Dumm gelaufen

Es ist ein ehernes Gesetz: Irgendwer motzt immer. Wenn der Strom- oder Gaslie­ferant die Preise anpasst, ist der Ärger aller­dings nicht in jedem Fall ganz nachzu­voll­ziehen. Schließlich hat der Bürger seit 1998 die Auswahl aus einer Vielzahl von Liefe­ranten und ist nicht an ein bestimmtes Unter­nehmen gekettet.

Was genau den Sonder­kunden eines nordrhein-westfä­li­schen Gasver­sorgers bewogen hat, 2007 den Gaspreis als überhöht zu geißeln, dann aber nicht zu wechseln, sondern schlicht die Zahlung einzu­stellen, bleibt auch in dieser inter­es­santen Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts (OLG) Hamm dunkel. Schließlich kann er nicht wirklich angenommen haben, dass er dann gar nichts würde zahlen müssen. Denn was passiert mit einem Kunden, der nicht zahlt? Ihm wird gekündigt. Und was passiert mit einem Kunden, der keinen Sonder­kun­den­vertrag mehr hat? Richtig, er landet in der Grund­ver­sorgung. Fairer­weise hatte der Versorger ihm das im Kündi­gungs­schreiben sogar mitgeteilt.

Der Grund­ver­sor­gungs­tarif ist aber wegen kürzerer Laufzeiten und der fehlenden Möglichkeit der Kunden­auswahl regel­mäßig teurer als ein Sonder­kun­den­vertrag. Mit anderen Worten: Der unzufriedene Kunde hatte faktisch vom günsti­geren Vertrag des Versorgers in dessen teuersten Tarif gewechselt.

Mögli­cher­weise hatte der Kunde angenommen, darauf komme es nicht an, weil er ja ohnehin nicht zahlte. Doch kann ein Kunde ernsthaft darauf setzen, dass Unzufrie­denheit einem Gericht als hinrei­chender Grund für die Zahlungs­ver­wei­gerung ausreichen würde? Natürlich nicht, und deswegen verur­teilte ihn erst das Landge­richt Bielefeld und nun das OLG Hamm zur Zahlung von immerhin (es geht ja um einige Jahre) rund 26.700 EUR.

Zwar ist gegen diese Entscheidung noch die Revision anhängig. Doch es spricht viel dafür, dass sich an der Entscheidung an sich nichts mehr ändert, die auch in Hinblick auf die Dreijah­res­re­gelung des BGH, hier nun auch für einen Sonder­kun­den­vertrag, überzeugt.

2018-07-09T23:30:35+02:009. Juli 2018|Gas, Strom|

Der Anwalt aus dem Ausland

Stellen wir uns Herrn Rechts­anwalt R. vor, wie er fröhlich an seinem Schreib­tisch sitzt mit einer Tasse Kaffee. Neben seinem Büro sitzt sein Sekre­tariat, in seinem Sekre­tariat steht ein Schrank, und in dem Schrank stehen Akten. In den Akten stehen alle Möglichen teilweise brisanten Infor­ma­tionen aus internen Ermitt­lungen bei einem Mandanten. Nennen wir ihn das Unter­nehmen V.

Stellen wir uns weiter Frau Staats­an­wältin S. vor. Auch sie sitzt an ihrem Schreib­tisch, in der Rechten eine Tasse Tee, und denkt darüber nach, wie sie endlich Licht in die duiosen Abläufe beim Unter­nehmen V. bekommt. An R.’s Akten müsste man ran, denkt Frau S. und träumt vom § 94 StPO.

Zwei Tage später ordnet Frau S. die Durch­su­chung und Beschlag­nahme der Akten aus Rechts­anwalt R.’s Büro an. R. tobt. Die schönen Geheim­nisse. Wie kann das überhaupt sein, schließlich gelten doch für ihn als Anwalt § 97 Abs. 1 Nr. 3 und § 160a StPO, die ein Beschlag­nah­me­verbot auch für den Anwalt eines Beschul­digten enthalten.

Mit einer solchen Konstel­lation hat sich – nach erfolg­loser Anrufung der Fachge­richte – nun das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) beschäftigt und ist zu einem überra­schenden Ergebnis gekommen. Ganz abseits der – spezia­li­sierten Kollegen vorbe­hal­tenen – Frage, wie die Abwägung zwischen dem Ermitt­lungs­in­teresse und dem Anwalts­pri­vileg zu beurteilen ist: Kann es wirklich richtig sein, dass das BVerfG auslän­dische Kanzleien weniger schützen will als deutsche Häuser?

Hinter­grund dieser Diffe­ren­zierung: Das Grund­gesetz unter­scheidet zwischen auslän­di­schen und inlän­di­schen juris­ti­schen Personen. Dies ergibt sich aus Art. 19 Abs. 3 GG, wo es heißt:

Die Grund­rechte gelten auch für inlän­dische juris­tische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.“

Eine Kanzlei, die im Ausland ihren Hauptsitz hat und deren Entschei­dungen im Ausland getroffen werden, hat danach eine schwä­chere Rechts­stellung als eine deutsche Kanzlei (vgl. Rz. 25 der Entscheidung 2 BvR 1287/17). So weit, so gut. Die Kanzlei kann sich also nicht auf Grund­rechte berufen.

Doch kann es für die Schutz­wür­digkeit von Rechts­anwalt R.’s Akten wirklich einen Unter­schied machen, ob er zur Partner­ver­sammlung nach Berlin oder nach NYC fährt? Anwälte sind Freibe­rufler, sie bringen sich als Person ein, und werden auch als Person am anwalt­lichen Standes­recht gemessen. Herr R. ist nicht nur ein Mitar­beiter einer auslän­di­schen Kanzlei. Er ist ein deutscher Anwalt. Dies hat, meinen wir, das BVerfG nicht zutreffend gewürdigt.

2018-07-09T12:53:36+02:009. Juli 2018|Allgemein|