Ich biete Ihnen eine Wette an. Sie gehen auf eine beliebige Konferenz, die etwas mit Energie zu tun hat. In der Pause holen Sie sich einen Kaffee. Sie stellen sich an einen Tisch mit beliebigen fremden Leuten, warten ab, bis der erste „CO2-Mindestpreis“ sagt und fragen einfach mal nach, wie der eigentlich so ganz genau aussehen soll. Nicht die Höhe, sondern der genaue Regelungsmechanismus. Ich wette eine Tafel bester italienischer Schokolade: Sie hören nichts. Oder nur so ganz allgemeine Ausführungen, die mit der Talfahrt der Emissionshandelskurse beginnen und im Ungefähren enden.
Wieso überhaupt ein Mindestpreis?
Präzise an den vermutlich ziemlich wolkigen Ausführungen ist vermutlich nur der Beginn. Tatsächlich sollte der Emissionshandel zu CO2-Preisen führen, die höher sein sollten als der Preis für technische Minderungsmaßnahmen. Zumindest einige Unternehmen sollten eher umbauen als Zertifikate kaufen. Nach ganz landläufiger Meinung hat das aber nicht funktioniert: Für die ungefähr 8 EUR, die ein Zertifikat heute kostet, kann in der EU keine Tonne CO2 eingespart werden. Das DIW ging in einer Studie 2014 davon aus, dass bei 20 EUR/Zertifikat emissionsarmes Erdgas günstiger wäre als Steinkohle, und bei 40 EUR/Zertifikat Erdgas die emissionsintensive Braunkohle verdrängen könnte.
Nun wird die Gesamtmenge an Zertifikaten, die neu ausgegeben werden, immer geringer. Aber es sind noch so viele Zertifikate vorhanden, dass niemand ganz sicher sein kann, dass ein strammer Minderungspfad von künftig 2,2% p.a. und die Marktstabilitätsreserve ausreichen, um die Kurse nach oben zu treiben. Deswegen ist seit einiger Zeit der Mindestpreis für CO2 in aller Munde. Er soll auch dann ein bestimmtes Preisniveau gewährleisten, wenn das schiere Verhältnis von Angebot und Nachfrage das eigentlich nicht hergeben.
Lauter offene Fragen
Aber wie soll das aussehen? Die Zertifikate werden zumindest bis 2030 zum Teil kostenlos von der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) ausgegeben. Teilweise versteigert. Bei diesen Versteigerungen an der Leipziger Strombörse kann man sich einen gesetzlich festgelegten Mindestpreis noch am ehesten vorstellen. Dies setzt aber voraus, dass für alle anderen Transaktionen zwischen Privaten auch ein Mindestpreis gelten würde. Aber gilt das dann für alle? Wie ginge man mit Preiseffekten für Industrie und Verbraucher um? Wo würde das Geld landen? Auf alle diese Fragen gibt es in der allgemeinen Diskussion in Deutschland kaum Antworten, hier wird mehr über die Höhe der Preise spekuliert. Für Details wird allenfalls auf das britische Modell verwiesen.
Wie machen es die Briten?
Schaut man sich dieses britische Modell an, so ist man erstaunt. Es handelt sich nicht um eine Mindestpreisanordnung im wörtlichen Sinne, sondern um eine Steuer. Genauer gesagt: Um einen Aufschlag auf die Energiesteuer CCL, die differenziert nach Energieträgern erhoben wird. Die Steuer wird vom Verkäufer des fossilen Brennstoffs abgeführt, wenn er an Unternehmen verkauft, die den Brennstoff in einer stromerzeugenden Anlage (nicht: kleine KWK) einsetzen.
Dass dieser Steueraufschlag CPSR einen Mindestpreis darstellt, ergibt sich aus der Festsetzung der Höhe. Das britische Finanzministerium setzt ihn zwei Jahre im Voraus auf eine Höhe fest, die die Differenz zwischen den erwarteten CO2-Preisen und dem CO2-Preis, den das Finanzministerium für richtig hält, abbildet. Derzeit liegt der Zielpreis bei 18 GBP.
Was wird derzeit in Deutschland diskutiert?
Tatsächlich verschleiert das Buzzword vom „Mindestpreis“, dass es auch in Deutschland wohl um eine Steuer gehen wird, entweder auf fossile Brennstoffe, oder auf Emissionsberechtigungen oder auf die Emission selbst.
Die Steuer auf die Zertifikate favorisieren die GRÜNEN, die einen entsprechenden Gesetzesentwurf bereits 2013 vorgestellt hatten. Besteuert werden sollte der Verbrauch, außer, es handelt sich um kostenlos zugeteilte Zertifikate. Ganz ähnlich würde sich eine Steuer auf das von emissionshandelspflichtigen Anlagen emittierte CO2 selbst auswirken. Auch hier würde auf die Berichte abgestellt, die jährlich eingereicht werden, und die kostenlose Zuteilung als privilegiert abgezogen. Etwas anders würde sich eine Brennstoffsteuer auswirken. Hier könnte eine heute bestehende Ausnahme gestrichen und der Steuersatz für die Stromerzeugung wie in UK einem Zielwert angepasst werden.
Handelt es sich bei der ganzen Diskussion um „Mindestpreise“ damit nur um eine verschämte Umschreibung einer neuen Steuer? Nicht ganz, wenn man der jüngst veröffentlichten Studie des Freiburger Ökö-Instituts im Auftrag des WWF Glauben schenkt: Die Forscher begründen auf S. 22, wieso sie nicht auf Mindestpreise bei den – ja sowieso vorgesehenen – Auktionierungen von Zertifikaten setzen. Diese würden nämlich eine Änderung der Emissionshandelsrichtlinie erfordern.
Doch ist diese nicht gerade sowieso geändert und just am 19.03.2018 sozusagen taufrisch veröffentlicht worden? Wieso hat man nicht im Zuge der ohnehin recht tiefgreifenden Anpassungen auf ein Mindestpreismodell gesetzt? Hier scheint eine Ausweichbewegung stattgefunden zu haben: Weil man auf EU-Ebene einen „echten“ Mindestpreis nicht durchsetzen konnte, will man nun in Deutschland oder gemeinsam mit anderen für Klimathemen aufgeschlossenen Mitgliedstaaten eine CO2-Steuer einführen, aber sie nicht so nennen. Wähler reagieren auf neue Umweltsteuern nämlich ziemlich allergisch.
Steuern und Schokolade
Wenn also auf der nächsten Tagung jemand zu Ihnen kommt und Sie fragt, wie der CO2-Mindestpreis genau funktionieren soll, dann sagen Sie laut: Es handelt sich um eine Steuer. Oh, oder Sie sagen nichts, denken sich Ihren Teil und teilen sich mit dem Frager meine Tafel Schokolade.
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