Dumme Richter?
Juristen, schreibt das bekannte Blog „Basic Thinking“, hätten das Internet nicht verstanden und beklagt eine Entscheidung des Landgerichts (LG) Berlin. Die Richter hatten auf eine Klage eines Verbraucherschutzverbandes eine Bloggerin, die sich Vreni Frost nennt, dazu verurteilt, es zu unterlassen, auf ihrem Instagram Account Marken zu vertaggen, ohne dies als Werbung zu kennzeichnen. Für diejenigen, denen die Terminologie fremd ist: „Tags“ sind verlinkte Hinweise in sozialen Medien, hier direkt auf die Accounts von Unternehmen.
Genau solche Tags hat Frau Frost gesetzt. Offenbar wirbt sie regelmäßig kommerziell. In den konkreten Fällen hat sie bei Instagram Bilder ihrer Person in (nach meinem ersten Eindruck wohl tendenziell eher ausnahmsweise) selbst gekaufter Kleidung, in einer Flugzeugkabine und mit einem bestimmten Handy mit Direktlinks zu Unternehmensaccounts gepostet, die allerdings – das unterschlägt sowohl die Betreffende selbst als auch Basic Thinking – vom Gesamtgepräge durchaus werblich wirkten. Egal, ob sie hierfür Geld erhalten hat oder nicht: Ein objektiver Betrachter musste den Eindruck gewinnen, dass Frau Frost ihren Fans die Waren und Dienstleistungen empfiehlt, es sich also um Maßnahmen zur Absatzförderung handelt. Eine geschäftliche Handlung im Sinne des UWG dürfte damit vorliegen, denn § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG definiert diese nicht als „bezahlt“, sondern nur als
„jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt“
Vergegenwärtigt man sich dies, so erscheint das Urteil des LG Berlin auf einmal gar nicht mehr so absurd. Denn auch der – wohl in vorderster Front in der Abmahnung genannte – § 5a Abs. 6 UWG stellt nicht darauf ab, ob Frau Frost von den Unternehmen, deren Marken sie vertaggt, Geld bekommen hat. Hier heißt es nur:
„Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“
Ein kommerzieller Zweck dürfte nach dem Gesamtgepräge ihres Instagram-Accounts durchaus vorliegen. Ich kenne den Account nicht, aber offenbar ist Frau Frost eine Influencerin, deren Geschäftsmodell darin besteht, dass Unternehmen Werbeanzeigen schalten, die sie in einem persönlich wirkenden Umfeld präsentiert. Natürlich zeigt Frau Frost nicht nur Werbung, das wäre sicherlich auch für ihre Leser nicht sehr anziehend, aber die verschwimmenden Grenzen zwischen Werbung und nicht werblichen Inhalten gehören wie bei vielen Influencern sicher auch hier zum Programm. Ich finde das auch alles andere als verwerflich, schließlich möchte der Markt diese Form der Unterhaltung, ohne direkt für diese Angebote zu bezahlen. Aber wer geschäftliche Handlungen vornimmt, die einem kommerziellen Zweck dienen, muss dies eben als Werbung kennzeichnen, wenn – was hier sicherlich vorliegen dürfte – der Verbraucher zum Kauf bzw. zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen veranlasst werden könnte.
Haben also die Richter des LG Berlin das Internet nicht verstanden? Wohl kaum. Eher hat Frau Frost das UWG nicht verstanden. Und anders als Basic Thinking schreibt, liegt hier auch kein Angriff auf freie Berichterstattung und Journalismus in sozialen Medien vor. Natürlich dürfen auch weiterhin direkte Links zu Unternehmen gesetzt werden, ohne dass das in jedem Fall gleich Werbung darstellt. Wenn es sich erkennbar nicht um eine Maßnahme der Absatzförderung handelt, ist das völlig unproblematisch. Wer – bezahlt oder unbezahlt – wirbt, sollte dies aber transparent kennzeichnen. Ich sehe auch nicht, wieso mit einer solchen Kennzeichnung irgendjemandem ein Zacken aus der Bloggerkrone fiele. Wessen Geschäftsmodell aber gerade darauf beruht, dass Werbung als Inhalt daherkommt: Exakt das will das UWG im Interesse des Verbrauchers unterbinden.
(An dieser Stelle habe ich mich schon einmal über eine ähnliche Thematik geäußert)