Streets ‚R‘ Us“. Temporäre Spiel­straße rechtmäßig

Erst kürzlich hatten wir schon einmal über eine Entscheidung zum sogenannten Anlie­ger­ge­brauch berichtet. Der Anlie­ger­ge­brauch leitet sich vom Eigen­tums­recht (Artikel 14 Abs. 1 Grund­gesetz) her und sichert die Verbindung des Grund­stücks des Anliegers zur davor­lie­genden Straße und zum Verkehrsnetz. Ein indivi­du­elles Recht auf Parkplätze in öffent­lichen Straßenraum folgt daraus nicht.

Angesichts der zahlreichen Initia­tiven, den Kraft­fahr­zeug­verkehr in den Städten zurück­zu­drängen, um Freiräume für andere Verkehrs­arten oder Aufent­halts­qua­lität zu schaffen, stellen sich bezüglich des Anlie­ger­ge­brauchs noch weitere Fragen: Kann aus dem Anlie­ger­ge­brauch erfolg­reich gegen Straßen­sper­rungen geklagt werden? Wie sieht es beispiels­weise mit tempo­rären Spiel­straßen aus? Können Anlieger, die ihr Grund­stück zeitweilig nicht mit dem Kfz erreichen können, das rechtlich unter­sagen lassen? Das Verwal­tungs­ge­richt Stuttgart hat dies nach summa­ri­scher Prüfung in einem Beschluss im Rahmen des einst­wei­ligen Rechts­schutzes verneint.

In dem betref­fenden Fall war die Spiel­straße aufgrund einer straßen­recht­lichen Sonder­nut­zungs­er­laubnis und flankiert von straßen­ver­kehrs­recht­lichen Anord­nungen einge­richtet worden. Im gericht­lichen Beschluss vom 17.09.2021 (Az. 8 K 4584/21) arbeitet das VG Stuttgart den Inhalt des Anlie­ger­ge­brauchs heraus: Artikel 14 Abs. 1 GG schütze nur den Kernbe­reich des Anlie­ger­ge­brauchs. Dazu zähle nicht die unein­ge­schränkte Erreich­barkeit eines städti­schen Anlie­ger­grund­stücks mit privaten Kraft­fahr­zeugen und zu privaten Zwecken. Demnach ist es den Bewohnern einer tempo­rären Spiel­straße zuzumuten, beispiels­weise Bauma­te­rialien zu Zeiten zu besorgen, an denen die Straße nicht gesperrt sei. Auch sei es möglich, das Kfz vorüber­gehend außerhalb des gesperrten Bereichs zu parken, jeden­falls solange keine Anhalts­punkte vorliegen, dass den Bewohnern der kurze Weg zu Fuß nicht möglich sei.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass das Eigen­tums­recht und der damit verbundene Anlie­ger­ge­brauch kaum Handhabe gegen Beschrän­kungen des Verkehrs bieten. Das ist nachvoll­ziehbar, als der öffent­liche Straßenraum gerade nicht Gegen­stand privater Rechte ist. Nur soweit das Eigen­tums­recht nicht mehr sinnvoll ausgeübt werden kann, etwa weil ein Grund­stück gar nicht mehr erreichbar ist, ist der Kernbe­reich des Eigentums betroffen. Für Gemeinden bedeutet es, dass durchaus Spiel­räume zur Beschränkung des Kraft­fahr­zeug­ver­kehrs bestehen (Olaf Dilling).

 

2022-01-20T13:34:30+01:0020. Januar 2022|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Schaden­er­satz­pflicht bei unberech­tigter Kündigung der Energielieferung?

In letzter Zeit gab es immer wieder Meldungen von einzelnen Energie­ver­sorgern, die ihre Kunden mögli­cher­weise rechts­widrig die Versor­gungs­ver­träge gekündigt haben. Machen sie sich damit aber schadenersatzpflichtig?

Schaden­er­satz­pflicht

Kündigt ein Energie­ver­sorger den Liefer­vertrag mit einem Kunden und erweist sich diese Kündigung als unberechtigt und damit unwirksam, gilt der verein­barte Energie­lie­fer­vertrag rechtlich fort. Meldet der Versorger die Belie­ferung des Kunden gleichwohl beim Netzbe­treiber ab, verstößt er damit gegen seine vertrag­liche Liefer­pflicht, denn nach der Abmeldung kann er den Kunden nicht mehr beliefern. Sämtliche Energie die der Kunde danach noch bezieht, wird einem anderen Versorger zugeordnet – in der Regel dem Grund- und Ersatzversorger.

Der unberechtigt kündi­gende Versorger erfüllt damit seine vertrag­liche Liefer­pflicht nicht mehr und macht sich daher grund­sätzlich schaden­er­satz­pflichtig. Energie­lie­fer­ver­träge sind regel­mäßig Fixge­schäfte, so dass der Versorger die unter­lassene Lieferung auch nicht später nachholen könnte. Der Kunde kann dann Schaden­ersatz statt der Leistung verlangen (§§ 275 Abs. 4, 280, 281, BGB), soweit ihm ein Schaden entsteht.

Höhe des Schadenersatzes

Durch die unberech­tigte Kündigung und Abmeldung des Kunden wird der faktische Energie­bezug des Kunden in der Regel nicht beein­trächtigt, weil der Ersatz­ver­sorger die Belie­ferung nahtlos fortsetzt.

Der Schaden des Kunden wird daher typischer­weise in den Mehrkosten liegen, die ihm durch die Belie­ferung im Rahmen der teuren Ersatz­ver­sorgung entstehen. Da die Ersatz­ver­sorgung auf maximal 3 Monate gesetzlich begrenzt ist, muss der Kunde innerhalb dieser Zeit einen neuen Energie­lie­fer­vertrag abschließen. Auch hier können die Mehrkosten des Neuver­trages im Vergleich zum Liefer­preis des unberechtigt gekün­digten Vertrag als Schaden­ersatz in Betracht kommen.

Der Schaden­ersatz berechnet sich also kurz gesagt aus der Differenz des verein­barten Liefer­preises des unberechtigt gekün­digten Vertrages und den Kosten der ersatz­weisen Belieferung.
Die anzuset­zende Dauer ist davon abhängig, wie lange das ursprüng­liche Liefer­ver­hältnis ohne die unberech­tigte Kündigung noch gelaufen wäre bzw ab wann der Versorger es hätte recht­mäßig beenden können.

Zu beachten ist, dass der Kunde einer Schadens­min­de­rungs­pflicht unter­liegt. Er dürfte also keinen unnötig teuren Vertrag als Ersatz für den gekün­digten Vertrag abschließen, um so einen möglichst hohen Schaden­ersatz rechne­ri­schen zu erzielen. Dem Kunden ist es natürlich trotzdem nicht untersagt, auch zu einem teuren Versorger zu wechseln, der Schaden­ersatz würde dann aber auf Basis eines markt­üb­lichen Vergleichs­preises berechnet werden.

(Christian Dümke)

2022-01-20T01:01:40+01:0020. Januar 2022|Allgemein|

Regelungs­lücken beim Energiediscounter?

Der aktuelle Spiegel berichtet über den Verdacht, bei Stromio und Gas.de könnte es sich anders verhalten als bei anderen Discountern, die ihre Liefer­ver­pflich­tungen schlicht nicht mehr erfüllen konnten: Im Raum steht der Verdacht, den verbun­denen Unter­nehmen seien keineswegs die Mittel ausge­gangen, die den Kunden geschuldete Energie beim Vorlie­fe­ranten zu bezahlen. Vielmehr würde aktuell die Bundes­netz­agentur (BNetzA) ermitteln, ob die eigentlich für die Erfüllung der laufenden Energie­lie­fer­ver­träge beschaffte Energie an Großhändler weiter­ver­kauft worden sei, weil die aktuell am Großhan­dels­markt zu erlösenden Preise so hoch sind, dass sie die den Kunden garan­tierten Preise deutlich übersteigen. Stromio hätte sich also wie der Vermieter eines Ferien­hauses verhalten, der zwar Familie Maier das Haus am Meer für 500 EUR für vier Wochen vermietet hätte, dann aber die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen hätte, Familie Schmidt für das Ferienhaus 800 EUR abzunehmen und den Maiers unter einem Vorwand abzusagen.

Zivil­rechtlich dürfte die Sache nicht überkomplex sein: Stromio und Gas.de hatten laufende Verträge, die sie gekündigt haben, obwohl kein Kündi­gungs­recht bestand (zu einem solchen Fall auch hier). Die Kündi­gungen sind also vermutlich zum weit überwie­genden Teil unwirksam, es sei denn, ausnahms­weise gibt die Vertragslage etwas anderes her. Da aber – teilweise sogar vor der Kündigung – die Belie­ferung einge­stellt wurde, werden die Kunden seitdem vom Ersatz­ver­sorger beliefert. Die Ersatz­ver­sorgung ist teurer als der Produkt­preis, zu dem Stromio bzw. Gas.de zu liefern verpflichtet war. Damit entsteht den Kunden ein Schaden, den Stromio und Gas.de ersetzen müssen. Doch zum einen macht diesen Schaden längst nicht jeder Kunde geltend. Und zum anderen ist die Ersatz­ver­sorgung in aller Regel trotz der hohen Bezugs­kosten nicht so teuer, dass der Schadens­ersatz den Gewinn durch Verkauf an Dritte übersteigen dürfte. Mit anderen Worten: Wenn es denn so sein sollte, lohnt es sich vermutlich.

Stromzähler, Elektrizität, Meter, Voltmeter, Multimeter

Nicht nur für die Betrof­fenen wäre das unbefrie­digend. Entspre­chend wird teilweise disku­tiert, ob denn wirklich keine straf­recht­liche Verur­teilung in Frage kommt. Ob es sich – verdichtet sich der Verdacht – mögli­cher­weise um einen Einge­hungs­betrug handeln könnte? Doch diese spezielle Form des Betrugs setzt voraus, dass schon bei Vertrags­ab­schluss bereits keine Erfül­lungs­be­reit­schaft bestand. Dem dürfte, bestä­tigen sich die im Raum stehenden Vorwürfe, aber erkennbar nicht so sein, denn bei Abschluss der Verträge irgendwann in der Vergan­genheit bestand die Absicht, Strom zu liefern ganz bestimmt. Abstrakt ist es aber gerade nicht strafbar, Verträge nicht zu erfüllen. Zumindest auf den ersten Blick also kein Fall für die Staatsanwaltschaft.

Entspre­chend ist es nicht erstaunlich, dass die Politik nun ankündigt, aktiv zu werden. Doch den ersten Ankün­di­gungen des Bundes­wirt­schafts­mi­nisters ist wenig Konkretes zu entnehmen. Insofern: Es bleibt spannend (Miriam Vollmer).

2022-01-19T00:09:07+01:0019. Januar 2022|Vertrieb|