Antrags­ver­fahren 2019: Was ist nun zu tun?

So, nun ist es also offiziell: Die Betreiber von Bestands­an­lagen müssen bis zum Samstag, dem 29.06.2019, ihre Anträge auf Zuteilung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen stellen. 

Bei dieser Frist handelt es sich um eine materielle Ausschluss­frist. Das bedeutet, dass der Anspruch auf Zuteilung am genannten Tag um Mitter­nacht untergeht. Er ist also nicht nur – wie etwa bei Eintritt der Verjährung – nicht mehr durch­setzbar. Er existiert ab diesem Tag schlicht nicht mehr.

Dieser Unter­schied ist alles andere als akade­misch. Denn anders als bei anderen Fristen kann man mit noch so guten Gründen die Antrags­frist verpasst haben. Es ist keine Wieder­ein­setzung in den vorigen Stand möglich. Die Recht­spre­chung hat auch erst vor kurzem festge­schrieben, dass nicht einmal Änderungen des frist­ge­recht einge­reichten Antrags möglich sind. 

Das bedeutet: Anlagen­be­treiber müssen jetzt sicher­stellen, dass alle betei­ligten Personen Ende Juni anwesend sind. Sie müssen klären, ob es bei der aktuellen Anlagen­kon­fi­gu­ration bleibt. Sie sollten sich mit den Zutei­lungs­regeln vertraut machen, wenn sie dies nicht schon getan haben. Es hat sich nämlich auch durch die Recht­spre­chung Einiges geändert, etwa durch die Trinseo-Entscheidung über Nullemis­si­ons­an­lagen. Sie müssen ihre Verträge prüfen, um die Zutei­lungs­ele­mente, in die ihr Antrag aufge­teilt wird, sicher vonein­ander abgrenzen zu können. Sie dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass es Anlagen geben kann, die zwar noch nicht existieren, aber für die wegen bereits erteilter oder bis zum Sommer noch zu ertei­lender Geneh­mi­gungen die Antrags­frist gilt. Sie müssen ihre technische Infra­struktur prüfen. Sie brauchen ihren Verifi­zierer, für dessen Verifi­zierung sich die Regeln geändert haben, und sie sollten schnell prüfen bzw. prüfen lassen, ob es noch offene Fragen gibt, die entweder selbst oder durch Rechtsrat geklärt werden können. Oder die an die Immis­si­ons­schutz­be­hörde oder die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle heran­ge­tragen werden müssen.

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2019-03-20T08:04:00+01:0018. März 2019|Emissionshandel|

Keine Frist­ver­kürzung beim Messstellenaustausch

Die Älteren unter uns erinnern sich: Bis 1998 galten für den Strom­ver­trieb Gebiets­fest­le­gungen. In Oberal­theim zum Beispiel durfte man damals nur bei den Stadt­werken Oberal­theim Strom und Gas beziehen. Die Libera­li­sierung hat dem ein Ende gemacht. Seither kann jeder Versorger bundesweit liefern. Das ist aber noch nicht alles. Auch das Messwesen wurde 2008 libera­li­siert. Man muss also Messein­rich­tungen nicht durch den grund­zu­stän­digen Messstel­len­be­treiber einbauen, betreiben und warten lassen. Sondern kann eine ander­weitige Verein­barung nach § 5 oder 6 Messstel­len­be­triebs­gesetz (MsBG) abschließen.

Das Meßwesen soll aber nicht nur liberaler, sondern auch intel­li­genter werden, also künftig die techni­schen Möglich­keiten der Digita­li­sierung nutzen. Deswegen enthält Kapitel vier des MsBG eine Reihe von ergän­zenden Rechten und Pflichten in Zusam­menhang mit dem Messstel­len­be­trieb mit modernen Messein­rich­tungen und intel­li­genten Messsys­temen. Hier ordnet nun der § 37 Abs. 2 MsBG an, dass spätestens drei Monate von der Ausstattung der Messstelle mit modernen Messein­rich­tungen die Betrof­fenen Anschluss­nutzer, ‑nehmer, Anlagen­be­treiber und Messstel­len­be­treiber zu infor­mieren sind. Sie sind dabei auf die Möglichkeit zur freien Wahl eines Messstel­len­be­treibers hinzuweisen.

Diese Drei-Monats-Frist hat Westnetz 2017 nach Ansicht des Landge­richts (LG) Dortmund missachtet. Westnetz hatte erst zwei Wochen vor dem geplanten Einbau infor­miert. Zwar enthielt das Schreiben einen Hinweis auf die Drei-Monats-Frist mit dem Vermerk, dass Betroffene dem vorge­zo­genen Termin wider­sprechen können. Nach Ansicht der Kammer reicht das aber nicht, um den Anfor­de­rungen des Gesetzes zu genügen. Westnetz stelle Wettbe­werber und Kunden damit vor vollendete Tatsachen und greife in die Wertung des Gesetz­gebers ein, der sich die Sache ja nun anders vorge­stellt hat. Eine Einwil­ligung in eine Frist­ver­kürzung müsse vor der Benennung eines Termins vorliegen und nicht im selben Schreiben erst erbeten werden.

Die Entscheidung ist noch nicht rechts­kräftig. Sie ist inhaltlich jedoch überzeugend. Die Entscheidung unter zeitlichen Druck wollte der Gesetz­geber gerade nicht. Es wäre mithin überra­schen, wenn das Oberlan­des­ge­richt die Sache anders sehen würde. Aber Überra­schungen erlebt man ja immer wieder (LG Dortmund, Az.: 25 O 282/18).

2019-03-15T14:13:41+01:0015. März 2019|Digitales, Gas, Strom|

Befangene Schieds­richter, umstrittene Gerichte

Wegen des Atomaus­tiegs hatte Vattenfall 2012 eine Klage vor einem inter­na­tio­nalen Schieds­ge­richt einge­reicht. Es geht um Schadens­ersatz in Milli­ar­denhöhe für Inves­ti­tionen, die nach der Laufzeit­ver­län­gerung in Atomkraft­werken wie Krümmel getätigt wurden. Bald könnte dazu eine Entscheidung fallen, nachdem vor ein paar Tagen das Schieds­ge­richt einen Befan­gen­heits­antrag Deutsch­lands gegen alle drei Schieds­richter abgelehnt hat.

Dass Energie­kon­zerne, die in Deutschland inves­tieren, überhaupt vor inter­na­tio­nalen Schieds­ge­richten klagen können, liegt an Art. 26 Abs. 3 Energie­charta-Vertrag. Dieser Vertrag, den außer Deutschland, Schweden und anderen EU-Mitglieds­staaten auch die Europäische Union unter­zeichnet hat, verpflichtet zu weitrei­chendem Inves­to­ren­schutz und ermög­licht die Klage vor einem nicht-staat­lichen, bei der Weltbank angesie­delten Gericht, einem Schieds­ge­richt des Inter­na­tional Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) in Washington.  Die Richter dieser Schieds­ge­richte werden nicht öffentlich ernannt, sondern fallbe­zogen von den Unter­nehmen und dem beklagten Staat selbst ausgewählt.

Indem sie das Eigentum und das Vertrauen des Investors schützen, können Entschei­dungen der Schieds­ge­richte in die Spiel­räume von Staaten eingreifen, Gesundheit und Umwelt zu schützen. Dies ist zweischneidig: Einer­seits ist es sinnvoll, Inves­toren vor willkür­licher Enteignung und Verletzung ihres Vertrauens in Gewinn­mög­lich­keiten zu schützen, anderer­seits müssen Staaten ihre Bürger weiterhin vor Umwelt­ein­wir­kungen schützen dürfen, ohne dass die Kosten dafür auf die Allge­meinheit abgewälzt werden. Immerhin besagt das inter­na­tional anerkannte umwelt­recht­liche Verur­sa­cher­prinzip, dass derjenige für Umwelt­be­ein­träch­ti­gungen aufkommen soll, der sie selbst verur­sacht hat.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Fall Achmea vor einem Jahr entschieden, dass Schieds­klauseln EU-Recht unver­einbar seien, die es Inves­toren aus EU-Mitglied­staaten ermög­lichen, Klage gegen einen anderen EU-Mitglied­staat zu erheben. Der EuGH will damit eine Art privater Paral­lel­justiz verhindern, die dazu führt, dass die Auslegung des EU-Rechts nicht mehr durch die natio­nalen und europäi­schen Gerichte kontrol­liert werden könne. Dies sei unver­einbar mit den Grund­prin­zipien der Autonomie des EU-Rechts und dem Grund­satzes des gegen­sei­tigen Vertrauens der Mitglied­staaten. Die Entscheidung erging zu einem bilate­ralen Inves­ti­ti­ons­schutz­ab­kommen zwischen der Slowa­ki­schen Republik und Spanien, lässt sie sich aber grund­sätzlich auch auf andere Abkommen übertragen. Insofern ist aktuell offen, ob die Entscheidung des Schieds­ge­richts tatsächlich wirksam werden kann.

 

2019-03-14T14:09:01+01:0014. März 2019|Allgemein, Energiepolitik, Industrie, Strom, Umwelt|