Und täglich grüßt … das Fahrverbot
Die Auseinandersetzungen rund um die Frage, wie mit der Verfehlung der Luftqualitätsziele umzugehen ist, gehen weiter. Nachdem die Bundesumweltministerin in der vergangenen Woche von der Kommission aufgefordert worden war, Maßnahmen mitzuteilen, wie diese denn nun endlich eingehalten werden sollen, hat das Bundesumweltministerium (BMUB) nunmehr neue Ideen vorgebracht.
Hierbei handelt es sich nicht um offene, unverbindliche Überlegungen. Denn die Bundesrepublik befindet sich wegen der dauerhaften Überschreitung der verbindlichen Luft Qualitätsziele derzeit bereits in einem rechtswidrigen Zustand. Der Dialog mit der europäischen Kommission stellt damit kein allgemeines politisches Gespräch über Wunschvorstellungen dar, die gemeinsam erreicht werden sollen. Vielmehr handelt es sich um Stationen eines formalisierten Vertragsverletzungsverfahrens, an dessen Ende schmerzhaft hohe Strafzahlungen verhängt werden können. In einem solchen Verfahren werden erst Stellungnahmen zwischen Mitgliedstaat und Europäischer Kommission ausgetauscht. Reichen die Erklärungen, wie der Mitgliedstaat, der sich nicht an Gemeinschaftsrecht hält, der Kommission nicht, so ruft diese den europäischen Gerichtshof an. Die nunmehr an Brüssel übermittelte Stellungnahme stellt also die letzte Chance auf Vermeidung eines Klageverfahrens dar. Umso überzeugender sollten die deutschen Pläne nun ausfallen.
Die besondere Schwierigkeit an der Sache: Die Bundesregierung möchte Fahrverbote für insbesondere ältere Dieselfahrzeuge noch immer auf jeden Fall vermeiden. Dies haben die wohl auch künftigen Koalitionäre im Entwurf des Koalitionsvertrags nochmals bekräftigt. Man fürchtet offenbar die Wut des deutschen Autofahrers und die zu erwartende Prozesslawine gegen die Hersteller auf Schadensersatz. Entsprechend finden sich Fahrverbote in der angekündigten Maßnahmenliste, deren Inhalt das Magazin Politico veröffentlicht hat, erst als absolut letzte Ultima Ratio, und dann auch nur in ausgewiesenen Straßen. Bevor es dazu kommt, sollen andere Maßnahmen greifen. Die Verkehrswege für den Schwerlastverkehr sollen eingeschränkt werden. Es soll auch zusätzliche Anreize geben, Elektrofahrzeuge zu kaufen, ganz besonders für den gewerblichen Bereich. Solche Maßnahmen sind beliebt: Hiervon würden sicherlich auch die deutschen Automobilhersteller profitieren, auch wenn Elektromobilität bisher nicht zu ihren starken Seiten zählt. Am meisten diskutiert wird jedoch eine andere, vorgeschlagene Maßnahme: In zunächst nur einigen Städten (Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim) soll ausgesetzt werden, ob ein kostenloser ÖPNV so viele Autofahrer zum Umstieg motiviert, dass die verkehrsbedingten Emissionen deutlich sinken. Dies wäre sicherlich angesichts der derzeit vollen Kassen eine zu recht populäre Maßnahme. Doch fahren Bürger wirklich heute mit dem Auto, weil ihnen der ÖPNV zu teuer ist? In Berlin kostet eine Monatskarte derzeit 81 EUR. Dafür kann niemand ein Auto unterhalten. Abgesehen vom „Spaßfahrer“ (und wie spaßig ist der Großstadtverkehr heute noch?) spielen Verfügbarkeit, Komfort und Verlässlichkeit die wohl entscheidende Rolle bei der Frage, ob die täglichen Wege per Bahn oder per Auto erledigt werden. Tragisch wäre es, wäre der ÖPNV eines Tages zwar kostenlos, aber aus Kostengründen so ausgedünnt, dass der Verbraucher sich dann doch fluchend in seinen Schadstoffe emittierenden Wagen setzt.