Historisch ist die Überzeugung, dass Kinder auf einer Straße oder zumindest auf der Fahrbahn nichts zu suchen haben, noch nicht sehr alt. Viele Urgroßeltern heutiger Grundschulkinder konnten jedenfalls noch ungehindert auf der Straße spielen. Denn erst im Jahr 1936 wurde in die Reichsstraßenverkehrsordnung eine Vorschrift aufgenommen, nach der das Spiel und der Wintersport auf deutschen Straßen verboten wurde.
Heute gibt es eher wieder Bestrebungen, Kinder auf die Straße zu bringen. Sei es auf dem Schulweg selbständig ohne „Elterntaxi“ oder schlicht bei Spielen. Aber das ist gar nicht so einfach, denn auf der Fahrbahn ist es zu gefährlich und auf den Gehwegen ist oft nicht genug Platz, gerade wenn sie von parkenden Autos genutzt werden.
Insofern besinnen sich einige Kommunen wieder auf die sogenannten Spielstraßen, in den 1970er Jahren in Westdeutschland und zuvor schon in der DDR eingeführt worden waren. Diese Spielstraßen sind nicht zu verwechseln mit dem verkehrsberuhigten Bereich, der allerdings mit dem Verkehrszeichen 325.1 beschildert wird. Auf dem Schild sind auch spielende Kinder zu sehen.
Allerdings sind in der Spielstraße im Gegensatz zum verkehrsberuhigten Bereich grundsätzlich Kraftfahrzeuge verboten. Im verkehrsberuhigten Bereich ist das Spielen und Gehen auf der Straße zwar erlaubt, aber zugleich dürfen sie von Kfz benutzt werden, wenn auch nur in Schrittgeschwindigkeit und ohne Gefährdung und Behinderung der Fußgänger.
Nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung sollen verkehrsberuhigte Bereiche eigentlich als Mischverkehrsfläche für alle Verkehrsteilnehmer einheitlich gestaltet werden, ohne Abgrenzung von Gehwegen und Fahrbahn. Außerdem ist Halten und Parken nur auf speziell dafür ausgewiesenen Parkplätzen erlaubt.
Tatsächlich sehen verkehrsberuhigte Bereiche in Großstädten wie Berlin oft ganz anders aus. Der allgemeine Parkdruck und eine schwach ausgeprägte Parkraumüberwachung führen dazu, dass in vor Jahren eingerichteten verkehrsberuhigten Zonen oft nicht mehr viel an die ursprüngliche Idee erinnert. Noch nicht einmal Erwachsene trauen sich, dort die „Fahrbahn“ zu benutzen, denn letztlich hält keine noch so schöne planerische Gestaltung den Kraftfahrzeugverkehr auf.
Um Kinder dort doch zum Spielen zu bringen, gibt es seit einiger Zeit in Berlin die Initiative, zumindest temporär Spielstraßen einzurichten. Auch um den Bewegungseinschränkungen für Kinder während der Pandemie zu begegnen, werden die Straßen für ein paar Stunden in der Woche gesperrt. Allerdings müssen dafür auch die parkenden Autos weichen. Das sorgt nicht zuletzt rechtlich für Konflikte. Denn es ist zwar möglich, in verkehrsberuhigten Zonen Parkplätze auszuweisen. Ob es auch möglich ist, zeitlich beschränkte Halteverbote für diese Parkplätze anzuordnen, wird von Anwohnern mit Kraftfahrzeug in Frage gestellt. Kinder brauchen Spielstraßen, aber geben wir sie ihnen? (Olaf Dilling).
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