Das GASAG-Urteil des BGH: Rekommunalisierung am Ende?
Das Land Berlin hat in letzter Instanz vorm Bundesgerichtshof (BGH) den Rechtsstreit um das Berliner Gasnetz verloren (wir berichteten gestern). Das Gasnetz hier in Berlin wird also auch zukünftig die GASAG betreiben.
Nun scheitern nicht ganz wenige Städte beim Versuch, den Zuschlag für das Energienetzbetrieb an eigene, kommunale Unternehmen zu vergeben. Doch die Entscheidung des BGH ist für die Kommunalwirtschaft besonders schmerzhaft: Das BGH hat nämlich nicht wegen handwerklicher Fehler das Verfahren aufgehoben, sondern die Vergabe an den Landesbetrieb für rechtswidrig erklärt, weil der nicht ausreichend wirtschaftlich leistungsfähig sei. Der Landesbetrieb ist nämlich ganz neu, er hat bisher weder die Strukturen noch das Personal der bisherigen Netzbetreiberin. Er hätte diese Strukturen erst dann aufgebaut, wenn er den Zuschlag bekommen hätte. Alles andere wäre ja auch das reine finanzielle Harakiri: Die alte Netzkonzession endete an sich Silvester 2013, seitdem hängt das Verfahren vor Gericht. Das Land hätte also, denkt man dieses Argument, einen voll ausgerüsteten Betrieb über acht Jahre ohne Einnahmen unterhalten müssen, um gemessen an diesem Maßstab „wirtschaftlich leistungsfähig“ zu sein.
Natürlich kann Berlin das nicht. Natürlich kann das auch keine andere Gemeinde. Es wäre wohl auch mit den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung gar nicht vereinbar. Das aber heißt: Gemeinden, die ihr Strom- oder Gasnetz nicht schon selbst betreiben, können faktisch kaum ein eigenes kommunales Unternehmen gründen, das leistungsfähig genug ist, sich im Konzessionsverfahren durchzusetzen. Sie brauchen immer mindestens einen erfahrenen Partner, der schon andernorts Netze betreibt.
Das ist eine schlechte Nachricht nicht nur für die Städte selbst. Die sogenannte „Rekommunalisierung“, die auf den Betrieb der Energienetze durch städtische Gesellschaften abzielt, ist keineswegs ein reines Prestigeprojekt von Bürgermeister*innen und eitlen Lokalpolitiker*innen. Zum einen ist der Netzbetrieb lukrativ. Bleibt das Geld in der Stadt, wird es von einer städtischen Gesellschaft entweder in der Stadt investiert und finanziert die örtliche Energiewende. Oder wird an die Stadt ausgeschüttet und verschafft den oft klammen Kommunen Spielräume für soziale oder kulturelle Aufgaben. Aber hier geht es nicht nur um Geld. Kommunale Energieversorgung kann sehr unterschiedlich aussehen. Natürlich gibt es auch viele Unternehmen in privater Hand, die die Energiewende klug moderieren. Aber nur dann, wenn die Netze vor Ort von kommunalen Unternehmen betrieben werden, wird der Betrieb durch gewählte Vertreter*innen kontrolliert und seine Eckpfeiler vor Ort demokratisch legitimiert entschieden, und zwar nicht vermittelt durch Aktionär*innen, sondern durch die Bürgerinnen und Bürger selbst, die die Mehrheiten vor Ort bestimmen. Dass das nun so erschwert wird, ist auch in Hinblick auf Art. 28 Abs. 2 GG mehr als bedauerlich (Miriam Vollmer).