Ist parla­men­ta­rische Energie­po­litik machbar…?

Bekanntlich sollen die wesent­lichen politische Entschei­dungen in einer reprä­sen­ta­tiven Demokratie vom Parlament getroffen werden. Aller­dings gibt es Bereiche der Politik, da scheint es anders zu sein. Das gilt insbe­sondere für die grund­le­genden Ziele der Energie­po­litik:  Bereits der Atomaus­stieg der ersten rot-grünen Bundes­re­gierung beruhte auf einer Verein­barung zwischen der Bundes­re­gierung und den Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen. Er gilt für Verfas­sungs­experten als ein Beispiel „paktierter Gesetz­gebung“. Mit anderen Worten geht es im Kern um einen Kompromiss zwischen Staat und betrof­fenen Unter­nehmen, den das Parlament nur noch ablehnen oder ihm zustimmen kann, der aber nicht mehr aufge­schnürt werden soll. Denn die Bereit­schaft der Industrie zu koope­rieren setzt Zugeständ­nisse von Seiten des Staates voraus. Das ist einer­seits verständlich, anderer­seits wirft es ein Licht auf die Macht­ver­teilung zwischen Staat und Gesell­schaft, die für den Staat nicht sehr schmei­chelhaft ist: Der Souverän hat abgedankt und klopft als Bittsteller an die Tür der Großunternehmen.

Der zweite Ausstieg dann unter Merkel hat die Position des Bundestags auch nicht gerade gestärkt, denn Atomgesetz und zwischen­zeitlich beschlossene Laufzeit­ver­län­gerung wurden ad hoc im Moratorium ausge­setzt. Politisch war das vor dem Hinter­grund der Katastrophe in Fukushima verständlich, rechtlich aber nicht besonders stich­haltig. In beiden Fällen wurde noch ein letztes (und ein aller­letztes) Mal eine alte These vom „Atom-Staat“ von Robert Jungk bestätigt, nach der sich eine riskante Großtech­no­logie wie die Atomkraft kaum beherr­schen lässt, jeden­falls nicht mit den herkömm­lichen Mitteln der Demokratie.

Beim Ausstieg aus der Kohle stellen sich ähnliche Probleme. Am Anfang stand eine Kommission und am – vorläu­figen – Ende ein Kompromiss. Und wie es bei Kompro­missen so der Fall ist, sind alle Seiten am Ende nicht vollkommen glücklich. Vielen Umwelt­ver­bänden und Teilen der Opposition geht der Ausstieg bekanntlich nicht schnell genug. Aber auch die Reihen der Regie­rungs­frak­tionen im Bundestag sind keineswegs geschlossen. Das reicht von Gegnern des Kohle­aus­stiegs in der CDU, die die Legiti­mation der Kohle­kom­mission anzweifeln bis hin zur Kritik an der mangelnden Zweck­bindung der 700 Millionen Euro, die an die betrof­fenen Länder vergeben werden sollen seitens der SPD.

Formal ist der Anfang des Monats der Regierung übergebene Abschluss­be­richt der Kommission für Wachstum, Struk­tur­wandel und Beschäf­tigung ohnehin nur eine Empfehlung. Gerade deshalb ist es nachvoll­ziehbar, wenn die Regierung die erzielten Ergeb­nisse durch eine baldige Umsetzung in einem Maßnah­men­gesetz sichern will, bevor sie gänzlich zerredet werden. Um das Parlament nicht von seinem Verfas­sungs­auftrag zu entbinden, sollten Änderungen, welche die zentralen Punkte des Kompro­misses nicht in Frage stellen, dennoch möglich sein.

2019-02-20T11:12:25+01:0020. Februar 2019|Allgemein, Energiepolitik, Industrie, Umwelt|

Erneut: Kaum Erleich­te­rungen für Kleinemittenten

Wussten Sie, dass eine größere Heizungs­anlage emissi­ons­han­dels­pflichtig sein kann? Tatsächlich gibt es einige Anlagen, bei denen niemand auf Anhieb an den Emissi­ons­handel denken würde. Illus­triert wird dieses Instrument nämlich stets mit den rauchenden Schloten großer Kohle­kraft­werke. Die Mehrheit der Anlagen, die am Emissi­ons­handel teilnehmen, ist aber recht klein. Der Schwel­lenwert liegt bei mageren 20 MW Feuerungs­wär­me­leistung (FWL).

Bei Anlagen dieser Größe entfaltet der Emissi­ons­handel nicht sein volles Potenzial. In vielen Fällen handelt es sich um Reser­ve­an­lagen, die sehr wenig genutzt werden, wie etwa Heizkessel als Redundanz für die Fernwär­me­ver­sorgung. Oder um kleinere Anlagen zur Versorgung von Gewer­be­be­trieben, die ersichtlich kaum Minde­rungs­po­tenzial aufweisen, weil ihre Fahrweise von der Nachfrage nach dem Produkt des Gewer­be­be­triebs abhängt. Und die meist mit Erdgas betrieben werden, also bereits den emissi­ons­ärmsten fossilen Brenn­stoffe nutzen. Es liegt deswegen an sich nahe, diese Anlagen aus dem Emissi­ons­handel auszu­schließen und statt­dessen auf anderem Wege zu mehr Klima­schutz zu motivieren. Immer wieder disku­tiert wird in diesem Zusam­menhang eine Steuer auf Kohlen­dioxid, doch wie das Wirtschafts­mi­nis­terium erst letzte Woche verlaut­baren ließ, steht dies in dieser Legis­la­tur­pe­riode nicht auf der Agenda.

Doch auch das Emissi­ons­han­dels­recht sieht die Beson­der­heiten dieser Anlagen. Bedau­er­li­cher­weise hat sich der europäische Gesetz­geber nicht dazu durch­ringen können, von vornherein für diese Anlagen unbüro­kra­tische Sonder­regeln vorzu­sehen. Statt­dessen hat er Regelungen erlassen, die nun in Abschnitt 9 der derzeit im Entwurf vorlie­genden Emissi­ons­han­dels­ver­ordnung (EHV‑E) an die Anlagen­be­treiber durch­ge­reicht werden.

Danach dürfen von der Kleine­mit­ten­ten­re­gelung Anlagen Gebrauch machen, die nach § 16 Abs. 1 Nummer 1 EHV‑E weniger als 35 MW FWL aufweisen und 2016 bis 2018 jährlich im Schnitt weniger als 10.000 t CO2 imitiert haben. 

Die mangelnde Attrak­ti­vität der Regelung liegt dabei nicht daran, dass nach § 18 Abs. 1 EHV‑E ein Ausgleichs­betrag zu leisten sei. Alter­nativ sieht der Verord­nungs­entwurf eine Selbst­ver­pflichtung für Emissi­ons­min­de­rungen vor, aber schon nicht für Strom­erzeuger oder Anlagen, die Wärme oder Restgase mit anderen Anlagen austau­schen, also den aller­größten Teil der Anlagen, die die Regelung überhaupt betreffen könnte. Kleine BHKW oder Anlagen, die ETS-Anlagen mit Prozess­wärme versorgen, sind danach ohnehin raus. 

Abschre­ckend leider: Der Verwal­tungs­aufwand sinkt nicht wesentlich. In § 23 EHV‑E formu­liert der Verord­nungs­geber, dass nur Anlagen mit weniger als 5.000 t CO2 pro Jahr im Bezugs­zeitraum auch nur ein einzelnes Jahr von der Verifi­zierung des Emissi­ons­be­richts befreit sind. Gut, die Mitteilung zum Betrieb entfällt. Aber über die Emissionen berichtet werden muss für Anlagen mit 5.000–25.000 t CO2 pro Jahr ganz normal. Und die Befreiung von der Pflicht, den Überwa­chungsplan regel­mäßig anzupassen, gilt für alle wirklich inter­es­santen Fälle sowieso nicht, § 23 Abs. 1. Kein Wunder also, dass wir bisher von niemandem gehört haben, dass er einen solchen Antrag stellen will.

Hier ist also eine Chance verpasst worden, überflüssige Bürokratie abzubauen. Es steht zu hoffen, dass der europäische Normgeber in Zukunft etwas mutiger ist. 

2019-02-18T22:39:16+01:0018. Februar 2019|Emissionshandel|

Wie groß ist meine Anlage: Votum der Clearing­stelle zur Sukzessivanlage

Wie groß ist die Anlage, das fragen sich überall dort Anlagen- wie Netzbe­treiber, wo an der Größe der Anlage unter­schied­liche Rechts­folgen hängen. Im Erneu­erbare-Energien-Gesetz 2017 (EEG) hat die Clearing­stelle EEG für eine umstrittene Konstel­lation nun mit Datum vom 16. November 2018 ein für die Praxis ebenso inter­es­santes wie erfreu­liches Votum abgegeben.

Worum ging es? Für Anlagen, deren instal­lierte Leistung 750 kWp nicht überschreitet, sehen §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20, 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EEG eine Markt­prämie vor. Anders als die ganz kleinen Anlagen bekommen die Anlagen­be­treiber solcher Anlagen auf den Erlös der Direkt­ver­marktung also noch einen Zuschlag, der die Diskrepanz zwischen dem Markt­preis für Strom und den Kosten plus Marge der erneu­er­baren Energie­er­zeugung abdeckt. Für größere Anlagen gilt das aber nicht. Diese Anlagen müssen an einer Ausschreibung teilnehmen, bei der derjenige den Zuschlag bekommt, der mit dem geringsten Aufschlag auf den Markt­preis für Strom aufwarten kann.

Soweit, so klar. In dem von der Clearing­stelle verhan­delten Fall ging es nun aber um eine Photo­vol­ta­ik­anlage, die mit 1,6 MW deutlich über der Schwelle von 750 kWp lag. Sie war auch von Anfang an so geplant worden. Aber zunächst hatte der Betreiber nur einen Teil errichtet und in Betrieb genommen, der die magische Grenze von 750 kWp unter­schritt. Als er nun die weiteren Teile oberhalb des Schwel­len­werts instal­liert hatte, stellte sich der Netzbe­treiber auf den Stand­punkt, dass nun für die gesamte Anlage die Ausschrei­bungs­pflicht gelte und deswegen keine Förderung für den ursprünglich errich­teten ersten Anlagenteil zu zahlen sei. Für den Betreiber wäre das katastrophal gewesen, denn natürlich hatte er für den ersten Teil an keiner Ausschreibung teilgenommen. 

Dem ist die Clearing­stelle entge­gen­ge­treten. Sie stellte klar, dass sich aus § 24 Abs. 1 S. 1 EEG ergibt, dass die Anlagen­zu­sam­men­fassung immer nur für den jeweils zuletzt in Betrieb gesetzten Generator gelte. Das bedeutet: für die ersten 749 kWp bleibt es auch dann beim Anspruch auf eine Markt­prämie, wenn später (auch innerhalb eines Jahres!) zugebaut wird. Nur für den überschie­ßenden Teil gilt die Ausschreibungspflicht. 

Die sehr ausführ­liche Auslegung der Clearing­stelle, die sowohl den Wortlaut, als auch die Historie und den Sinn und Zweck der Zusam­men­fas­sungs­re­gelung überzeugend ausge­lotet, ist bekanntlich nicht letzt­ver­bindlich. Gleichwohl, auch wenn schon Fälle bekannt sind, in denen die Recht­spre­chung am Ende zu anderen Ergebnis gelangt ist als die Clearing­stelle, besteht damit nun doch ein Stück weit mehr Sicherheit. Dabei weist die Clearing­stelle zu Recht darauf hin, dass Betreiber eine zeitliche Zäsur zwischen den unter­schied­lichen Bauab­schnitten nachweisen müssen. Sie empfiehlt deswegen, verschiedene Inbetrieb­nah­me­pro­to­kolle anzufer­tigen, die eindeutige Zuord­nungen erlauben, welches Modul an welchem Tag in Betrieb genommen worden ist.

 

2019-02-18T09:30:36+01:0018. Februar 2019|Allgemein, Erneuerbare Energien, Strom|