­stoffe, mit einem biogenen Anteil oder Wasser­stoff nur bis zur Höhe des Erdgas-Grund­ver­sorgngs­tarifs vom Mieter getragen werden sollen. Kostet zB Wasser­stoff mehr, so bleibt der Vermieter auf diesen Kosten sitzen. Ist der Mieter selbst Kunde, kann er vom Vermieter einen Mehrkos­ten­ersatz fordern. Kostet ein Biobrenn­stoff mehr als Erdgas, so ist das das Problem des Vermieters.  Mieterhö­hungen wegen Wämepumpen soll es auch nur geben, wenn die Jahres­ar­beitszahl der Wär,epumpe 2,5 oder höher beträgt, es sei denn das Gebäude ist jünger als 1996 oder nachge­wie­se­ner­maßen effizient. Ist das nicht der Fall, so sind nur 50% ansatzfähig.

Ist das nicht ganz schön diktatorisch?

Das GEG‑E macht viele ordnungs­recht­liche Vorgaben. Ordnungs­recht ist unpopulär, denn wer lässt sich schon gern etwas sagen? In diesem Fall spricht aber doch Einiges für Ordnungs­recht, vor allem der Schutz der Mieter und Eigen­tümer vor kurzsich­tigen Entschei­dungen. Denn nach § 3 Abs. 2 Klima­schutz­gesetz (KSG) soll Deutschland ab 2045 netto null emittieren. Das BEHG ist darauf ausgelegt, so dass die Preise für CO2 nach 2027 an sich sehr schnell steil steigen müssten. Der EU-Rahmen, die Lasten­tei­lungs­ver­ordnung, zielt auf die europa­weite Nullinie 2050 ab und setzt ehrgeizige Zwischen­ziele. Aus alledem ergibt sich: Der CO2-Preis wird sich vervielfachen.

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Wer also mit Blick auf die aktuellen Gaspreise eine neue Heizung ordert, hätte in zehn Jahren hohe, oft untragbare Wohnkosten. Heizungen amorti­sieren sich aber erst nach 30, manchmal 35 Jahren. Lock-In Effekt nennen Wirtschafts­wis­sen­schaftler diese Falle, um deren Vemeidung es bei den vielen ordnungs­recht­lichen Vorgaben des GEG geht. Klar ist aber auch: Unver­zichtbar ist Ordnungs­recht hier nicht. Die FDP etwa setzt auf die Eigen­ver­ant­wortung von Eigen­tümern, den CO2-Preis zu antizi­pieren und will allein über den CO2-Preis steuern.

Wie geht es weiter?

Wie das GEG am Ende des aktuellen politi­schen Ampel­streits aussieht, ist derzeit schwer absehbar. Dass die Umrüs­tungs­pflicht ganz fällt, ist aber wenig wahrscheinlich, denn die 65% Erneu­erbare stehen schon im Koali­ti­ons­vertrag, anders als ein ETS only, der die Klima­ziele nur per Preis ansteuern will. Als wahrscheinlich gilt aber mehr Unter­stützung für die Umrüstung. Eine Verschiebung der 65%-Pflicht um ein Jahr wäre ebenfalls denkbar, aber da weder die netto null 2045 noch der damit verbundene Preis­an­stieg im BEHG zur Dispo­sition stehen, ist es sehr fraglich, ob eine solche Regelung den Betrof­fenen auf die lange Sicht wirklich hilft. Nachher ist der Betrieb der Gasheizung zwar ein Jahr länger erlaubt als geplant, aber so unwirt­schaftlich, dass dann doch umgerüstet wird. Betroffene hätten dann doppelte Kosten (Miriam Vollmer).

2023-03-24T21:50:57+01:0024. März 2023|Energiepolitik, Gas, Wärme|

eFuels und Kfz: Was genau will die EU „verbieten“?

In Brüssel und bei den anderen EU-Mitglied­staaten sorgt die deutsche Haltung zum sogenannten „Verbrenner-Aus“ 2035 vielfach für Verwun­derung. Aus Europäi­scher Sicht stellt es sich so dar, dass Berlin – so die Nachrich­ten­plattform ‚Politico‘ – „in letzter Minute den Versuch unter­nimmt, einen bereits abgeseg­neten Plan, die Abschaffung von tradi­tio­nellen Autos mit Verbren­nungs­mo­toren bis 2035 zu stoppen“.

Tatsächlich waren die neuen CO2-Flotten­grenz­werte, die bis 2030 eine 55% und bis 2035 eine 100% Reduktion von CO2 vorsehen, bereits im Paket Fit for 55, das letztes Jahr zwischen den 27 Mitglied­staaten in langwie­rigen Verhand­lungen abgestimmt worden war. Inzwi­schen wurden die darin enthal­tenen Reduk­ti­ons­ziele auch in einem Verord­nungs­entwurf umgesetzt. Dieser war letztes Jahr von der EU-Kommission erarbeitet und vom Europäi­schen Parlament beschlossen worden. Insofern erschien die Zustimmung durch die Mitglied­staaten nunmehr eher als eine Formsache.

Aller­dings war dem Bundes­mi­nister für Digitales und Verkehr Wissing die Formu­lierung der Verordnung nicht „techno­lo­gie­offen“ genug. Denn in den Erwägungs­gründen zur Verordnung steht:

Zu den emissi­ons­freien Fahrzeugen zählen derzeit Elektro­fahr­zeuge, Fahrzeuge mit Brenn­stoff­zel­len­an­trieb oder mit Wasser­stoff betriebene Fahrzeuge.“

Tradi­tio­nelle Verbren­nungs­mo­toren werden nicht explizit aufge­führt. Das macht aus der Logik der Flotten­grenz­werte auch durchaus Sinn. Denn während der Strommix für Elektro­autos mit dem Fortschreiten der Energie­wende konti­nu­ierlich auf erneu­erbare Energien umgestellt wird und Wasser­stoff aus Elektrolyse herge­stellt wird, sind herkömm­liche Verbren­nungs­mo­toren nicht auf erneu­erbare Kraft­stoffe festgelegt. 

Selbst wenn es also irgendwann in ausrei­chender Menge eFuels geben sollte und diese synthe­ti­schen Kraft­stoffe auch noch erschwinglich genug sind, um als Alter­native für E‑Mobilität zu taugen: Was bisher völlig offen ist, wie Kfz mit tradi­tio­nellen Verbren­nungs­mo­toren Flotten­grenz­werte einhalten können. Denn diese Grenz­werte sind ja produkt­be­zogen und dürfen nicht davon abhängen, ob jemand zufällig eFuels oder fossiles Super bleifrei getankt hat. 

Das heißt, dass nun technische Lösungen gefunden werden müssen, wie Verbren­nungs­mo­toren, etwa durch Einbau von Sensoren, künstlich in ihren Möglich­keiten beschnitten und auf den Einsatz von eFuels beschränkt werden können. Diese Verrenkung steht der Idee des „Phasing-Out“ einer bestimmten, umwelt­schäd­lichen Techno­logie ziemlich entgegen. Schließlich produ­zieren Verbren­nungs­mo­toren auch mit eFuels zwar kein CO2, aber weiterhin etwa genauso viel umwelt- und gesund­heits­schäd­liche Stick­oxide wie Benziner. Da die Techno­logie aufgrund der mangelnden Effizienz der Energie­aus­nutzung auch nicht wirklich massen­tauglich ist, bleibt es vermutlich bei einem letzten Aufbäumen einer Techno­logie mit großer Vergan­genheit. (Olaf Dilling)

 

2023-03-24T17:59:42+01:0024. März 2023|Kommentar, Umwelt, Verkehr|

Konkur­rie­rende Standards im Verkehrsrecht

Seit einiger Zeit stellt ein entfernter Bekannter, der für eine verkehrs­po­li­tische NGO arbeitet, unsere Geduld mit einem Geset­zes­entwurf nach dem Muster des Berliner Mobili­täts­ge­setzes auf die Probe: Er hat ihn mit ein paar Mitstreitern für ein kleines Bundesland auf eigene Faust erstellt. Und erwartet nun von uns, sich die Sache doch mal „pro bono“ anzusehen. Irgendwann am Wochenende oder spät abends ist vielleicht Zeit, kurz einen Blick drauf zu werfen, denn tatsächlich ist es ja ganz inter­essant. Und dass der Entwurf aufge­griffen wird, ist zumindest nicht ausge­schlossen. Aber richtig glücklich sind wir nicht, wenn es Schule machen sollte, dass Gesetze inzwi­schen nicht nur außerhalb der Minis­terien, sondern auch ohne staat­liches Budget vorbe­reitet werden.

Außerdem wurden wir in Berlin-Mitte von Changing Cities zur Vorstellung einer neuen verkehrs­pla­ne­ri­schen Richt­linie einge­laden. Am Ende kam uns ein Mandat dazwi­schen, das dringend bearbeitet werden musste. Aber auch diese Sache ist spannend und hier stellt sich zumindest nicht so sehr die Konkurrenz zu der hoheit­lichen Tätigkeit der Minis­te­ri­al­ver­waltung: Denn Richt­linien und Hinweise zur Verkehrs­planung sind in Deutschland ohnehin zumeist Privat­ver­gnügen. Bisher gibt es hier quasi ein Monopol eines Vereins, der Forschungs­ge­sell­schaft für Straßen- und Verkehrs­wesen e.V. (FGSV). Deren Standards, etwa die Richt­linien für die Anlage von Stadt­straßen – RASt 06, sind in der Praxis z.B. ausschlag­gebend dafür, wie breit Gehwege oder Fahrbahnen geplant und gebaut werden sollen oder dass bei Parkständen für Rollstuhl­be­nutzer auf einer Fahrzeug­seite ein lichter Abstand von 1,75 m einzu­halten ist.

Nicht ganz ohne Grund wird die Tatsache immer wieder kriti­siert, dass auf diese Weise viele entschei­dende Details der Gestaltung des öffent­lichen Verkehrs­raums von Experten und ohne umfas­sende Öffent­lich­keits­be­tei­ligung entschieden werden. Schließlich geht es auch um Umwelt- und Vertei­lungs­fragen, die durchaus politi­scher Natur sind. Und auch inhaltlich wurde der FGSV lange Zeit vorge­worfen, weiterhin an der autoge­rechten Stadt als Leitbild festzu­halten. Anderer­seits zeigt sich, dass zumindest manche Gerichte bei der Auslegung der Straßen­ver­kehrs­ordnung und ihrer Verwal­tungs­vor­schriften dem Fahrrad- und Fußverkehr noch weniger Platz einräumen, so unlängst das OVG Bremen.

Jeden­falls ging es bei der Vorstellung der Richt­linie um die Gestaltung von Kiezblocks, einem verkehrs­pla­ne­ri­schen Thema, dem sich die FGSV noch nicht angenommen hat. Daher konnte die NGO „Changing Cities“ mit ihrer spontan einbe­ru­fenen Fachgruppe Standards für die Mobili­täts­wende (FGSM) tätig werden: Unter Kiezblocks versteht sie Maßnahmen zur Verkehrs­be­ru­higung mit der in urbanen Wohnvierteln – als Mindest­standard – etwa durch gezielt aufge­stellte Poller (sog. Modal­filter) der Durch­gangs­verkehr verhindert wird. Weitere Maßnahmen beinhalten als Regel­standard ein Parkraum­ma­nagement, das auf eine Umver­teilung des öffent­lichen Raums im Viertel abzielt, und als Goldstandard weitere Maßnahmen zur Verkehrs­wende auf den Haupt­straßen. In der Detail­ge­treue reicht der Standard noch nicht ganz an dieje­nigen des Konkur­renten heran, aber trotzdem ist es eine sinnvolle Handrei­chung für Planungen mit vielen guten Ideen. Außerdem belebt Konkurrenz auf jeden Fall das Geschäft, in den neuen urbanen Fußgän­ger­zonen entgegen häufigen Unken­rufen sogar buchstäblich. (Olaf Dilling)

2023-03-24T11:58:26+01:0024. März 2023|Verkehr, Verwaltungsrecht|