
Die Entscheidung ist jedoch auch aus drei Gründen bedeutend für die Rechte nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer:
- erstens wird deutlich, dass das nicht durch Verkehrszeichen oder entsprechende Markierung angeordnete Gehwegparken rechtswidrig ist (auch wenn dies in der juristischen Fachwelt praktisch unumstritten ist, hat sich das weder unter Autofahrern, noch unter den Polizei- und Ordnungskräften ausreichend herumgesprochen)
- zweitens wird in ihr klargestellt, dass neben den Ordnungsbehörden auch die Straßenverkehrsbehörden verantwortlich sind für die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung und dass ihr insofern verschiedene Mittel zu Gebote stehen
- drittens wird deutlich, dass Fußgänger im Verkehr eigene, subjektive Rechte haben, die sie vor Gericht einfordern und gegenüber den Behörden beanspruchen können.
Was die Einschränkung der Entscheidung des VG angeht, die vom beklagten Land Bremen mit der Berufung angriffen wurde: Im Wesentlichen geht es darum, dass das Oberverwaltungsgericht nun anerkennt, dass der rechtswidrige Zustand, den die Kläger beseitigt haben wollen, in sehr vielen Bremer Straßen und seit Jahrzehnten besteht, ohne dass die Stadt etwas dagegen unternommen hätte. Dies zu beseitigen sei nicht von einem Tag auf den anderen möglich. Daher bestehe aktuell kein Anspruch der Kläger auf unmittelbares Einschreiten (keine sogenannte Ermessensreduktion auf Null). Da der rechtswidrige Zustand aber beseitigt werden muss, ist die Stadt zumindest verpflichtet ein Konzept zu entwickeln, bei der eine Priorisierung vorgenommen wird, so dass in den am stärksten betroffenen Straßen zuerst, aber nach und nach auch in allen anderen Straßen die Gehwege von Falschparkern befreit werden. Wenn es nach dem OVG geht, ist es also nur eine Frage der Zeit, dass die rechtswidrige Praxis im gesamten Stadtgebiet beendet wird.
Was in der Folge strittig ist, ist die Frage, ob die rechtswidrige Praxis in Bremen zum Teil durch nachträgliche Anordnung des Gehwegparkens legalisiert werden kann. Wir haben zu dieser Frage zwischenzeitlich ein Rechtsgutachten für einen Bremer Verband angefertigt und schreiben dazu demnächst noch einen separaten Beitrag. (Olaf Dilling)
Ich möchte an „Knöllchenhorst“ erinnern. Der Rentner war bundesweit in die Medien geraten, weil er massenweise Falschparker anzeigte. Zunächst reagierte eine Behörde mit vermehrtem Personaleinsatz, um der Flut Herr zu werden. Dann unterstellten auch die Medien ihm angebliche Amtsanmaßung. Grundsätzlich hatte man wohl Angst davor, die Anzeigen könnten verjähren, und dadurch könnte Ärger erwachsen. Der Mann war schließlich den massiven Anfeindungen seiner Umwelt ausgesetzt. In der letzten Zeit mehren sich die Medienberichte von Falschparkern und Anzeigen durch Privatpersonen. Ein hohes Gericht entschied jetzt, dass diese Anzeigen rechtens sind und deshalb auch schon in der Vergangenheit rechtens waren. Knöllchenhorst wird aber nicht rehabilitiert.
Dieses Beispiel ist extrem, weil in dem Fall mit einer Dashcam anlasslos große Mengen Daten erhoben, gespeichert, nachträglich ausgewertet und in der Summe dann über 50.000 Anzeigen gestellt wurden, siehe OLG Celle, Beschluss vom 04.10.2017 – 3 Ss OWi 163/17, https://openjur.de/u/969231.html. Extreme Fälle machen manchmal schlechtes Recht… Dass die Praxis einiger Datenschutzbehörden, das Fotografieren von Falschparkern zu Beweiszwecken zu verbieten, nun gerichtlich gestoppt wurde, ist natürlich zu begrüßen.
[…] Urteil Gehwegparken, next level! (recht energisch) […]