Habecks Eröff­nungs­bilanz: Was plant die Bundesregierung?

Schon im Koali­ti­ons­vertrag hat die neue Bundes­re­re­gierung skizziert, was sie für die nächsten vier Jahre plant. Heute, am 11. Januar 2022, hat der Bundes­wirt­schafts­mi­nister Habeck ausgehend von einer „Eröff­nungs­bilanz“ darge­stellt, wie die Ampel ihre ehrgei­zigen Pläne in zwei ersten großen Paketen umsetzen will.

Der klima­po­li­tische Kassensturz

Dass die neue Bundes­re­gierung an der Alten kein gutes Haar lässt, ist nun nicht weiter erstaunlich. Neu: Laut BMWi sind die energie­be­dingten Emissionen 2021 gegenüber 2020 um rund 4% gestiegen, insgesamt wurden gut 30 Mio. t CO2 mehr emittiert. Dass 2020 das Klimaziel erreicht wurde, war also nicht nachhaltig. Gebäude und Verkehr haben nicht geliefert. Angesichts dessen ist es nicht erstaunlich, dass das BMWi auch für 2022 und 2023 pessmis­tisch ist. Das geplante gesetz­ge­be­rische Sofort­pro­gramm würde erst 2023 wirksam. Da Planung und Umsetzung auch noch einmal Zeit beanspruchen, rechnet die Bundes­re­gierung erst 2024 damit, die Klima­ziele wieder zu erreichen. Das ist zwar deutlich später als der EU-Rahmen vorgibt, aber für die Verhält­nisse der deutschen Gesetz­gebung und Umsetzung bei Unter­nehmen und Verbrau­chern plant die Bundes­re­gierung eine Umwälzung des Klima­schutz­rechts quasi in Lichtgeschwindigkeit.

Was hat die Bundes­re­gierung vor?

195 Mio. t CO2 weniger müssen zusätzlich durch neue Maßnahmen erbracht werden. Es gibt also jede Menge neue Gesetze oder bestehende Regelungen werden geändert:

# Das Klima­schutz­gesetz wird wie erwartet verschärft.

# Steigende Belas­tungen sollen teilweise kompen­siert werden. Schon 2023 soll die EEG-Umlage abgeschafft werden. Die alte Bundes­re­gierung beließ die Kosten für den natio­nalen CO-Preis ganz bei den Mietern. Die neue will nach Gebäu­de­klassen diffe­ren­zieren. Wenn das nicht klappt, soll ab dem 1. Juni 2022 hälftig geteilt werden.

# Kommunen sollen von Freiflächen-PV und Windenergie profi­tieren, und zwar nicht nur von neuen, sondern auch von bereits bestehenden Anlagen.

# Insgesamt sollen 2030 544 bis 600 TWh aus Erneu­er­baren Quellen stammen. Allein 100 GW Wind Onshore sollen bis 2030 in Betrieb gehen, PV soll verdrei­facht werden. Hierfür soll das Planungs­recht geändert werden, um 2% der Landes­fläche für die Windenergie bereit­zu­stellen. Zu den Hinder­nissen, die der Bund besei­tigen will, gehören besonders die Abstands­regeln und geneh­mi­gungs­recht­liche Hinder­nisse. Wind Offshore soll in der AWZ prioritär werden, sich also bei Nutzungs­kon­kur­renzen regel­mäßig durchsetzen.

# Wer künftig gewerblich baut, muss Aufdach-PV instal­lieren. Wird privat gebaut, wird dies zur Regel. Die Ausschrei­bungs­mengen werden erhöht. Das Papier spricht von einer Erhöhung des jährlichen Zubaus von statt­lichen 20 GW.

# Bei Planungs­pro­zessen soll es künftig einen Vorrang für Erneu­erbare Energien bei der
Schutz­gü­ter­ab­wägung
gebe. Behörden und Gerichte sollen besser ausge­stattet und digitaler werden, Ausbau­hemm­nisse für Wind wie Abstände zu Funkna­vi­ga­ti­ons­an­lagen und Wetter­radaren werden beseitigt. Bei den viel disku­tierten Konflikten zwischen Erneu­er­baren und Arten­schutz – v. a. Vögel – wird auf Popula­ti­ons­schutz durch gesetz­liche Standar­di­sierung bei der Arten­schutz­prüfung und Ausnah­me­tat­be­stände gesetzt. Dies ist ein heikler Teil des künftigen Pakets, denn hier steht die EU-FFH-Richt­linie im Raum.

# Die Bundes­re­gierung hält am Atomaus­stieg bis 2022 fest und will den Kohle­aus­stieg bis 2030. Statt 2026 soll schon 2022 das Ausstiegs­datum überprüft werden. Sodann will die Bundes­re­gierung ab 2035 auch aus Erdgas aussteigen und das fossile Gas in den neuen Kraft­werken der nächsten Jahre bis 2045 durch grünen Wasser­stoff ersetzen. Noch 2022 soll für diesen ganz neuen Strom­markt ein neues Strom­markt­design erarbeitet werden.

# Der Netzausbau soll beschleunigt werden, auch durch Verein­fa­chung der Planung. Netze sollen digitaler werden, der Roll Out intel­li­genter Messsys­steme soll gleich­falls beschleunigt werden.

# Das Ausbauziel für die Wasser­stoff­elek­trolyse wird bis 2030 auf 10 GW verdoppelt.

# Die Industrie muss weit über die Vorgaben des aktuellen EU-Emissi­ons­handels hinaus Emissionen reduzieren. Die Industrie soll mehr Erneu­erbare nutzen, umgehend soll ein Rahmen für  Carbon Contracts for Difference instal­liert werden. Zu den neuen Anreizen gehören auch „Super­ab­schrei­bungen“.

# Im Verkehrs­be­reich soll die Ladeinfra­struktur schneller ausgebaut werden. Schon 2025 sollen jährlich 100.000 öffent­liche Ladepunkte errichtet werden. E‑Mobility soll nicht nur bei PKW, sondern auch bei LKW ausgebaut werden, die Bahn ihren Anteil an der Verkehrs­leistung auf 10% bei Personen und 22% im Güter­verkehr steigern. Im Flug- und Schiffs­verkehr will die Bundes­re­gierung strom­ba­sierte, also synthe­tische Kraft­stoffe durch EU-Quoten fördern.

# Das Gebäu­de­en­er­gie­gesetz (GEG) wird – wie erwartet – verschärft. Die Bundes­re­gierung setzt auf den EH Standard 40 im Neu- und 70 im Bestands­be­reich. 2025 soll jede neue Heizung auf 65% Erneu­er­baren beruhen. Wärme­netze sollen dekar­bo­ni­siert und Anschlüsse erhöht werden, es gibt mehr Förder­instru­mente, und Kommunen sollen über eine Kommunale Wärme­planung eine wichtige Rolle spielen.

Windkraft, Landschaft, Windenergie, Strom

Zeitplan: Frühlings­paket und Sommer­paket 2022

Direkt in den nächsten Monaten sollen die skizzierten Maßnahmen schnell in zwei großen Geset­zes­pa­keten zu Ostern und im Sommer auf den Weg gebracht werden. Im Vorder­grund steht dabei das EEG: Die Ausschrei­bungs­mengen PV und Wind werden umgehend erhöht, die geplanten Vorrang­re­ge­lungen erlassen. Für Solar und Wind sollen die kurzfristig umzuset­zenden Maßnahmen direkt verab­schiedet werden, der Mieter­strom wird auch 2022 aufge­wertet und daneben die Abschaffung der EEG-Umlage auf den Weg gebracht. Die geplanten Carbon Contracts für Diffe­rence sollen auch direkt 2022 einge­führt werden.

Neuerungen also auf ganzer Linie: Setzt sich der Bund gegen die teilweise durchaus skepti­schen Bundes­länder durch, wird nicht nur das EEG Silvester deutlich anders aussehen als heute. Zwischen dem heutigen Tag und der veröf­fent­li­chung der neuen Gesetze im Bundes­ge­setz­blatt liegt voraus­sichtlich ein zähes Ringen. Und auch dann müssen Kommunen, Bauherren und immer wieder die Länder überzeugt werden, dem Bunde beim Umbau zu folgen (Miriam Vollmer).

2022-01-11T23:25:04+01:0011. Januar 2022|Energiepolitik, Erneuerbare Energien|

Basis­wissen Grund­ver­sorgung und Ersatz­ver­sorgung Teil 1

Durch die aktuelle Energie­preis­krise verlieren derzeit viele Kunden ihren bishe­rig­en­Ener­gie­ver­sorger (durch Kündigung, Insolvenz oder sonstige Liefer­pro­bleme) und landen dann in der Grundversorgung…oder der Ersatz­ver­sorgung? Wo liegt da eigentlich der Unter­schied? Wir erklären es:

Die Grund­ver­sorgung (§ 36 EnWG)

Ein Energie­lie­fer­vertrag im Rahmen der Grund­ver­sorgung ist rechtlich gesehen zunächst einmal ein ganz normaler Vertrag, der wie jeder Vertrag durch Angebot und Annahme zustande kommt. Daher landet rechtlich gesehen auch niemand „automa­tisch“ oder verse­hentlich in der Grund­ver­sorgung. Eine Belie­ferung im Rahmen der Grund­ver­sorgung bedarf immer eines entspre­chenden Vertrages zwischen dem Grund­ver­sorger und dem Kunden.

Eine Beson­derheit der gesetz­lichen Grund­ver­sorgung ist aller­dings der Umstand, dass der entspre­chende Vertrag zwischen dem Kunden und dem Grund­ver­sorger nicht nur schriftlich, oder in Textform geschlossen werden kann, sondern auch konkludent durch „schlüs­siges Handeln“ des Kunden. Konkret dadurch dass der Kunde einfach Strom oder Gas aus dem Netz entnimmt, sofern diese Entnahme nicht bereits durch einen anderen Liefer­vertrag abgedeckt ist. Das ist für den Kunden von Vorteil, da er an einem ungesperrten Anschluss damit faktisch immer Zugriff auf Energie hat, ohne vorher umständlich einen schrift­lichen Vertrag abschließen zu müssen.

Die Aufgabe des Grund­ver­sorgers übernimmt pro Netzgebiet derjenige Lieferant, der dort die meisten Kunden beliefert. Dies wird alle 3 Jahre vom örtlichen Netzbe­treiber geprüft und ggf. neu vergeben.

Die Grund­ver­sorgung steht allen Kunden offen, die Energie entweder privat verbrauchen oder aber einen gewerb­liche Nutzung von nicht mehr als 10.000 kWh/Jahr aufweisen. Das Energie­recht nennt diese Kunden „Haushalts­kunden“. Der Grund­ver­sorger unter­liegt gegenüber diesen Haushalts­kunden einem Kontra­hie­rungs­zwang. Er kann also – anders als andere Energie­ver­sorger – grund­sätzlich nicht frei entscheiden, ob er den Grund­ver­sor­gungs­vertrag einem Kunden anbieten möchte oder nicht. Lediglich im Ausnah­mefall der Unmög­lichkeit oder der wirtschaft­lichen Unzumut­barkeit kann der Grund­ver­sorger die Belie­ferung eines Kunden ablehnen.

Die inhalt­lichen Vertrags­be­din­gungen der Grund­ver­sorgung kann der Grund­ver­sorger nicht frei gestalten, sondern sie sind vom Gesetz­geber durch die StromGVV und die GasGVV weitest­gehend vorge­geben und gelten automa­tisch. Der Grund­ver­sorger muss die von ihm angebo­tenen Grund­ver­sor­gungs­preise öffentlich bekannt geben und auf seiner Website veröffentlichen.

Die Preise unter­liegen dabei keiner staat­lichen Festlegung. Der Grund­ver­sorger nimmt am normalen Preis­wett­bewerb der Versorger teil, denn natürlich können seine Kunden kündigen und statt einem Grund­ver­sor­gungs­vertrag ander­weitige Verträge mit anderen Liefe­ranten abschließen. Auch dem Grund­ver­sorger ist es erlaubt, neben seinem Grund­ver­sor­gungs­tarif auch noch weitere Tarife anzubieten. Um diese vonein­ander abzugrenzen schreibt das EnWG eine Kennzeich­nungs­pflicht vor (§ 41 Abs. 1 Nr. 6 EnWG).

Im nächsten Teil wenden wir uns dann Ersatz­ver­sorgung zu.

(Christian Dümke)

2022-01-11T18:16:53+01:0011. Januar 2022|Grundkurs Energie, Vertrieb|