Block­chain: Herr Rayner überzeugt mich nicht

Die Block­chain ist ja angeblich das nächste große Ding und soll die Wirtschaft revolu­tio­nieren. Was die Block­chain im Energie­sektor eigentlich Bahnbre­chendes leisten soll, wird mir bisher aller­dings nicht deutlich. Wenn mir Google Alert dann also einen Text darüber zeigt, wofür die Block­chain in Zusam­menhang mit Strom gut sein soll, dann schaue ich mir den natürlich sofort an.

Hier ist er. Er ist von einem in Deutschland lebenden Australier namens Tristan Rayner und heißt „Ein Mikro-Stromnetz in Brooklyn demons­triert die saubere Energie­ver­sorgung via Block­chain“. Hoppla, denke ich. Habe ich mich also geirrt und die Block­chain ist doch toll. Aber warten wir es ab:

In der Einleitung wird es jeden­falls schon knallig. Das derzeitige Stromnetz sei ein „alter­na­tiv­loses Ungetüm“. Na gut, ziemlich groß ist das Stromnetz, so alles in allem, schon richtig. Aber alter­na­tivlos? Niemand verbietet Leuten, neben dem Netz der öffent­lichen Versorgung ein zweites Stromnetz im Boden zu vergraben, wenn ihnen der Eigen­tümer des Grund­stücks das erlaubt. Warum trotzdem keiner die Bagger rollen lässt? Weil es sinnlos ist. Weil das Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG) und seine Verord­nungen einen diskri­mi­nie­rungs­freien Zugang für alle anderen Strom­lie­fe­ranten gewähr­leisten. Da muss niemand teure Tonnen Kupfer vergraben. Alter­na­tivlos ist damit schon mal nichts. Aber gut, sehen wir weiter.

Rayner meint weiter, durch die zuneh­mende Produktion von Erneu­er­barem Strom würden Rufe nach einem neuen, dezen­tra­lerem Stromnetz laut. Das leuchtet mir zumindest nicht ein. Was spricht dagegen, auch für neue Autos die alte Autobahn zu nutzen? Wird es sehr viel, braucht man vielleicht eine weitere Spur, aber dafür unter anderem sind die Netzbe­treiber ja da.

Im nächsten Absatz kommt dann Rayners große Innovation. Simsa­labim, die Block­chain würde es also ermög­lichen, dass Nachbarn unter­ein­ander mit Strom handeln. Gut und schön, denke ich mir. Viel Spaß. Aber geht das nicht heute schon? Gesetzt der Fall, ich hätte ziemlich viel PV auf dem Dach, hole mir eine Versor­ger­lizenz und verkaufe Strom an meine Nachbarn gegenüber: Wer soll mir das verbieten? Ich würde einen Vertrag mit dem Verteil­netz­be­treiber schließen, Umlagen abführen, alles tun, was das EnWG von Versorgern verlangt, und los geht’s. Warum das keiner macht? Es lohnt sich nicht. Die Vergütung nach dem EEG ist besser. Und wenn ich innerhalb einer Liegen­schaft verkaufe, gibt es auch dafür einen gesicherten recht­lichen Rahmen, bei dem Erzeuger und Mieter sparen. 

Herr Rayner dagegen ist begeistert: Wer eine Solar­anlage hat, der hätte auch Strom, wenn das Netz ausfällt, schreibt er. Und wer keine hat, aber von jemandem beliefert wird, der eine hat, der wäre auch vom Stromnetz unabhängig. Aber ganz im Ernst: Ist das wirklich ein Problem? Ist Energie­aut­arkie in einem so ausdif­fe­ren­zierten System wie dem Stromnetz in Deutschland ein Ansatz, der eine so enorme Energie­ver­schwendung recht­fertigt, wie die Block­chain sie derzeit darstellt? Und überhaupt: Wie stellt sich Herr Rayner eine physi­ka­lische Struktur vor, in der ein Netz zusam­men­bricht, aber die Liefer­ver­bindung zwischen Verbrau­chern und Erzeugern vor Ort als Teil dieses Netzes weiter funktio­niert? Ich bin jetzt keine Physi­kerin, aber so ganz leuchtet mir das noch nicht ein. Vielleicht, denke ich mir, kommen die eigent­lichen Pro-Block­chain-Brüller ja noch. Oder er denkt an ein isoliertes Netz, das nur die Erzeuger vor Ort erfasst. Aller­dings gebe ich zu bedenken: Ein großes Stromnetz hat eine Siche­rungs­kaskade, vgl. nur den § 13 Energie­wirt­schafts­gesetz, die dazu führen dürfte, dass es sehr, sehr selten ausfällt. Bei der Verbindung zwischen den Einfa­mi­li­en­häusern von Herrn Schulze und Herrn Müller bin ich mir da nicht so sicher. Zumal Erneu­erbare ja nun gerade nicht so besonders verlässlich produzieren.

Im nächsten Absatz bestätigt Herr Rayner, dass die Trans­ak­tionen zwischen den Betei­ligten auch seiner Meinung nach durch Start Contracts auf allen betei­ligten Rechnern vollzogen werden sollen. Gut und schön, das kostet eine Menge Strom, ohne nennens­werten Mehrwert, wie ich meine. Denn warum sichert man die Glaub­wür­digkeit von Trans­ak­tionen mit Strom auf allen betei­ligten Computern, wenn man auch nur einen gut überwachten Betei­ligten damit betrauen könnte, dies zu dokumen­tieren? Einen solchen Betei­ligten gibt es im Übrigen auch schon. Man nennt ihn Energie­ver­sorger, und dass er Strom­flüsse falsch oder sonstwie unzulässig aufzeichnen würde, hätte ich jeden­falls noch nicht gehört.

Apropos Menge Strom: Herr Rayner gibt zu, dass die vielen Trans­ak­tionen zwischen den Betei­ligten viel Strom verbrauchen. Das kann man wohl sagen. Allein die Bitcoin-Struktur als größte Block­chain­struktur verbraucht schon heute mehr Strom als die Schweiz. Herr Rayner findet das aber gar nicht schlimm. Die entste­hende Prozes­sor­wärme würde nämlich als Heizwärme genutzt.

Ich kann mir schon vorstellen, dass das grund­sätzlich möglich ist. Mein Computer wird jeden­falls bei größeren Aktionen immer schrecklich warm. Aber ist das sein Ernst? Es dürfte kaum etwas Ineffi­zi­en­teres geben, als die Abwärme von Computern als Heizwärme zu nutzen. Ein normales Netz in einer mittel­großen Stadt wäre vermutlich als Block­chain­struktur deutlich größer als die Bitco­in­struktur. Soll diese Stadt dann allein für die Dokumen­tation von Strom­ver­brauch (nicht einmal für die Erzeugung dieses Stroms!) und eine schlecht regelbare und vermutlich nicht für ganze Wohnungen nutzbare Heizwärme so viel Strom verbraten wie gleich mehrere Alpen­re­pu­bliken? Wo soll der ganze Strom herkommen? Und wozu das Ganze? Nur, damit Herr Schulze an Herrn Müller von gegenüber Solar­strom verkaufen kann? Und was daran ist denn nun so „sauber“, wie die Überschrift vorgibt?

Am Ende dieses Textes bin ich jeden­falls nicht klüger. Entweder gibt es in der Energie­ver­sorgung der USA Probleme, die dem deutschen Energie­markt fremd sind. Oder Herr Rayner kennt sich nicht so besonders gut aus. Auf seinem Bild sieht er schrecklich nett aus. Er scheint Ingenieur zu sein, arbeitet aber als freischaf­fender Schreiber in Berlin. Letzteres, immerhin, kann ich gut nachvollziehen.

Ich glaube, ich bleibe bei meiner Meinung.

2018-06-08T08:20:01+02:008. Juni 2018|Digitales, Strom|

Der BGH will harte Worte

Sie kennen das: Wer schreibt schon gern, dass er keine Lust hat, bei den ungeho­belten Nachbarn Samstag Wurst zu grillen. Sie schreiben also, sie seien leider verhindert. Der Eltern­beirat in der Klasse Ihres Jüngsten verlangt von Ihnen weiter­ge­hendes Engagement? Sie schreiben, Sie könnten wegen ihrer umfang­reichen beruf­lichen Verpflich­tungen leider nicht … Notlügen nennt man das wohl, und die meisten Leute erwarten gar nicht, dass der Belogene das glaubt. Es geht schlicht um Höflichkeit.

Ebenso halten es viele Energie­ver­sorger, wenn die Preise steigen. Wer sagt schon gern, dass die Anteils­eigner nach mehreren mageren Jahren endlich wieder Geld sehen wollen? Sie schreiben also, alles werde teurer, und Strom nach lange stabilen Preisen leider auch. Vielleicht schieben Sie einfach alles auf den Staat, denn der ist bekanntlich meistens schuld, wenn irgend­etwas schief geht, und außerdem wird Angela Merkel Sie nicht verklagen, wenn Sie auf die Steuern und Umlagen von Vater Staat verweisen. Ebenso wie beim Nachbarn und beim Eltern­beirat gehe ich jede Wette ein: Jeder wusste immer genau, wie der Hase läuft.

Doch diese verbreitete Praxis ist, wie der Bundes­ge­richtshof (BGH) am 6. Juni 2018 nun ausge­ur­teilt hat, unzulässig (Az.:VIII ZR 247/17, Gründe liegen noch nicht vor). Wenn Sie als Grund­ver­sorger den Grund­ver­sor­gungs­tarif erhöhen, müssen Sie alle Preis­be­stand­teile detail­liert aufführen, so dass der Verbraucher ganz genau beurteilen kann, ob nun die Netznut­zungs­ent­gelte, die KWK-Umlage, das EEG oder schlicht eine steigende Marge für die Preis­an­passung verant­wortlich sind.

Damit bestätigt nun auch der BGH im Wesent­lichen die – jeweils mit unter­schied­lichen Nuancen den Versorger verur­tei­lenden – Vorin­stanzen. Zuletzt hatte das OLG Hamm aus den §§ 5 Abs. 2 S. 2, letzter HS; 2 Abs. 3 S. 1 Nr.5 S. 1 u. Abs. 3 S. 3 StromGVV herge­leitet, dass Versorger nur dann von steuer- und umlage­be­dingten Preis­er­hö­hungen sprechen dürfen, wenn das auch wirklich stimmt. In dieser Entscheidung hatte es auch aufs Europa­recht verwiesen, wo in Art. 3 Abs. 2 u. 3 u. der Anhang A der RL 2003/54 EG (der Elektri­zi­täts­bin­nen­markt­richt­linie) festgelegt ist, dass gewähr­leistet sein muss, dass Kunden von ihrem Sonder­kün­di­gungs­recht nach Preis­er­hö­hungen Gebrauch machen können und Trans­parenz über Preise und Tarife besteht. Das OLG – und nun wohl auch der BGH – halten es für naheliegend, dass Kunden nur dann beurteilen können, ob sie besser kündigen, wenn sie wissen, ob bei Steuern und Umlagen die Strom­preise aller Versorger steigen. Oder nur ihr Versorger teurer wird.

In Zukunft müssen Grund­ver­sorger also etwas schonungs­loser werden. Ob das Urteil so zu mehr Infor­mation der Kunden in der Grund­ver­sorgung führt? Zweifel sind erlaubt, denn besonders preis­be­wusst scheinen die Grund­ver­sor­gungs­kunden nicht zu sein, denn ansonsten hätten sie längst den Tarif gewechselt. Und den Kunden, der tatsächlich die im Laufe der Jahr immer mehr angeschwol­lenen Infor­ma­tionen rund um das Versor­ger­ver­hältnis gelesen hat, muss man vermutlich mit der Lupe suchen.

Für die Praxis bedeutet das: Wer in der Grund­ver­sorgung seine Marge erhöht, muss dies künftig in einer Gegen­über­stellung der Preise kenntlich machen und darf im Anschreiben jeden­falls nichts Unzutref­fendes über die Preis­er­höhung sagen.

2018-06-06T23:46:15+02:006. Juni 2018|Strom, Vertrieb|

Mitge­gangen, mitgefangen

Herrn Valk bleibt auch nichts erspart. Da fleht, bittet und bettelt man als mit allen Wassern der Moderne gewaschener Vertriebs­leiter bei der Geschäfts­füh­rerin Frau Göker monatelang, dass ein Unter­nehmen wie die Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) im Kampf um gerade jüngere Kunden sich auch bei facebook präsen­tieren muss. Da gibt man Geld aus für eine Agentur, die Herrn Valk und seine Mitar­bei­terin schult, wie man als Stadtwerk Social Media richtig anpackt. Und dann, drei Wochen vor der geplanten Einrichtung des SWO-Accounts beim kalifor­ni­schen Giganten ist Schluss. Einfach Schluss. Und schuld ist der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Der EuGH sitzt zwar in Luxemburg. Aber Herr Valk schimpft trotzdem ausgiebig auf die „Brüsseler Beamten“, die keine Ahnung haben, wie hart der Kampf um den Kunden in der Fläche gerade im Strom­ver­trieb geworden ist. Einfach so die Betreiber von facebook-Fanpages für eine verant­wort­liche Stelle im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richt­linie 95/46, in Deutschland umgesetzt durch den § 3 Abs. 7 des alten Bundes­da­ten­schutz­ge­setzes (BDSG), zu erklären. Weil facebook auf die Computer derje­nigen, die die Fanpage besuchen, Cookies setze, kleine Programme also, die Infor­ma­tionen sammeln und an facebook weiter­leiten. Diese Infor­ma­tionen nutzt facebook, um perso­na­li­siert zu werben. Aber auch die SWO hätte sie genutzt, indem sie demogra­phische Auswer­tungen der Besucher der Fanpage bekommen hätte.

Als Verwender perso­na­li­sierter Daten hätte die SWO einen Haufen daten­schutz­recht­licher Verpflich­tungen erfüllen müssen. Denn einfach abstellen kann man die Daten­sam­melei durch facebook als Betreiber einer Fanpage bisher leider nicht. Diese Verpflich­tungen wie etwa Auskunft über die Daten­spei­cherung und ‑verwendung ebenso wie die Löschung der Daten hätte Herr Valk aber gar nicht erfüllen können. Schließlich verrät facebook den Betreibern nicht, was für Daten erhoben werden und was mit ihnen geschieht.

Der EuGH wird ja kaum in Oberal­theim schnüffeln.“, hatte Valk noch versucht, Justi­tiarin Berlach auf seine Seite zu ziehen. Diese aber war fest geblieben: Schließlich drohen nicht nur Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen von Daten­schutz­be­hörden wie in dem im Vorla­ge­ver­fahren vorm EuGH entschie­denen Fall. Auch Bußgelder könnten verhängt werden. Und nicht zuletzt ist es ungeklärt, jeden­falls auch nicht sicher auszu­schließen, dass Konkur­renten wegen solchen Daten­schutz­ver­stößen abmahnen könnten. Wartet die Stadt­werke Unter­al­theim GmbH denn nicht etwa schon gierig auf den kleinsten Fehler der SWO?

Am Ende muss Valk seufzend seine schönen Pläne fürs Erste begraben. „Teilen Sie mir bitte umgehend mit, wenn facebook sich bewegt!, schreibt er tief bekümmert an die Social Media Agentur, die ihn beraten hatte.

Jetzt wartet er. Auf ein facebook-Tool. Auf ein Wort des Europäi­schen Gesetz­gebers über die Übertrag­barkeit auf die neue Welt der DSGVO. Auf eine Recht­spre­chung des BVErwG, die dem ganzen die Spitze nimmt. Und er wartet ganz sicher nicht allein.

2018-06-06T09:48:17+02:006. Juni 2018|Allgemein, Strom, Wettbewerbsrecht|