Frankfurt oder Luxemburg: Zuläs­sig­keits­fragen rund um die BesAR

Es gibt Unter­nehmen, die so viel Strom brauchen, dass sie ohne einen Rabatt morgen die Tore zusperren könnten. Für diese besonders energie­in­ten­siven Prozesse hatte der deutsche Gesetz­geber schon vor Jahren deswegen eine Sonder­re­gelung in Hinblick auf die EEG-Umlage vorge­sehen, die besondere Ausgleichs­re­gelung (BesAR) nach den §§ 40, 41 des Erneu­er­baren-Energien-Gesetzes 2012 (EEG 2012). Sie zahlten (und zahlen, heute in den §§ 63ff. EEG 2017) also weniger als andere Letzt­ver­braucher, wenn das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr­kon­trolle (BAFA) nach Prüfung der Voraus­set­zungen einen entspre­chenden Begren­zungs­be­scheid erließ.

Diese Sonder­re­gelung im EEG stieß der Europäi­schen Kommission 2013 übel auf. Sie hielt sie für eine Beihilfe, und nationale Beihilfen sind gemein­schafts­rechtlich unzulässig, es sei denn, sie entsprechen europäi­schem Gemein­schafts­recht und werden von der Europäi­schen Kommission nach entspre­chender Prüfung genehmigt. Eine solche Prüfung und Geneh­migung hatte es im Falle der Privi­le­gierung bei der EEG-Umlage aber nie gegeben. Denn man nahm damals allgemein an, dass die Befreiung keine Umlage sein konnte, weil schließlich nicht der Staat den energie­in­ten­siven Unter­nehmen Vorteile zukommen ließ.

Die Kommission sah das anders. Sie erließ deswegen am 25.11.2014 den Beschluss 2015/1585, der diese Ausnah­me­re­gelung für eine – aller­dings zum größten Teil zulässige – Beihilfe erklärte. Die Bundes­re­publik (die zunächst erfolglos klagte, ein Rechts­mittel ist anhängig) musste deswegen die Regelung überar­beiten und die Begren­zungs­be­scheide teilweise zurück­nehmen. Die betrof­fenen Unter­nehmen mussten daraufhin erheb­liche Summen, wenn auch nicht so viel wie ursprünglich befürchtet, nachzahlen.

Abseits der Frage, wie die Recht­mä­ßigkeit der damaligen deutschen EEG-Härte­fall­re­gelung bzw. des Kommis­si­ons­be­schlusses 2015/1585 zu beurteilen ist, warf die damalige Situation eine prozessual heikle Frage auf: Wie sollten Unter­nehmen vorgehen, die sich gegen die unver­hoffte Änderung der Lage wehren wollten?

Zum einen waren Begren­zungs­be­scheide in der Welt, die ohne Anfechtung beim BAFA nach einem Monat in sog. Bestands­kraft erwachsen, also auch dann befolgt werden müssen, wenn sie sich nachträglich als rechts­widrig erweisen. Diese mussten also mit Wider­spruch angefochten werden.

Zum anderen existierte mit dem erwähnten Beschluss 2015/1585 der Kommission ein Rechtsakt, der seiner­seits angefochten werden konnte, nämlich mit einer sogenannten Nichtig­keits­klage am Europäi­schen Gericht. Nichtig­keits­klagen von nicht privi­le­gierten Klägern, wie hier einem Unter­nehmen, setzen aller­dings nach Art. 263 Abs. 4 AEUV einen Rechtsakt voraus, der dies unmit­telbar und ohne Duchfüh­rungs­maß­nahme betrifft. Eines Durch­füh­rungs­aktes – nämlich der Teilrück­nahme durch das BAFA – bedurfte es hier durchaus. Aller­dings existiert eine gefes­tigte Recht­spre­chung des Europäi­schen Gerichtshofs (EuGH), nach der die Nichtig­keits­klage in Fällen, in denen der Durch­füh­rungs­rechtsakt nur noch eine Formsache ist, bereits zulässig ist.

Europäi­sches Gericht (EuG) oder Verwal­tungs­ge­richt (VG) Frankfurt aM? Die Georgs­ma­ri­en­hütte GmBH u. a. entschieden sich für eine Klage vorm VG und ging nicht zum EuG. Das VG Frankfurt aM legte die Frage nach der Wirksamkeit des Kommis­si­ons­be­schlusses 2015/1585 dem EuGH vor. In diesem Verfahren hat nun am 27.02.2018 der General­anwalt seinen Schluss­antrag gehalten. Er hält die Klage für unzulässig. Die Unter­nehmen hätten – so der General­anwalt – direkt Nichtig­keits­klage einlegen müssen. Dabei beruft er sich auf eine Recht­spre­chung „Textil­werke Deggendorf“, nach der derjenige, der keine Nichtig­keits­klage gegen einen Rechtsakt der EU eingelegt hat, sich nicht später vor den natio­nalen Gerichten auf die Gemein­schafts­rechts­wid­rigkeit berufen und die Vorlage beim EuGH verlangen kann.

Nun ist noch offen, ob der EuGH hier – wie meistens – dem General­anwalt folgt. Doch viele Praktiker werden (spätestens) aus diesem Schluss­plä­doyer die Schluss­fol­gerung ableiten, dass in der Ausein­an­der­setzung um EU-Rechtsakte im Zweifel immer auch die Nichtig­keits­klage auf die Gefahr der Unzuläs­sigkeit mangels Klage­be­fugnis eingelegt werden sollte. Zur Vermeidung des Eintritts der Bestands­kraft muss parallel aber auch das Wider­spruchs­ver­fahren in Deutschland betrieben werden. Ein zeitlich gestuftes und damit aufwands­spa­rendes Vorgehen verbietet sich wegen der sowohl in Hinblick auf das Wider­spruchs­ver­fahren, als auch für die Nichtig­keits­klage geltenden Fristen von einem bzw. zwei Monaten ab Erlass des jeweils anzufech­tenden Rechtsakts.