Ich erinnere mich gut an das Antragsverfahren für die dritte Handelsperiode des Emissionshandels. Die Betreiber aller rund 1.500 deutschen Anlagen, die am Emissionshandel teilnehmen, mussten bis zum 23.01.2012 ihre Zuteilungsanträge abgeben. Auf diesen beruhen die Bescheide für die Zuteilung von Emissionsberechtigungen für immerhin acht Jahre.
In den letzten Tagen liefen die Drähte heiß und die Nerven lagen teilweise blank. Die Anträge für die Zuteilung sind oft kompliziert, u. a. weil die Regelungen für jede Handelsperiode jeweils neu gefasst werden, so dass es an verlässlichen Erfahrungswerten hinsichtlich der oft auslegungsbedürftigen Normen fehlt. Die Fülle der Daten, auf die es ankommt, macht Anträge überdies fehleranfällig, und dass auch der fahrlässig fehlerhafte Antrag eine Ordnungswidrigkeit darstellt, lässt viele Anlagenbetreiber auch nicht gerade ruhiger schlafen.
In den allermeisten Fällen ging mit viel Schweiß und Adrenalin alles gut. In einigen Fällen aber wurde das Angstszenario wahr: Der Antrag war fehlerhaft. Damit stellte sich die Frage, ob versehentlich unrichtige oder unvollständige Zuteilungsanträge auch nach dem Stichtag geändert werden konnten. Immerhin lag der zuständigen Behörde, der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) ein Antrag vor, und für Behörden gilt in Deutschland an sich nach § 25 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) eine Hinweis- und Beratungspflicht bei Anträgen,
„wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind.“
Für eine solche Hinweispflicht sah die zuständige Behörde im emissionshandelsrechtlichen Antragsverfahren aber keinen Raum und verwies auf § 9 Abs. 2 Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG). Dieser ordnet an, dass die Antragsfristen im Emissionshandel sogenannte „materielle Ausschlussfristen“ darstellen. Der Anspruch auf Zuteilung löst sich mit Fristablauf also ersatzlos in Luft auf, wenn kein Antrag gestellt wird, woraus die Behörde schloss, dass damit auch Änderungen bereits gestellter Anträge ausgeschlossen sein müssten.
Dies fand auch das (für den Emissionshandel in Deutschland stets in erster Instanz zuständige) Verwaltungsgericht (VG) Berlin logisch. Doch war eine so weitgehende Rechtsfolge wirklich auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar? Das VG legte vor und wies darauf hin, dass das Gemeinschaftsrecht hierzu keine Regelungen enthält. Hieraus hatte das klagende Unternehmen hergeleitet, dass es dann eben auch keine Ausschlussfrist geben könne. Schließlich ist das Emissionshandelsrecht seit 2013 voll vergemeinschaftet.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sah dies mit Urteil vom 22.02.2018, Rs.: C‑572/16, aber anders. Für diesen Teil des Antragsverfahrens sei nach wie vor nationales Recht maßgeblich. Auch, dass § 9 Abs. 2 TEHG überhaupt eine Ausschlussfrist formuliert, sieht der EuGH nicht als bedenklich an, schließlich würde dieser Anträge ja nicht unmöglich machen oder unzumutbar erschweren. Weiter hatte das klagende Unternehmen sich darauf berufen, dass das Gemeinschaftsrecht an anderer Stelle von „konservativen Schätzungen“ spricht, also doch davon ausgeht, dass Bescheide auf anderen als den eingereichten Daten beruhen könnten. Das sieht der EuGH aber nicht als ein Grundlage für Änderungen des Antrags durch den Antragsteller an. Im Ergebnis gilt für den Anlagenbetreiber damit das alte Motto aus der Spielshow 1, 2 oder 3: Mit dem Plopp ist alles vorbei.
Damit steht zu befürchten, dass auch das Antragsverfahren für die nächste, vierte Handelsperiode für manchen Anlagenbetreiber mit einer bösen Überraschung endet, wenn er feststellen muss, dass ein simples Versehen ihn für viele Jahre viel Geld kosten wird.
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