BGH: Honorar auf Basis von Vergü­tungs­ver­ein­ba­rungen nicht im Prozess erstattungsfähig

Wir sind ja alle Vollju­risten, aber tatsächlich ist der Trend zur Spezia­li­sierung angesichts immer ausdif­fe­ren­zier­terer Regel­werke längst abgeschlossen. Fakt ist: Ich habe noch nie eine Scheidung begleitet und auch noch nie eine Straf­ver­tei­digung übernommen und müsste 16 Jahre nach dem zweiten Staats­examen erst einmal nachschauen, wie so etwas überhaupt genau funktio­niert. Entspre­chend schlagen sich Kollegen, die nie etwas mit Klima, Umwelt oder Energie zu tun haben, in meinen alltäg­lichen Rechts­ge­bieten auch oft eher mäßig. Die Gesetze sind einfach zu komplex.

Wegen der aus diesem Spezia­li­sie­rungs­er­for­dernis resul­tie­renden fakti­schen Verknappung geeig­neter Berater, haben Mandanten es in vielen Rechts­ge­bieten nicht leicht, einen geeig­neten und erfah­renen Anwalt zu finden.  Ein Grund, warum die gesetz­lichen Gebühren nach dem Rechts­an­walts­ver­gü­tungs­gesetz (RVG) in der Praxis in manchen Rechts­ge­bieten inzwi­schen nahezu bedeu­tungslos sind, liegt in dieser Knappheit des Angebots an spezia­li­sierter Rechts­be­ratung. Ein weiterer, praktisch noch weitaus wichti­gerer Grund liegt in vielen Rechts­ge­bieten in der unzurei­chenden Ausge­staltung der gesetz­lichen Gebüh­ren­tat­be­stände.  Auch ein Anwalt ohne aufge­blähten Verwal­tungs­ap­parat kann zu den gesetz­lichen Gebühren manche Rechts­strei­tig­keiten kaum mehr wirtschaftlich abbilden. Faktisch bedeutet das: In vielen Rechts­ge­bieten, auch in meinem, wird in aller Regel eine Vergü­tungs­ver­ein­barung geschlossen.

Die Recht­spre­chung hat anerkannt, dass es sich bei diesen Kosten unter bestimmen Bedin­gungen um einen ersatz­fä­higen Schaden handeln kann (zB BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14). Vor Gericht ist dieser jedoch nicht über die Kosten­fest­setzung liqui­da­ti­ons­fähig. Denn Paragraph 91 Abs. 2, Satz 1, 1. Halbsatz der Zivil­pro­zess­ordnung (ZPO) bestimmt:

Die gesetz­lichen Gebühren und Auslagen des Rechts­an­walts der obsie­genden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten,“

Im Ergebnis bedeutet das: Oft bleibt der Mandant auch dann, wenn er gewinnt, auf manchmal nicht unerheb­lichen Kosten des Prozesses sitzen.

In den letzten Jahren wurde teilweise disku­tiert, ob der Hinweis in Paragraph 3a RVG auf den Umstand, dass „regel­mäßig“ nur die gesetz­lichen Gebühren erstat­tungs­fähig sind, eine Ausnah­me­mög­lichkeit dahin­gehend eröffnet, dass es manchmal eben doch anders ist. Zum Beispiel dann, wenn zu den gesetz­lichen Gebühren eine zweck­ent­spre­chende Rechts­ver­folgung faktisch gar nicht möglich ist. Doch der Bundes­ge­richtshof (BGH) hat diesen Speku­la­tionen nun ein Ende bereitet. Das höchste deutsche Zivil­ge­richt hat am 24.1.2018 beschlossen, dass der Gesetz­geber mit der Regelung in Paragraph 3a RVG keineswegs die Tür für die Erstat­tungs­fä­higkeit von Honoraren auf Basis von Vergü­tungs­ver­ein­ba­rungen öffnen wollte. Gerade in Spezi­al­ma­terien bedeutet das: Auch in Zukunft wird der Prozess auch dann oft Kosten­nach­teile mit sich bringen, wenn er gewonnen wird. Dies wirft die Frage auf, ob nicht endlich das RVG den Reali­täten einer immer aus diffe­ren­zier­teren Rechts­ordnung und Beratung angepasst werden sollte. Dies hat auch eine nicht zu vernach­läs­si­gende soziale Kompo­nente. Denn natur­gemäß fällt es einem Unter­nehmen deutlich leichter als einem Verbraucher, seine begründete Rechts­po­sition auch dann durch­zu­fechten, wenn es von Anfang an weiß, dass es die Prozess­kosten nicht ganz wieder bekommt.

2018-03-29T18:23:48+02:0029. März 2018|Allgemein|

Herzlich willkommen!

Herzlich willkommen. Sie studieren Jura in Bielefeld und sind inzwi­schen im 6. oder 7. Semester. Sie inter­es­sieren sich für meine Veran­staltung „Einführung in das Energie­recht“.

Ich gebe diese Veran­staltung zum zweiten Mal. Im letzten Semester habe ich Ihren Vorgängern umfang­reiche Materialien vorbe­reitet und sehr, sehr viele Normen genannt. Das mache ich dieses Mal anders. Denn auch im Winter­se­mester habe ich am Ende nur einen Bruchteil der vielen hundert Regelungen behandelt, aus denen sich das Energie­recht zusam­men­setzt. Ich habe nämlich schnell bemerkt, dass Sie schon viel über Normen wissen, aber kaum etwas über den Regelungsgegenstand.

Ich werde also auch in diesem Semester in jeder Doppel­stunde erst über Energie sprechen. Wie sie erzeugt wird. Wie man sie trans­por­tiert. Wer sie wie und wann verbraucht. Wer handelt mit diesem Gut? Wer sind die Behörden? Wo kommen die Akteure her? In der zweiten Stunde erst werde ich dann den regula­to­ri­schen Rahmen vorstellen.

Sie werden bemerken, dass die Veran­staltung jetzt nur noch zwei und nicht mehr vier Stunden dauert. Das liegt daran, dass ich mit Ihnen zwei Exkur­sionen plane. Ich möchte, dass Sie einmal sehen, wie Energie erzeugt und verteilt wird. Ich hoffe, Sie finden das so spannend wie ich.

Die Energie­wirt­schaft galt in den letzten Jahrzehnten als ein bisschen old fashioned. Als Teil einer Welt, in der schmutzige Menschen Kohle schaufeln. Erst als vor einigen Monaten durch die Presse ging, dass das Schürfen von Bitcoins mehr Strom frisst als die Herstellung von Papier oder die Behandlung von Metallen wurde vielen klar, dass auch die neue Welt viel, viel Strom frisst. Server laufen schließlich nicht von selbst. Die Heraus­for­de­rungen des Klima­wandels und der abseh­baren Ressour­cen­knappheit sind ein weiterer Treiber der Energie­wende, die zu immer neuen Überar­bei­tungen des Energie­rechts führen. Ich übertreibe nicht, wenn ich Ihnen versi­chere: Es gibt derzeit nichts Spannen­deres als bei diesem Trans­for­ma­ti­ons­prozess dabeizusein.

Ansonsten erzähle ich viel aus 12 Jahren Praxis. Ich habe in nahezu jedem Bundesland Projekte betreut und/oder prozes­siert. Ich habe mir schon in Tagebauten die Schuhe verdorben und mich im Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt erkältet. Ich weiß, wie es in Müllheiz­kraft­werken riecht und kann Dutzende Gerichts­kan­tinen an ihrer Bratwurst  unter­scheiden. Ich hoffe, ich kann Ihnen etwas von den Freuden und Mühen der Praxis vermitteln und ich freue mich auf Sie. Bis zum 25. April!

Und wenn Sie Fragen haben: Mailen Sie mir gern: vollmer@recht-energisch.de

2018-03-28T08:25:55+02:0028. März 2018|Allgemein, Grundkurs Energie|

All you can eat aus der Steckdose?

Als Studenten fanden wir das toll: Sonntag­morgens in ein beliebtes Café an der Ecke. Den Tisch direkt an der Theke. Während noch das Brunch­buffet aufgebaut wurde, den ersten Teller füllen. Wir aßen von neun bis vier, mit langen Pausen natürlich, und selbst sehr zierliche Freun­dinnen schafften teilweise mehr als drei Teller mit einer wüsten Mischung aus Eiern, Salaten, Brot mit Wurst und ziemlich billigen Nudel­auf­läufen. Das Flatrate­früh­stück verführte uns also zu hemmungs­loser Völlerei.

Ähnliche Bedenken gelten in Bezug auf Strom­f­la­te­ra­te­tarife: Wer unbegrenzt für einen Pauschal­preis Strom ziehen kann, wird vielleicht die Klima­anlage bei offenem Fenster hemmungslos laufen lassen, hätte keinerlei Anreiz, moderne Elektro­geräte anzuschaffen und würde seine Wasch­ma­schine künftig auch für zwei Paar Socken anschalten. Unwahr­scheinlich ist das nicht. Angesichts der vielfäl­tigen negativen Umwelt­aus­wir­kungen der Strom­erzeugung ist es auch in jedem Fall ökolo­gisch nicht wünschenswert. Aber ist es auch illegal?

§ 40 Abs. 5 Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG) missbilligt solche Tarife jeden­falls. Hier ist nämlich angeordnet, dass, soweit technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar, für Letzt­ver­braucher von Elektri­zität ein Tarif anzubieten ist, der einen Anreiz zu Energie­ein­sparung oder Steuerung des Energie­ver­brauchs setzt. Das ist natürlich nicht der Fall, wenn unbegrenzt bezogen wird. Aber wenn ein Unter­nehmen neben der Flatrate einen solchen Tarif anbietet, formu­liert § 40 Abs. 5 EnWG jeden­falls kein absolutes Verbot. Und selbst wenn dem nicht so sein sollte, besteht die Möglichkeit, durch Prämi­en­mo­delle Einspar­an­reize zu setzen.

Doch leidet bei solchen Tarifen nicht zwangs­läufig die Trans­parenz? Ein Kunde muss doch wissen, was er für Energie am Ende bezahlt. Ansonsten kann es sein, dass er im Glauben, ein gutes Geschäft zu machen, über den Tisch gezogen wird. Dieses Gebot, die echten Kosten trans­parent auszu­weisen, ist u. a. für Strom und Gas in § 3 der Preis­an­ga­ben­ver­ordnung (PAngV) verankert, dessen Satz 1 lautet:

Wer Verbrau­chern gewerbs- oder geschäfts­mäßig oder wer ihnen regel­mäßig in sonstiger Weise Elektri­zität, Gas, Fernwärme oder Wasser leitungs­ge­bunden anbietet oder als Anbieter dieser Waren gegenüber Verbrau­chern unter Angabe von Preisen wirbt, hat den verbrauchs­ab­hän­gigen Preis je Mengen­einheit einschließlich der Umsatz­steuer und aller spezi­fi­schen Verbrauchs­steuern (Arbeits- oder Mengen­preis) gemäß Satz 2 im Angebot oder in der Werbung anzugeben.“

Wie soll das aussehen, wenn nicht nach kWh, sondern nur pro Zeitraum abgerechnet wird? Ein Modell, das ungefähr so funktio­niert wie das All you can eat Brunch­buffet wird dem jeden­falls nicht voll gerecht. Wer ins Blaue einen Strom­tarif für 80 EUR/Monat abschließen würde, wüsste nie, was die kWh kostet.

Doch das bedeutet nicht das Ende der Flatrate für Strom. Auch abseits beson­derer Prosumer­mo­delle (hierzu mehr demnächst) sind durchaus sehr unter­schied­liche Flatrate­mo­delle denkbar, die Preise pro Mengen­einheit ausweisen können, wie es die existie­renden Modelle auch durchweg tun. Zwar existiert bisher noch keine veröf­fent­lichte Recht­spre­chung zur Verein­barkeit von Energie­flat­rates mit der Preis­an­ga­ben­ver­ordnung. Es spricht aber Einiges dafür, dass der Zweck der Regelung, dem Verbraucher einen trans­pa­renten Preis­ver­gleich zu ermög­lichen, auch dann gewähr­leistet werden kann, wenn als verbrauchs­ab­hän­giger Preis zB ein echter Durch­schnitts­preis ausge­wiesen wird, der innerhalb einer vorde­fi­nierten und realis­ti­schen Spanne liegt. Auch ein fester Preis kombi­niert mit einem mengen­be­dingten Nachfor­de­rungs­ver­zicht ist grund­sätzlich nicht undenkbar. Ob ein solches Modell dann wirklich eine Flatrate darstellt, oder nicht doch einen fast „normalen“ Tarif ohne Grund­preis, aber dafür mit einer gewissen Verbrauchs­to­leranz, ist Defini­ti­ons­sache. Schließlich existiert für „Flatrate“ keine verbind­liche Definition.

Doch ob der Verbraucher mit solchen Flatrates wirklich ein so gutes Geschäft macht wie wir als Studenten beim Brunch­buffet? Viel spricht dafür, dass die Unsicher­heiten eines solchen Modells am Ende vom Verbraucher bezahlt werden. Schließlich hat der Versorger angesichts der ohnehin heute niedrigen Margen nichts zu verschenken. Der Markt scheint dies ähnlich zu sehen, denn die wenigen existie­renden Modelle sind nach Angaben der Anbieter mäßig nachge­fragt. Aber vielleicht ist das auch noch nicht aller Tage Abend.

2018-03-27T08:50:24+02:0026. März 2018|Gas, Strom, Wettbewerbsrecht|