Durchbruch gegen Fahrverbote?
Die Presse jubelt: Die europäische Kommission hätte die geplante Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) abgesegnet, nach der künftig Fahrverbote bei einer Grenzwertüberschreitung von maximal 10 µg/m3 Luft bei Stickstoffdioxid als unverhältnismäßig (und damit unzulässig) gelten sollten. Über 20 Städten bliebe das leidige Dieselfahrverbot so erspart.
Aber stimmt das wirklich? Schauen wir etwas genauer hin:
Klar ist: Der Grenzwert von 40 µg/m3 wird nicht verändert. Die Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität bleibt, wie sie ist. Schließlich kann die Bundesrepublik dieses europäische Regelwerk ja auch mangels Zuständigkeit gar nicht ändern. Das könnten nur die europäischen Organe. Damit muss die Bundesrepublik es ohne Wenn und Aber nach wie vor irgendwie bewerkstelligen, dass auch in Ballungsräumen die Atemluft den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entspricht.
Bei der Auswahl der Instrumente ist die Bundesrepublik – wie es für Richtlinien charakteristisch ist – verhältnismäßig frei. Es zählt die Zielerreichung. Exakt das hat die Kommission nun noch einmal unterstrichen. Ob ein Bundesland es nun durch Verbesserungen im ÖPNV einer Stadt, durch einen Anschluss-und Benutzungszwang seiner Gemeinden für eine emissionsarme und innenstadtferne Fernwärmeerzeugung, durch verbesserte und verkehrsvermindernd Radwege oder eben durch ein Fahrverbot schafft, ihren Bürgern die Luftqualität zu garantieren, die ihnen zusteht, kann es sich in gewissen Grenzen aussuchen. Diese „gewisse Grenzen“ resultieren insbesondere aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Dieses gilt für alle Akte staatlicher Gewalt, auch für einen Luftreinhalteplan. Es besagt, dass staatliche Maßnahmen nur dann zulässig sind, wenn sie erstens geeignet sind, dass angestrebte Ziel zu fördern. Sie müssen zweitens aber auch das mildeste Mittel darstellen, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Und selbst, wenn das der Fall ist, müssen sie auch ein angemessenes Verhältnis von Mittel und Zweck verkörpern.
Es liegt auf der Hand, dass ein Fahrverbot eine relativ harte und belastende Maßnahme darstellt, viel belastender als mehr Busse oder einen kostenlosen P+R‑Verkehr. Damit ist ein Fahrverbot ohnehin immer nur dann zulässig, wenn denn gar kein weniger belastendes Instrument wirkt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 27. Februar 2018 (BVerwG 7C 26.16) ausdrücklich festgestellt. Hiernach ist ein Fahrverbot nur zulässig wenn es die „einzig geeignete“ Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte darstellt (so schon der Leitsatz 1).
Offenbar stellen nun aber zumindest Teile der Presse sich vor, dass in Zukunft auch dann, wenn der Luftzustand die verdammten 40 µg/m3 einfach nicht unterschreiten will, egal, was die Stadt alles anstellt, trotzdem kein Fahrverbot verhängt wird. Sondern die Grenzwertüberschreitung einfach hinzunehmen ist. Stimmt das aber wirklich? Wir meinen: Nein. Am Grenzwert ändert sich doch nichts. Damit könnten betroffene Bürger, aber auch Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe weiter vor Gericht auf seine Einhaltung pochen, egal wie. Denn eine Duldungspflicht gibt es nicht. Oder die europäische Kommission kann ein Vertragsverletzungsverfahren betreiben, in dem hohe Strafen fällig werden können.
Was bringt also die Gesetzesänderung? Eigentlich nichts. Das Fahrverbote nur als Ultima Ratio zulässig sind, wissen wir seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im letzten Februar. Es dürfte sich also um reine Kosmetik handeln. Vielleicht hofft der Gesetzgeber, dass der eine oder andere Kläger sich abgeschreckt fühlt. Oder Verwaltungsrichter sich ins Bockshorn jagen lassen. Ist das realistisch? Wir meinen: Nein.
Wir glauben deswegen: die Presse hat sich zu früh gefreut. Im Ergebnis ändert sich nichts.
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