Der BGH will harte Worte
Sie kennen das: Wer schreibt schon gern, dass er keine Lust hat, bei den ungehobelten Nachbarn Samstag Wurst zu grillen. Sie schreiben also, sie seien leider verhindert. Der Elternbeirat in der Klasse Ihres Jüngsten verlangt von Ihnen weitergehendes Engagement? Sie schreiben, Sie könnten wegen ihrer umfangreichen beruflichen Verpflichtungen leider nicht … Notlügen nennt man das wohl, und die meisten Leute erwarten gar nicht, dass der Belogene das glaubt. Es geht schlicht um Höflichkeit.
Ebenso halten es viele Energieversorger, wenn die Preise steigen. Wer sagt schon gern, dass die Anteilseigner nach mehreren mageren Jahren endlich wieder Geld sehen wollen? Sie schreiben also, alles werde teurer, und Strom nach lange stabilen Preisen leider auch. Vielleicht schieben Sie einfach alles auf den Staat, denn der ist bekanntlich meistens schuld, wenn irgendetwas schief geht, und außerdem wird Angela Merkel Sie nicht verklagen, wenn Sie auf die Steuern und Umlagen von Vater Staat verweisen. Ebenso wie beim Nachbarn und beim Elternbeirat gehe ich jede Wette ein: Jeder wusste immer genau, wie der Hase läuft.
Doch diese verbreitete Praxis ist, wie der Bundesgerichtshof (BGH) am 6. Juni 2018 nun ausgeurteilt hat, unzulässig (Az.:VIII ZR 247/17, Gründe liegen noch nicht vor). Wenn Sie als Grundversorger den Grundversorgungstarif erhöhen, müssen Sie alle Preisbestandteile detailliert aufführen, so dass der Verbraucher ganz genau beurteilen kann, ob nun die Netznutzungsentgelte, die KWK-Umlage, das EEG oder schlicht eine steigende Marge für die Preisanpassung verantwortlich sind.
Damit bestätigt nun auch der BGH im Wesentlichen die – jeweils mit unterschiedlichen Nuancen den Versorger verurteilenden – Vorinstanzen. Zuletzt hatte das OLG Hamm aus den §§ 5 Abs. 2 S. 2, letzter HS; 2 Abs. 3 S. 1 Nr.5 S. 1 u. Abs. 3 S. 3 StromGVV hergeleitet, dass Versorger nur dann von steuer- und umlagebedingten Preiserhöhungen sprechen dürfen, wenn das auch wirklich stimmt. In dieser Entscheidung hatte es auch aufs Europarecht verwiesen, wo in Art. 3 Abs. 2 u. 3 u. der Anhang A der RL 2003/54 EG (der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie) festgelegt ist, dass gewährleistet sein muss, dass Kunden von ihrem Sonderkündigungsrecht nach Preiserhöhungen Gebrauch machen können und Transparenz über Preise und Tarife besteht. Das OLG – und nun wohl auch der BGH – halten es für naheliegend, dass Kunden nur dann beurteilen können, ob sie besser kündigen, wenn sie wissen, ob bei Steuern und Umlagen die Strompreise aller Versorger steigen. Oder nur ihr Versorger teurer wird.
In Zukunft müssen Grundversorger also etwas schonungsloser werden. Ob das Urteil so zu mehr Information der Kunden in der Grundversorgung führt? Zweifel sind erlaubt, denn besonders preisbewusst scheinen die Grundversorgungskunden nicht zu sein, denn ansonsten hätten sie längst den Tarif gewechselt. Und den Kunden, der tatsächlich die im Laufe der Jahr immer mehr angeschwollenen Informationen rund um das Versorgerverhältnis gelesen hat, muss man vermutlich mit der Lupe suchen.
Für die Praxis bedeutet das: Wer in der Grundversorgung seine Marge erhöht, muss dies künftig in einer Gegenüberstellung der Preise kenntlich machen und darf im Anschreiben jedenfalls nichts Unzutreffendes über die Preiserhöhung sagen.