Sparen, wo es am günstigsten ist…
Die Politik scheint in den letzten Jahren aus den Fugen geraten zu sein. Immerhin gibt es noch ein paar klare Positionen und Reaktionsmuster, die vorhersehbar sind: Wann immer Vorschläge gemacht werden, umweltschädigende Praktiken zu verbieten, wie beispielsweise Ende Januar von der Kohlekommission, tritt Christian Lindner auf den Plan und geißelt den „planwirtschaftlichen Irrweg“ und ruft dazu auf, wir müssten „dem CO2 einen Preis geben und es dort einsparen, wo es günstig ist“.
Nun ist der Gedanke tatsächlich bestechend, Marktmechanismen zu nutzen, um die knappen Ressourcen für den Umweltschutz möglichst effizient einzusetzen. Es ist ja wirklich so, dass es „niedrig hängende Früchte“ gibt, d.h. Schädigungen, die mit wenig Aufwand verhindert werden können. Und dass manche Umweltbeeinträchtigungen Nebeneffekt profitabler Wirtschaftstätigkeit sind und manche noch nicht mal durch entsprechende Gewinne gerechtfertigt werden, liegt auch auf der Hand. Wo sollten die entsprechenden, bei privaten Wirtschaftsteilnehmern dezentral vorhandenen Informationen besser zusammenfließen als am Markt?
Auf diesem Gedanken basierend sind seit den 1980er Jahren viele ökonomische Instrumente entwickelt worden, die weniger stark in die Entscheidungsfreiheit der privaten Wirtschaft eingreifen sollen als das sogenannte Ordnungsrecht, also als Verbote, Gebote, Genehmigungsvorbehalte, Auflagen und Ähnliches. Die Werkzeugkiste der Ökonomen ist ebenfalls gut bestückt und reicht von Steuern und Abgaben über Subventionen bis hin zu handelbaren Zertifikaten. Das in Europa und Deutschland wohl prominenteste Beispiel ist das Emissionshandelssystem zur Bekämpfung des Klimawandels.
Bei aller Bewunderung für die Leistungsfähigkeit des freien Spiels der Kräfte auf dem Markt hat es jedoch auch Grenzen: Selbst der wirtschaftsliberale Economist erkennt im Leitartikel dieser Woche über „Climate Change and Big Oil“ an, dass die Erderwärmung so ganz ohne staatliche Eingriffe nicht verhindert werden kann. Und das ökonomische Modell des Zertifikathandels hat zwei entscheidende Nachteile, wenn es nicht mit ordnungsrechtlichen Instrumenten kombiniert wird:
Erstens vernachlässigt es die Struktur und Dynamik wirtschaftlicher Entwicklung, wenn nur dort gespart würde, wo die Widerstände am geringsten sind. Es kann nämlich nachteilig sein, Regionen zu deindustrialisieren, die bisher nicht effizient genug produziert haben. Dies jedenfalls dann, wenn sie dadurch jedes weitere Entwicklungspotential verlieren würden. Zudem sollten die Impulse nicht unterschätzt werden, die weltweit davon ausgehen, wenn die entwickeltsten Regionen sich für wegweisende Technologien entscheiden.
Zweitens, und davon können alle ein Lied singen, die sich mal mit dem Zuteilungsverfahren im EU Emissionshandelssystem beschäftigt haben, bringen handelbare Zertifikate enorme Transaktionskosten, auf gut deutsch: „jede Menge Bürokratie“, mit sich. In manchem Fällen ist ein klares Verbot da eben doch die direktere und ehrlichere Lösung.