GG-Änderung: Klein bisschen Kinderrechte?
Bisher kommen Kinder im Grundgesetz (GG) nur als Kinder ihrer Eltern vor: Nämlich, wenn es um das „natürliche Recht der Eltern“ und die Pflicht zur ihrer Pflege und Erziehung geht. Daher sollen Kinderrechte nach einem Beschluss des Kabinetts vom Anfang des Jahres nun ausdrücklich im Grundgesetz verankert werden. Das ist an sich auch ein fälliger Schritt. Denn Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention bereits im Jahr 1992 ratifiziert. Damit hat die Bundesrepublik sich verpflichtet, die Rechte von Kinder zu achten, zu schützen und zu fördern. Bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, muss das Kindeswohl daher „vorrangig“ berücksichtigt werden.
Der Kabinettsbeschluss sieht vor, den Artikel 6 Abs. 2 GG entsprechend zu ergänzen:
„Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“
Wichtig war der Regierung, durch die Stärkung der Rechte von Kindern die Rechte der Eltern nicht zu beschneiden. Zudem kommt mit der Qualifikation der Berücksichtigung als „angemessen“ zum Ausdruck, dass Kinderrechte stets mit den Rechten anderer Grundrechtsträger und verfassungsrechtlicher Belange abzuwägen sind.
Der Reformentwurf wird daher in einer Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins kritisiert: Die UN-Kinderrechtskonvention verlangt nämlich in Artikel 3 Abs. 1 die „vorrangige“ Berücksichtigung des Kindeswohls bei allen die Kinder betreffenden Entscheidungen. Auch in der EU-Grundrechtecharta findet sich eine entsprechende Formulierung. Zudem sei auch für Entscheidungen, die das Erziehungsrecht der Eltern betreffen, das Kindeswohl die Richtschnur.
Dass die Grundgesetzänderung auch für ganz praktische Rechtsfragen relevant werden kann, zeigen nicht nur die aktuellen Konflikte über die Berücksichtigung von Kindeswohlbelangen bei Schul- und Kitaschließungen. Auch die Gestaltung des urbanen öffentlichen Raums oder die Klimapolitik sollten zunehmend im Lichte von Kinderrechten gedacht werden (Olaf Dilling).