Der „gleiche Preis“?
Eine etwas verwirrende Nachricht soll das Umwelt- und Verbraucherschutzministerium verbreitet haben: Laut Spiegel Online hätten Kunden, deren Versorger ihnen den laufenden Stromvertrag gekündigt hat, ein Recht darauf haben „den gleichen Preis für den Strom“ zu zahlen, „wie sie es mit ihrem ersten Lieferanten, dem Hauptlieferanten, ausgemacht“ hätten. Kein Wunder, dass nun schon erste Kunden, die der Discounter ihrer Wahl nicht mehr beliefern will, beim eingesprungenen Ersatzversorger anrufen und den einst mit dem Discounter vereinbarten Preis verlangen.
Doch muss nun wirklich der Grundversorger als Ersatzversorger nicht nur die Versorgung sicherstellen, sondern den Vertrag zu den Konditionen übernehmen, die der Discounter nicht mehr gewährleisten kann oder will? Wie soll das aussehen in Zeiten, in denen die Energiepreise sich vervielfacht haben? Des Rätsels Lösung ist einfach: Das hat das Ministerium natürlich nie gemeint. Tatsächlich sieht es folgendermaßen aus:
Die Stromlieferverträge zwischen den Discountern und ihren Kunden sind Stromlieferverträge außerhalb der Grund- und Ersatzversorgung, also Sonderkundenverträge. Ob und unter welchen Bedingungen sie gekündigt werden können, ergibt sich meistens aus diesen Verträgen selbst. Oft ist es so: Die Parteien haben sich für eine gewisse Zeit, oft ein oder zwei Jahre, fest gebunden. In dieser Zeit sind Kündigungen ausgeschlossen, oft gilt eine Preisgarantie. In vielen Fällen hat der Versorger diesen garantierten Preis aber nicht besichert, sondern sich darauf verlassen, dass er die zugesicherten Mengen kurzfristig günstig besorgen kann. Da das derzeit nicht möglich ist, kommen viele Unternehmen in Schwierigkeiten. Da „schlechte Geschäfte“ aber kein Kündigungsgrund sind, sind viele der Kündigungen, die diese Unternehmen nun aussprechen, rechtswidrig und deswegen unwirksam.
Dem geprellten Kunden hilft das nicht. Wenn der Versorger seiner Wahl nicht mehr liefert, ist gilt der von ihm bezogene Strom als vom Ersatzversorger nach § 38 Abs. 1 EnWG geliefert. Für diese Ersatzversorgung gelten nach § 38 Abs. 1 S. 3 EnWG keine höheren Preise als für die Grundversorgung, sofern der Kunde Verbraucher – also Haushalte, nicht Gewerbe – sind. Eine gesetzliche Bindung an den Preis, den der frühere Versorger garantiert hat, gilt für den Grundversorger also gesetzlich keineswegs. Und auch vertraglich gibt es keine solche Garantie, denn der Vertrag, aus dem sich dieser Preis ergibt, bestand ja zwischen dem Kunden und seinem früheren Versorger, der eben nicht mit dem Grundversorger identisch ist.
Einen Anspruch auf Einhaltung der Preisgarantie gegen den Ersatzversorger hat der gekündigte Kunde also nicht. Doch wenn die vom früheren Versorger ausgesprochene Kündigung rechtswidrig war, steht ihm ein Anspruch auf Schadensersatz gegen diesen früheren Versorger zu: Er muss so gestellt werden, als hätte dieser sich korrekt verhalten. Der alte Versorger muss also die Preisdifferenz ersetzen. Doch ob da noch etwas zu holen ist? (Miriam Vollmer).