We are the Champions (of ETS)

Es tut mir leid, wenn Sie jetzt traurig sind, aber der Emissi­ons­handel ist bislang schon eher ein Verlie­rer­thema. Sind Sie auf Behör­den­seite oder bei einem Umwelt­verband mit dem Emissi­ons­handel befasst, haben Sie mögli­cher­weise viel Lebenszeit mit einem Instrument verbracht, den man nachsagt, es habe zu keiner Emissi­ons­min­derung gegenüber einem Szenario ohne dieses Instrument geführt. Sind sie dagegen beim Betreiber einer Anlage für das Thema zuständig, dann schlagen Sie sich mit wahnsinnig kompli­zierten Regeln herum, haben wegen der exorbi­tanten Strafen immer Angst, etwas geht schief, und die verspro­chene Anreiz­wirkung durch Vorteile oder zumindest weniger Nachteile bleibt bei den lächer­lichen Preisen weit unterhalb des sogenannten Fuel-Changing-Points, also des Preises, bei dem Unter­nehmen günstiger Emissionen mindern als Zerti­fikate kaufen, auch aus.

Immerhin: Gerade wittern Sie Morgenluft. Mit der Markt­sta­bi­li­täts­re­serve hat die europäische Union erstmals ein Instrument imple­men­tiert, das Überschüsse nicht einfach immer weiter­schleppt, sondern abschöpft und ab 2023 löscht. Es ist damit erstmals sehr, sehr wahrscheinlich, dass der Preis in der nächsten Handel­s­pe­riode nicht nur nicht verfällt. Sondern sich schon wegen der sinkenden Gesamt­mengen verfüg­barer Zerti­fikate nach und nach erhöht. Und das selbst dann, wenn ein Mindest­preis für Zerti­fikate nicht einge­führt werden sollte.

Auch inter­na­tional liegen Sie voll im Trend. In China gibt es seit Dezember letzten Jahres einen Emissi­ons­handel. Dieser wird, erfasst er erst alle Formate wie geplant, das System darstellen, in dem weltweit die größten Mengen erfasst werden. Auch in vielen anderen Staaten soll CO2 künftig bepreist werden. So haben es die Staaten zumindest beim Klima­se­kre­tariat einge­reicht, das die Maßnahmen, die die Staaten für den Klima­schutz umsetzen wollen, nach dem im Paris Agreement verein­barten Procedere sammelt. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass die jetzt noch wegen bestehender Abwan­de­rungs­be­drohung privi­le­gierten Wirtschafts­zweige künftig weniger Extra­zer­ti­fikate bekommen, sobald keine asymme­trische Wettbe­werbs­si­tuation mehr besteht.

Insofern: Sie werden wichtiger. Wenn Sie zur Behör­den­seite gehören, werden Sie künftig ein wenig gefürch­teter als bisher. Das ist doch schön, so als Beamter. Wenn Sie dagegen auf Betrei­ber­seite den Emissi­ons­handel adminis­trieren, wird Ihre Einschätzung unter­neh­mens­intern wichtiger, weil Emissionen teurer werden. Und wenn Sie mit CO2 handeln, haben Sie sich vermutlich sowieso schon eingedeckt.

Heute steht der Kurs übrigens schon bei über 15 EUR.

2018-06-04T19:16:03+02:004. Juni 2018|Emissionshandel, Industrie, Strom|

Moorburg und kein Ende

Die Geneh­mi­gungs­ge­schichte des Stein­koh­le­kraft­werks Moorburg in Hamburg ist inzwi­schen fast so lang wie die Bibel und mindestens ebenso kompli­ziert: 2004 geplant. Ab 2007 wurde gebaut. 2012 sollte der mit Stein­kohle betriebene Doppel­block in Betrieb gehen. 2013 wurde erstmals gezündet. 2015 fand schließlich die Inbetrieb­nahme statt.

Zwar ist die Immis­si­ons­schutz­ge­neh­migung der Anlage bestands­kräftig. Dafür ist die wasser­recht­liche Geneh­migung heiß umstritten: Betreiber Vattenfall ist davon überzeugt, dass die beantragte Durch­lauf­kühlung mit Elbwasser allen gesetz­lichen Vorgaben entspricht. Der BUND dagegen sieht einen Verstoß gegen die Flora-Fauna-Habita­t­richt­linie. Geschützte Fisch­arten würden Schaden nehmen. Vattenfall dagegen meint, dass vor allem die vom schwe­di­schen Staats­konzern finan­zierte Fisch­treppe den befürch­teten Fisch­exitus wirksam verhindern würde.

Schon der Ausgangs­be­scheid schrieb Rechts­ge­schichte: Er landete nämlich nicht nur bei den deutschen Verwal­tungs­ge­richten. Sondern auch bei einem inter­na­tio­nalen Schieds­ge­richt in Washington. Dieses Verfahren endete erst 2011 mit einem Schieds­spruch als Vergleich.

2015 schloss sich die Europäische Kommission den Sorgen der Natur­schützer an und leitete ein Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren gegen die Bundes­re­publik Deutschland ein. Dieses mündete in ein Gerichts­ver­fahren, in dessen Zuge der EuGH feststellte, dass die wasser­recht­liche Geneh­migung mangels hinrei­chender Prüfung der Verein­barkeit des Vorhabens mit der Flora-Fauna-Habitat-Richt­linie gemein­schafts­rechts­widrig sei. 

Dieses Urteil wiederum bewog die Hamburger Behörden 2017, Vattenfall nur noch die Kreis­lauf­kühlung, nicht mehr die Durch­lauf­kühlung zu erlauben. Dies ist für den Betreiber aber weitaus weniger vorteilhaft: Der Eigen­ver­brauch steigt. Damit steigen auch die Kosten. Gleich­zeitig – mehr Kohle bedingt mehr CO2 – steigen die Emissionen.

Parallel zu diesem Vorgehen lief eine ebenfalls vom BUND betriebene Klage. Auf die Klage des BUND war bereits 2013 durch das OVG die Durch­lauf­kühlung untersagt wurden. Vattenfall war aller­dings hiergegen vorge­gangen, weswegen die Durch­lauf­kühlung bis 2017 zulässig blieb. Wegen der laufenden EuGH-Verfahren hatte das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) die Verfahren überdies zurückgestellt.

Nun erst, also im Frühling 2018, beendete das BVerwG das Verfahren und gab Vattenfall recht. Zwar darf Vattenfall nun immer noch nicht durch­lauf­kühlen. Aber das OVG muss sich noch einmal mit der Sachlage vor Ort beschäf­tigen. Vattenfall muss also noch einmal nachlegen. Rechts­si­cherheit gibt es also nach wie vor nicht.

Und mögli­cher­weise steht am Ende der langen Geschichte des Hamburger Kohle­kraft­werks ganz wie bei der Bibel eine Art Apoka­lypse in Gestalt des Kohleausstiegs.

2018-06-04T08:51:53+02:004. Juni 2018|Strom, Umwelt, Verwaltungsrecht|