Was nützt ein Klimaschutzgesetz?
Seit mehr als einer Dekade fordern Klimaschützer den Erlass eines Klimaschutzgesetzes. Es existieren Gutachten unterschiedlicher Institutionen, sowohl im Auftrag staatlicher Institutionen wie des Bundes-Umweltministeriums (BMU), als auch auf Betreiben der Umweltschutzverbände. In der laufenden Legislaturperiode führt der Koalitionsvertrag das Klimaschutzgesetz als Projekt der Koalition auf. Es gehört zu den Punkten, die der SPD besonders wichtig waren.
Nunmehr hat auch ein SPD-regiertes Haus, das fachzuständige BMU, einen Referentenentwurf vorgelegt. Zwar warnen manche Ressorts vor einer Aufrüstung des Klimaschutzes, weil sie befürchten, dass wirtschaftliche Interessen unter die Räder geraten könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Gesetz in den nächsten Jahren die Gesetzessammlungen schmückt, ist damit aber naturgemäß drastisch gestiegen.
Doch bedeutet ein Klimaschutzgesetz wirklich auch mehr Klimaschutz? Denn immerhin ist das Klima schon heute Schutzgut diverser Gesetze. Allen voran schützt Art. 20a Grundgesetz auch das Klima. Es gehört zu den Schutzgütern des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Das EEG fördert ebenso wie die EnEV den Klimaschutz, und der gesamte Emissionshandel ist einzig und allein dazu da, um mehr Klimaschutz zu motivieren. Wäre – so die ketzerische Frage – ein Klimaschutzgesetz angesichts dieser Ausgangssituation denn überhaupt mehr als eine zugegeben praktische Zusammenstellung aller Regelungen im deutschen Recht, bei denen es darum geht, weniger Energie aus anderen Quellen einzusetzen, um warm und trocken im Hellen zu sitzen, zu fahren oder Waren einzukaufen? In Gesetzen steht schließlich nichts anderes drin, nur weil sie woanders stehen.
Auch der – in den letzten Tagen u. a. bei Twitter gelobte – Umstand, dass dann alle Ressorts für mehr Klimaschutz adressiert würden, ist auf den zweiten Blick wenig überzeugend. Auch Ministerien, die derzeit Klimaschutz etwas kleiner schreiben als das BMU, sind schon heute an Art. 20a Abs. 1 GG gebunden, der den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Staatszielbestimmung ausweist. Und deutlich konkreter gibt eine Vielzahl von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, die den einzelnen Ressorts Vorgaben für mehr Klimaschutz machen. Nicht zuletzt existieren auf europarechtlicher Ebene konkrete Einsparziele, die, werden sie verletzt, empfindliche Strafzahlungen nach sich ziehen können. Auch auf dieser Ebene würde ein Klimaschutzgesetz deswegen wohl nicht mehr Klimaschutz auslösen. Aber er würde (auch) in einem deutschen Bundesgesetz stehen.
Ist angesichts dessen der absehbare politische Aufwand, ein Klimaschutzgesetz zu erlassen, eigentlich gerechtfertigt? Deutsche Gesetze haben aus Sicht von Umweltschützern ja stets den Nachteil, dass die deutsche Öffentlichkeit genau hinschaut, während noch viel weitreichendere Regelwerke in Brüssel im toten Winkel des politischen Journalismus einfach durchlaufen. Dies hat sich der institutionalisierte Umweltschutz in den letzten Jahren doch schon oft zunutze gemacht.
Wir meinen trotzdem: Ein Klimaschutzgesetz ist eine gute Sache. Denn ein Ganzes ist bekanntlich mehr als die Summe seiner Teile. Schon abseits der „großen Politik“ wären Vorzüge wie einheitliche Begriffsdefinitionen, aufeinander abgestimmte Verweisungen, überhaupt, ein allgemeiner Teil, das Vorhaben wert, weil sie mehr Rechtssicherheit schaffen. Auch wäre es sinnvoll, das Nebeneinander unterschiedlicher Politikfelder mehr zu verzahnen, u. a., um die Normadressaten in Unternehmen dadurch zu entlasten, dass Reformen in unterschiedlichen Sektoren zeitlich besser getaktet wären. Und auch die institutionelle Seite und Fragen der Sicherung besserer Gesetzgebung wie etwa regelmäßige Review-Prozesse könnten so besser und effizienter, weil einheitlich, aufgesetzt werden. Das wird ein Klimaschutzgesetz zwar nicht im ersten Anlauf schaffen. Aber ein Fundament, auf dem künftige Regierungen aufsetzen können, ist angesichts der derzeitigen Rechtszersplitterung durchaus ein Ziel, für das sich politische Anstrengungen lohnen.