Abfall im BEHG

Die Krisen­themen überschlagen sich, aber das ganz normale Geschäft des Gesetz­gebers geht auch weiter: Der Bundestag berät über die Ausweitung des natio­nalen Emissi­ons­handels. Dieser schreibt seit 2021 vor, dass alle Inver­kehr­bringer vor allem von Erdgas, Benzin, Diesel und Heizöl für jede Tonne Brenn­stoff­emission ein Zerti­fikat an die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) abgeben müssen. Schon bei Beginn stand fest, dass ab 2023 der Anwen­dungs­be­reich ausge­weitet werden sollte. Doch während dies für Kohle niemand in Frage stellt, ist die Ausweitung auf Abfall umstritten.

Grund für die Diskus­sionen um die Bepreisung von Abfall als Brenn­stoff ist die fehlende Steue­rungs­mög­lichkeit. Eine Anlage, die etwa Erdgas verbrennt, um Heizwärme herzu­stellen, hat bei steigenden Kosten einen Anreiz, effizi­enter zu werden, um Brenn­stoff zu sparen. Oder den Brenn­stoff ganz zu wechseln, um gar keine oder nur noch sehr wenige Kosten für CO2 zu tragen, zumindest in Zeiten, in denen der CO2-Handel gemessen an den Gesamt­kosten einen wesent­lichen Posten bildet. Bei Abfall ist dies aber anders: Wer Abfall verbrennt, hat keinen Einfluss darauf, wie viel Abfall anfällt. Alter­na­tiven, zu denen der Emissi­ons­handel motivieren könnte, gibt es auch keine, denn die Deponierung ist keineswegs klimafreundlicher.

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Die Bundes­re­gierung hält gleichwohl an ihren Plänen fest. Es gehe nicht um die Minderung. Sondern um die Einbe­ziehung in eine Gesamt­be­wirt­schaftung. Mit anderen Worten: Die Abfall­wirt­schaft soll zwar nicht mindern, aber Zerti­fikate kaufen und so die Kassen füllen und den Klima­schutz so indirekt finan­zieren. Dem eigent­lichen Geset­zes­zweck entspricht dies zwar nicht. Doch es ist sehr wahrscheinlich, dass der Gesetz­geber exakt so verfährt: Am Mittwoch, den 28. September 2022, geht das Gesetz in den Bundestag (Miriam Vollmer)

2022-09-28T00:32:55+02:0028. September 2022|Emissionshandel|

Der verschwundene Bescheid

Der Zugang von Bescheiden ist immer wieder von Belang, da sich von ihm ausgehend Wider­spruchs und Klage­fristen berechnen. Aller­dings verschicken Behörden Bescheide nicht selten mit einfacher Post. Dann gilt grund­sätzlich für den Zeitpunkt die sogenannte Zugangs­fiktion des §41 Abs. 2 Satz 1 Verwal­tungs­ver­fah­rens­gesetz (VwVfG), die sich so in der Regel auch in den Landes­ver­fah­rens­ge­setzen wieder­findet: Der Bescheid gilt drei Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Aller­dings ist diese Fiktion wider­leglich. Also wenn der Nachweis des späteren Zugangs erbracht wird, dann gilt der nachge­wiesene Zugangszeitpunkt.

Auch wenn strittig ist, ob die Sendung überhaupt je angekommen ist, kann sich die Behörde nicht auf die Zugangs­fiktion berufen, jeden­falls dann nicht, wenn der Empfänger den Zugang schlüssig bestreitet. Da es sich dabei um eine negative Tatsache handelt, können die Anfor­de­rungen dafür nicht allzu hoch sein. Anders ist es aber zum Beispiel, wenn der Empfänger selbst eine kommunale Behörde ist und ein Postein­gangsbuch führt. Dann ist zu verlangen, dass aus diesem Postein­gangsbuch hervorgeht, dass der Bescheid im betref­fenden Zeitraum nicht einge­gangen ist. Dies gilt insbe­sondere, wenn zu Anfang des Prozesses eine Dokumen­tation des Postein­gangs noch verhanden war, die dann irgendwann nicht mehr verfügbar ist. Diese Frage wurde tatsächlich vor dem Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt verhandelt (Urteil vom 21. September 2022 – 8 C 12.11).

Das Einfachste ist in diesen Fällen, den Bescheid per Postzu­stel­lungs­ur­kunde zu versenden, wobei uns in letzter Zeit allein aus der eigenen Praxis mehrere Fälle unter­ge­kommen sind, wo PZU von Brief­trägern nicht richtig oder gar nicht ausge­füllt wurden. Es gibt also bei Zustellung von Schrift­stücken immer eine Restun­si­cherheit (Olaf Dilling).

2022-09-26T21:47:23+02:0026. September 2022|Verwaltungsrecht|

Keine Energie­charta-Klagen zwischen Mitglied­staaten: Zu OLG Köln, Az. 19 SchH 14/21 und 19 SchH 15/21.

Inves­ti­ti­ons­schutz­ab­kommen haben keinen guten Ruf: Unter­nehmen aus einem Vertrags­staat des Abkommens, die in einem anderen Staat aktiv werden, können gestützt auf so ein Abkommen Schadens­ersatz geltend machen, wenn sich vor Ort die Gesetze so ändern, dass die Inves­tition entwertet würde. Inves­ti­ti­ons­schutz­ab­kommen sind also konser­vativ: Sie schützen bestehende Geschäfts­mo­delle und erhöhen die Hürden, sich von überkom­menen Struk­turen zu lösen, weil ein Kurswechsel mögli­cher­weise Schadens­er­satz­an­sprüche nach sich zieht (hierzu auch hier).

Der Ausstieg aus der Atomenergie hat der Bundes­re­publik eine Klage der Vattenfall wegen angeb­licher Verletzung der Energie­charta, des wohl derzeit bekann­testen Inves­ti­ti­ons­schutz­ab­kommens, einge­tragen. Doch Deutschland ist nicht nur Ziel solcher Klagen. Auch deutsche Unter­nehmen berufen sich gegenüber anderen Staaten auf die Energie­charta: Die Nieder­lande wollen – das ergibt sich aus einem 2019 verab­schie­deten Gesetz – bis 2030 ihre Kohle­kraft­werke abschalten. Doch erst 2016 hatte Uniper in den Nieder­landen das Kohle­kraftwerk Maasvlakte in Betrieb genommen. Das Kraftwerk hatte rund 1,6 Mrd. EUR gekostet und muss nun lange vor dem Ende seiner techni­schen Lebens­dauer still­gelegt werden.

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Auch RWE betreibt ein Kraftwerk in den Nieder­landen: Das 2015 in Betrieb gegangene Kraftwerk Eemshaven, den größten Emittenten der Nieder­lande. Auch diese Anlage muss nach dem Gesetz aus 2019 lange vor seinem natür­lichen Ende vom Netz genommen werden. Abschrei­bungs­zeit­räume betragen bei solchen Anlagen norma­ler­weise 30 Jahre. Das bedeutet: Beide Unter­nehmen kostet der nieder­län­dische Kohle­aus­stieg viel Geld. Dieses Geld verlangten sie vom nieder­län­di­schen Staat und zogen 2021 vor ein inter­na­tio­nales Schieds­ge­richt, um die Nieder­lande zur Zahlung verur­teilen zu lassen.

Ob diese Forderung wirklich zu recht geltend gemacht wird, ist alles andere als unumstritten. Maßnahmen im öffent­lichen Interesse, die keine diskri­mi­nie­rende Wirkung haben und verhält­nis­mäßig sind, ziehen nämlich keine Entschä­di­gungs­ver­pflich­tungen nach sich. Und: Hätte man nicht schon 2015/2016 absehen können, dass die Nieder­lande nicht über weitere 30 Jahre Kohle verstromen würden? Doch auf diese Fragen stellte das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 1. September 2022 gar nicht ab: Schieds­rich­ter­liche Verfahren zwischen Unter­nehmen aus einem EU-Mitglied­staat und einem anderen EU-Mitglied­staat seien generell unzulässig.

Doch wie kommt eigentlich das OLG Köln dazu, auf Betreiben der Nieder­lande eine solche Entscheidung über die Zuläs­sigkeit eines Schieds­ver­fahrens vor einem Inves­ti­ti­ons­schieds­ge­richt in Washington zu fällen? Diese Zustän­digkeit des OLG Köln beruht auf § 1032 Abs. 2 ZPO, wo es heißt:

„Bei Gericht kann bis zur Bildung des Schieds­ge­richts Antrag auf Feststellung der Zuläs­sigkeit oder Unzuläs­sigkeit eines schieds­rich­ter­lichen Verfahrens gestellt werden.“

Exakt dies hatten die Nieder­lande getan: Sie hatten die Feststellung der Unzustän­digkeit des Schieds­ge­richts beantragt, und das OLG Köln ist diesem Antrag gefolgt.

Das OLG Köln steht mit seiner Ansicht, inner­ge­mein­schaft­liche Schieds­ver­fahren seien unzulässig, nicht allein. Der EuGH hat bereits in seiner Entscheidung Achmea (C‑284/16) festge­halten, dass inner­ge­mein­schaft­liche Schieds­ver­fahren basierend auf bilate­ralen Inves­ti­ti­ons­schutz­ver­ein­ba­rungen unzulässig sind. U. a. in der Entscheidung Komstroy (C‑741/19) hat er im September 2021 dies auch für multi­la­terale Inves­ti­ti­ons­schutz­klauseln ausgeurteilt.

Ist die Sache damit nun klar? Nicht ganz, denn streng genommen gibt es keine Hierarchie zwischen Völker­recht und Gemein­schafts­recht. Es ist also durchaus denkbar, dass RWE und Uniper ihre Verfahren vorm Schieds­ge­richt fortführen und mögli­cher­weise sogar obsiegen. Doch sollten die Nieder­lande eine zugespro­chene Entschä­digung nicht zahlen, könnten Uniper und RWE wohl nicht vollstrecken lassen, weil die Gerichte Gemein­schafts­recht beachten müssen.

Immerhin: Es ist schwer vollstellbar, dass eine demnächst staat­liche Uniper einen anderen Mitglied­staat wegen des Kohle­aus­stiegs anzählt. Doch über diesen Fall hinaus ist ausge­sprochen fraglich, ob das Inves­ti­ti­ons­schutz­system nicht einer grund­le­genden Reform bedarf   (Miriam Vollmer)