Anstehend: Verschärfung auch im Emissionshandel
Nach der Novelle ist vor der Novelle: Die neue Handelsperiode des Emissionshandels läuft seit drei Monaten. Doch die Vorbereitungen, das System weiterzuentwickeln, sind schon in vollem Gange. Diese Dynamik ist dem Emissionshandel immanent: Er zielt ja nicht auf einen statischen Zustand ab, sondern auf immer weitere Reduzierungen der CO2-Emissionen.
Ganz konkret geht es um den Plan eines ehrgeizigeren EU-Einsparziels bis 2030 von 55% gegenüber 1990. Bis jetzt hatte die EU nur 40% im Visier. Damit stellt sich nun die Frage, wie diese zusätzlichen 15% Einsparung erreicht werden sollen. Zwar ist hier nicht nur der Sektor der stationären Anlagen aus Industrie und Energiewirtschaft gefragt, sondern auch Verkehr und Gebäude. Doch auch der Emissionshandel wird betroffen sein. Zwar ist mit konkreten Vorschlägen der Kommission erst im Frühsommer zu rechnen, gleichwohl lohnt sich ein Blick auf die Rückmeldungen auf die Konsultation der Europäischen Kommission, mit der diese vom November 2020 bis Februar 2021 ein Meinungsbild der Stakeholder eingeholt hat. Satte 262 Beiträge wurden eingereicht und sind auf der Seite der Kommission einsehbar.
Die Beiträge verteilen sich auf fast alle Themen, die überhaupt mit Emissionen und den Maßnahmen zu ihrer Reduzierung zu tun haben. Bezogen auf den Emissionshandel wird schon aus dem initialen Kommissionsdokument deutlich, dass auffallend viel über die Marktstabilitätsreserve (MSR) diskutiert wird (hierzu auch hier). Dieses Instrument soll bekanntlich Preisausschläge nach unten, aber auch nach oben, regulieren, indem außerhalb eines als akzeptabel geltenden Korridors von Zertifikaten im Umlauf entweder 24% der Zertifikatmenge aus dem Vorjahr eingelagert oder zusätzlich auf den Markt gebracht werden.
Kritisiert wird, dass die MSR erst bei einem schon recht niedrigen Preisniveau greift. Vorgeschlagen wird deswegen, den Korridor für die Umlaufmengen zu verschieben und so die Preise effektiv zu erhöhen. Mit anderen Worten: Die Kosten für die Produktion emissionshandelspflichtig erzeugter Waren steigen.
Entsprechend machen viele Beiträge darauf aufmerksam, dass die Verteuerung der europäischen Produktion eine Fortsetzung der Privilegien der abwanderungsbedrohten Industrie nahelegt. Zumindest einige Stimmen machen sich spürbar Sorgen, dass nach Umsetzung der Pläne für eine CO2-Grenzsteuer die Zuteilungsprivilegien entfallen könnten.
Nachdem die Kommission die MSR ja selbst ins Spiel gebracht hat, ist es wahrscheinlich, dass hier auch angesetzt wird. Dies würde nur kleinere Änderungen des Regelwerks der 4. Handelsperiode erfordern, vor allem würde die Menge geändert, ab der Zertifikate aus dem Umlauf genommen werden, und auch die abgesaugte Menge würde erhöht. Ob diese Mehrbelastung durch eine faktische Erhöhung des CO2-Mindestpreises durch Erleichterungen flankiert würde, hängt vermutlich nicht ganz unwesentlich von den Fortschritten bei einer CO2-Grenzsteuer ab. Das heißt: Noch ist viel offen. Klar ist nur, dass die Mengen künftig sinken, die Preise steigen und Unternehmen ihre Dekarbonisierung vorantreiben müssen. Aber das wussten sie ja auch schon vorher (Miriam Vollmer).