Höchst spannend ist nicht dezentral

Jeder Kilometer Netz, den einge­speister Strom nicht passiert, spart Geld und Ressourcen. Deswegen enthält § 18 Abs. 1 Strom­netz­ent­gelt­ver­ordnung (StromNEV) eine Regelung, nach der  Betreiber dezen­traler – also nicht: meist entfernter zentraler – Erzeu­gungs­an­lagen eine Vergütung vom Netzbe­treiber erhalten. Dieser kauft seinen Strom also bildlich gesprochen beim Tante-Emma-Laden um die Ecke und nicht beim Kaufland im Gewer­be­gebiet und entlastet so die Straßen.

Doch was ist unter „dezentral“ zu verstehen? Mit dieser Frage beschäf­tigte sich der Bundes­ge­richtshof (BGH) am 27.02.2018 (EnVR 1/17). Ein Unter­nehmen, das bis 2010 auf dieser Basis Entgelte für seinen auf Höchst­span­nungs­ebene einge­speisten Strom erhalten hatte, hatte nämlich ein Verfahren angestrengt, nachdem der Netzbe­treiber diese Zahlungen 2011 einge­stellt hatte und die Bundes­netz­agentur dies bestätigt hatte.

Doch auch vor dem BGH blieb das Unter­nehmen erfolglos. Die – letztlich dogma­tisch wohl überzeu­gende – Begründung: Gemäß § 3 Nr. 11 Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG) ist eine

dezen­trale Erzeu­gungs­anlage eine an das Vertei­lernetz angeschlossene verbrauchs- und lastnahe Erzeugungsanlage,“

Die Richter kamen wie zuvor schon die Bundes­netz­agentur zum Schluss, dass die Definition des EnWG auch für die Begriff­lichkeit der dezen­tralen Erzeu­gungs­anlage in der StromNEV maßgeblich sei. Schließlich sei das EnWG das überge­ordnete Gesetz und präge deswegen die Auslegung der Begriffe in den das EnWG konkre­ti­sie­renden Verord­nungen wie der StromNEV. Damit sah der BGH nur solche Kraft­werke als dezentral an, die ins Vertei­lernetz einspeisen.

Was das Vertei­lernetz eigentlich ist, sagt das EnWG zwar an keiner Stelle. Der BGH verweist hier aber auf § 3 Nr. 37 EnWG, der immerhin „Verteilung“ definiert. Hiernach ist Verteilung – im Gegensatz zu Übertragung – der Transport über örtliche oder regionale Leitungs­netze in hoher, mittlerer und niederer Spannungs­ebene, also mit maximal 110 kV und eben nicht auf Höchst­span­nungs­ebene. Auf den Zweck komme es – so die Richter – nicht an. Vertrau­ens­schutz auf den Fortbe­stand der Vergütung sahen die Richter auch nicht. Im Ergebnis bleibt es damit dabei: Nur wer auf Vertei­ler­netz­ebene einspeist, kann eine Vergütung nach § 18 Abs. 1 StromNEV erhalten.

2018-07-31T08:46:29+02:0031. Juli 2018|Allgemein, Strom|

Schon wieder das beA

Wetten Sie eigentlich gern? Wir würden mit Ihnen wetten. Wir wetten mit Ihnen um Schokolade, dass am 3. September das besondere elektro­nische Anwalts­postfach beA nicht am Start ist. Wenn Sie dagegen meinen, die Bundes­rechts­an­walts­kammer (BRAK) zieht das jetzt durch, dann schreiben Sie uns einfach eine E‑Mail mit Ihrem Namen, erklären sich einver­standen, dass wir diesen Akt der Tollkühnheit auf dieser Seite publi­zieren, und dann warten wir es ab. Wir können uns nämlich irgendwie nicht vorstellen, dass die BRAK tatsächlich am 3. September ein System verbindlich startet, das es theore­tisch ermög­licht, dass ein krimi­neller Innen­täter sämtliche versandte Nachrichten liest. Immerhin sind Anwälte eine Gruppe, durch deren Hände eine Vielzahl heikler, sehr, sehr vertrau­licher Infor­ma­tionen geht. Die stehen dann auch in unseren Dokumenten. Wir sind unseren Mandanten gegenüber zum Schweigen verpflichtet. Das ist Teil des Kerns anwalt­licher Tätigkeit: Dass jeder sicher sein kann, dass seine Geheim­nisse, wie peinlich oder strafbar sie auch immer sein mögen, bei seinem Anwalt sicher sind.

Sollte dieses Vertrauen wirklich darunter leiden, dass die Kommu­ni­kation zwischen EGVP und beA unbedingt aufrecht­erhalten werden, aber gleich­zeitig das beA so schnell wie möglich an den Start gehen soll? Wäre es nicht vertretbar, sich von einem zunehmend auch in der Öffent­lichkeit mit Misstrauen betrach­tetem System zu verabschieden?

Wir jeden­falls warten diesmal so lange wie möglich ab, bis wir den neuen beA-Client instal­lieren. Und wenn wir am 2. September schimpfend und schwitzend an unserer EDV herum­schrauben (lassen). Wir können uns aber gut vorstellen, dass bis dahin entweder der BGH die Sache stoppt, der in seiner Entscheidung vom 28.06.2018 (AnwZ (Brfg) 5/18) ausdrücklich anspricht, dass seine Entscheidung zugunsten der Nutzungs­pflicht eines elektro­ni­schen Postfachs sich nicht mit diesem Postfach in seiner konkreten techni­schen Gestalt beschäftige, mit anderen Worten: Dass seine Entscheidung, die Nutzungs­pflicht sei schon in Ordnung, nicht bedeutet, dass auch das beA in Ordnung ist. Oder das System schlicht nicht so funktio­niert, wie die BRAK es sich vorstellt. Es bleibt also spannend.

2018-07-30T01:17:27+02:0030. Juli 2018|Digitales|

Neues von der Störerhaftung

Sicherlich erinnern Sie sich noch an das Schwert des Damokles, das jahrelang über dem Haupt von Betreibern offener WLAN Netze hing. Nach älterer Recht­spre­chung des Bundes­ge­richtshof (BGH) haftete der Betreiber eines offenen WLAN nämlich für Rechts­ver­let­zungen, die Dritte auch ohne sein Wissen über seinen Inter­net­zugang begangen hatten.

Dies ist inzwi­schen Vergan­genheit. Seit dem 13.10.2017 gilt der neuge­fasste § 8 Abs. 1 Satz 2 Teleme­di­en­gesetz (TMG). Dieser ordnet nunmehr an, dass der Vermittler eines Inter­net­zu­gangs nicht wegen einer rechts­wid­rigen Handlung eines Nutzers auf Schadens­ersatz, Besei­tigung oder Unter­lassung in Anspruch genommen werden kann.

Dies kam dem Betreiber von fünf öffentlich zugäng­lichen WLAN Hotspots und zwei Kanälen in das Tor-Netzwerk, einem Netzwerk zu Anony­mi­sierung von Verbin­dungs­daten, zugute. Gegen ihn ging nämlich ein Unter­nehmen vor, das ein Compu­ter­spiel anbietet namens „Dead Island“. Denn Anfang 2013 wurde dieses Programm über den Inter­net­an­schluss des Beklagten von unbekannten Dritten zum Download angeboten. Daraufhin folgte schnell eine Abmahnung des Software­an­bieters an den WLAN-Betreiber  mit der Auffor­derung, sich zur Unter­lassung zu verpflichten und dann, wenn so etwas jemals wieder vorkommen sollte, eine hohe Vertrags­strafe zu zahlen. Außerdem verlangte der Software­an­bieter die Abmahnkosten.

Anders als viele andere Unter­nehmen unterwarf sich der WLAN-Betreiber nicht. Der Rechts­streit wogte durch die Instanzen. Während der Prozess anhängig war, änderte sich 2017 der Rechts­rahmen: Die Störer­haftung fiel.

Der BGH hat deswegen am 26.7.2018 auf Betreiben des WLAN-Anbieters die Klage auf Unter­lassung des Spieler­an­bieters abgewiesen. Aller­dings bleibt der WLAN-Anbieter auf den Abmahn­kosten sitzen. Begründung: Zum Zeitpunkt der Abmahnung 2013 waren diese begründet. In Hinblick auf die Unter­las­sungs­ver­pflichtung kommt es darauf aber nicht an, denn dann, wenn etwas zum Zeitung der Revisi­ons­ent­scheidung nicht mehr verboten ist, kann keine entspre­chende Entscheidung ergehen.

Inter­essant ist aller­dings, dass der BGH davon ausgeht, dass der Spiele­an­bieter durchaus einen Anspruch darauf haben könnte, dass der WLAN-Anbieter die Nutzer regis­triert, den Zugang zum Netz mit einem Passwort verschlüsselt oder den Zugang auch im äußersten Fall komplett sperrt. Ob ein solcher Anspruch im hier entschie­denen Fall infrage kommt, ist auf der Basis der bisher vorlie­genden Sachver­halts­in­for­ma­tionen aber noch nicht klar. Das haben die unteren Instanzen nicht festge­stellt, weil es bisher ja auf diese Frage auch gar nicht ankam. Hier soll nun das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Düsseldorf nochmals aktiv werden. Der BGH hat die Sache deswegen ans OLG zurückverwiesen.

Damit bleibt es spannend. Die Praxis fragt sich nach wie vor, ob eine Vorschalt­seite mit Anmeldung erfor­derlich ist, oder ein schneller, anonymer Zugang mit einem Klick, so wie in vielen anderen EU Mitglied­staaten üblich, nicht reicht. Doch die Recht­spre­chung macht es weiter spannend. Endgültige Klärung steht weiter aus.

2018-07-26T21:08:46+02:0026. Juli 2018|Digitales, Wettbewerbsrecht|