Die beiden Busse: Irreführender Preisvergleich durch Unterlassen
Frau Geschäftsführerin Göker seufzt. Vertriebsleiter Valk mag ja erfolgreich sein. Der Stromverkauf der Stadtwerke Oberaltheim GmbH (SWO) brummt. Aber vielleicht sind seine Methoden doch etwas robust? Die vierte Abmahnung in einem Jahr! Und dabei ist jetzt erst Ende Juni. Dabei war klar, dass die sozusagen verfeindeten Stadtwerke Unteraltheim GmbH (SWU) sich provoziert fühlen musste, als Valk zwei Busse mit großformatigen Werbebannern bekleben und den ganzen Tag durch Unteraltheim fahren ließ, auf denen stand
„Nicht nur besser, sondern billiger!“
Und dann eine Preisgegenüberstellung, bei der – so die Abmahnung der SWU – dem teuren Grundversorgungstarif der SWU wettbewerbswidrig wegen § 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 4 UWG ein drastisch günstigerer Sondervertragstarif der SWO gegenüber gestellt wurde, ohne explizit zu erwähnen, dass der SWO-Tarif mit einer einjährigen Mindestlaufzeit verbunden ist, wohingegen Kunden den Grundversorgungsvertrag der SWU mit der gesetzlich festgelegten zweiwöchigen Kündigungsfrist beenden können und die SWU auch einen Tarif anbietet, der zwar immer noch teurer ist als der der SWO, aber immerhin nicht so atemberaubend teuer wie ihr Grundversorgungsvertrag.
Würde Valk wenigstens nicht so schrecklich feixen! 1.300 EUR soll die SWO an den Anwalt der SWU zahlen, das ist nicht die Welt, aber auch kein Pappenstiel, und außerdem soll sich die SWO dazu verpflichten, den angeblich irreführenden Preisvergleich ohne Klarstellung, dass die Kündigungsfristen so unterschiedlich sind und die SWU noch weitere günstigere Tarife hat, zu unterlassen. 20.000 EUR Vertragsstrafe soll die SWO jedesmal an die SWU zahlen, wenn sie hiergegen verstößt.
„Das Geld für die Buswerbung gibt mir auch niemand zurück!“, schimpft Frau Göker Herrn Valk aus, der – nicht unähnlich Frau Gökers frechem Jüngsten – versonnen aus dem Fenster schaut und unverzeihlicherweise grinst.
Fristablauf für die Abgabe der von der SWU eingeforderten Unterlassungserklärung ist noch heute 18.00 Uhr, und so segnet Frau Göker ihren Schöpfer, als um 15.00 Uhr endlich die Anwältin des Hauses zurückruft, auch wenn sie auch nicht mehr tun kann, als die Abmahnung als im Grunde berechtigt zu bezeichnen, Kontakt zur Gegenseite aufzunehmen, die Unterlassungserklärung etwas einzugrenzen und statt einer starren Vertragsstrafe eine nach sogenanntem Hamburger Brauch anzubieten, bei dem also die Vertragsstrafe im Falle erneuter Verstöße von einer Seite verschuldensabhängig festgelegt und von der anderen zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden kann. „Da kann ihr Mandant die Buswerbung ja gleich wieder abreissen.“, kommentiert der Anwalt der SWU die Ankündigung der Anwältin, die modifizierte Unterlassungserklärung würde sogleich verschickt.
Um 17:30 Uhr gibt Frau Göker die Unterlassungserklärung in der vorabgestimmten Form ab. Um 18.00 Uhr reisst Valk keinewegs die Buswerbung ab, sondern beklebt eigenhändig beide Busse am Rande der Werbebanner mit leuchtend gelben Aufklebern, auf denen steht:
„Ein Jahr fest!*“
und ein kleingedruckter Zusatz, auf dem steht, dass der Vertrag eine einjährige Mindestlaufzeit hat und dass die SWU auch noch andere Tarife hat, die möglicherweise günstiger als ihr Grundversorgungstarif sein könnten. Um 18:15 Uhr machen sich die Busse wieder auf nach Unteraltheim.
Und um 18:30 Uhr erscheint Lokalreporter Repnik bei der SWO, dem Frau Göker ein paar Hintergrundinformationen darüber gibt, dass die SWU offenbar so verzweifelt über die – nur allzu verständliche – Abwanderung ihrer Kunden ist, dass sie sich nur mit Abmahnungen der wirtschaftlich überlegenen Konkurrenz erwehren könne. Ganz im Vertrauen zeigt Frau Göker Herrn Repnik sogar die aktuelle Abmahnung, weist mehrfach darauf hin, was ein Kunde alles sparen könne, wenn er aus der Grundversorgung der SWU zur SWO wechselt, und lässt sich mit den Worten „So etwas habe ich nicht nötig!“, in der Zeitung zitieren. Mit dem Schicksal und Herrn Valk versöhnt weist Frau Göker die 1.300 EUR um 19:30 Uhr an und schließt um 20.00 Uhr das Bürogebäude ab.
Um 23.00 Uhr fragt sich Frau Göker beim Zähneputzen allerdings, woher Herr Valk eigentlich so plötzlich die Aufkleber hatte.