Während immer wieder Forde­rungen aufkommen, den Emissi­ons­handel auf weitere Sektoren auszu­weiten, gibt es parallel ebenso Versuche, ihn zu schwächen. So ist es kein Geheimnis, dass Polen nicht glücklich darüber ist, dass die Kosten für die Emission von Treib­haus­gasen ab 2021 deutlich steigen sollen. Das mag man bedauern. Aber es darf nicht übersehen werden, dass dieje­nigen Mitglied­staaten, die derzit mit Aplomb aus der emissi­ons­in­ten­sivne Kohle­ver­stromung aussteigen, ihren Strom aus Kernkraft­werken beziehen und wenig Indus­trie­un­ter­nehmen im Lande haben.

Zu den Instru­menten, auf die die Verfechter des Emissi­ons­handels haupt­sächlich setzen, gehört die Markt­sta­bi­li­täts­re­serve. Dieses Instrument dient der Mengen­sta­bi­li­sierung: Wenn zu viele Zerti­fikate auf dem Markt sind, weil die Nachfrage geringer ist als im Vorfeld angenommen, werden Emissi­ons­be­rech­ti­gungen abgeschöpft, auf einem Sonder­konto gehalten und ab 2023 gelöscht. Das war in der Vergan­genheit anders: Als 2008 die Wirtschaft und damit auch die Nachfrage nach Emissi­ons­zer­ti­fi­katen in Südeuropa einbrach, fielen auch die Kurse, so dass der Anreiz zum Techno­lo­gie­wechsel faktisch bis heute nicht mehr bestand.

Dieses Instrument soll auch nicht erst ab 2021 (also ab Beginn der nächsten Handel­s­pe­riode) greifen, sondern schon ab dem 01.01.2019. Das haben die Organe der EU 2015 beschlossen. Hiergegen hat Polen – unter­stützt von einigen anderen Mitglied­staaten – geklagt.

Dass diese Klage voraus­sichtlich keinen Erfolg haben würde, hat bereits der Schluss­antrag des General­an­walts gezeigt, den wir vor einigen Wochen analy­siert haben. Der General­anwalt Mengozzi hatte schon die polnische Klage als unbegründet bezeichnet. Wie meistens ist der Gerichtshof dem auch hier gefolgt und hat die Klage am 21.06.2018 abgewiesen.

Auch der Gerichtshof sieht keinen Eingriff in das Recht Polens, den eigenen Energie­trä­germix zu bestimmen. Das ist formell gesehen auch richtig, schließlich kann Polen weiter zu 83% Braun- und Stein­kohle verstromen. Es wird „nur“ teurer. Faktisch ist es natürlich exakt so, dass der europäische Gesetz­geber damit genau das bezweckt, was Polen befürchtet: Irgendwann ist die Kohle­ver­stromung wegen hoher Kosten für Zerti­fikate schlicht unwirt­schaftlich. Auch das Argument, der Rat hätte erst ein Inkraft­treten ab 2021 und nicht erst 2019 gefordet, sticht nach Ansicht des EuGH nicht, weil es die Zustän­dig­keiten der anderen Organe verkenne.

Das Haupt­ge­wicht sowohl der Klage als auch des Urteils liegt aber auf der Frage nach dem Vertrau­ens­schutz. Denn 2019 ist die laufende Handel­s­pe­riode ja noch nicht vorbei. Die Unter­nehmen – so Polen – haben 2011 für die Jahre 2012 bis 2020 Dispo­si­tionen in dem Glauben getroffen, die Regeln bis Silvester 2020 stünden fest. Dass es nun ganz anders kommt und Mengen abgeschöpft werden, erschüttere deren Vertrauen.

Dies ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn der Gesetz­geber  für einen festge­legten Zeitraum Gesetze erlässt, stellen sich die Unter­nehmen darauf ein. Dass der EuGH dies nicht zum Anlass genommen hat, den Beschluss zur MSR ab 2019 aufzu­heben, liegt an einem simplen Grund: Die Emissi­ons­han­dels­richt­linie lässt an mehreren Stellen erkennen, dass der europäische Richt­li­ni­en­geber von einer Anpasusngs­mög­lichkeit ausge­gangen ist. Überdies hätten die Betreiber von Anlagen zwischen 2015 (als der angegriffene Beschluss erging) und 2019 genug Zeit, sich anzupassen. Als unver­hält­nis­mäßig betrachten die Richter den Beschluss auch nicht, denn die Organe hätten ein weites Ermessen und seien keineswegs daran gebunden, nur solche Belas­tungen zu beschließen, die gerade noch zu einem rechts­kon­formen Zustand führen. Das hatte auch der General­anwalt schon so unterstrichen.

Was bedeutet das nun für die Praxis? Zum einen: Ab 2019 müssten die Kurse weiter steigen. Zum anderen: Auch in Zukunft kann jederzeit in die Regelungen des Emissi­ons­handels einge­griffen werden, auch in der laufenden Handel­s­pe­riode. Es ist damit sinnvoll, Handels­stra­tegien flexibel zu halten.