Die Zukunft der Ersatzversorgung

Das Beste zuerst: In Deutschland verliert man nicht seine Strom­ver­sorgung, wenn der Strom­lie­ferant insolvent wird oder die Versorgung aus anderen Gründen beendet. In diesen Fällen greift der Ersatz­ver­sor­gungs­an­spruch nach § 38 EnWG (ausführ­licher hier). Praktisch läuft der Strom einfach weiter, nur dass nicht mehr der selbst gewählte Versorger Rechnungen schickt, sondern der örtliche Grund­ver­sorger bis der Kunde sich für einen anderen Liefe­ranten oder Tarif entscheidet.

Bislang darf für die Versorgung von Haushalts­kunden nicht mehr als der Grund­ver­sor­gungs­tarif berechnet werden, vgl. § 38 Abs. 1 Satz 3 EnWG. Doch angesichts der hohen Preise für die Beschaffung rumort es seit geraumer Zeit. So streiten u. a. Verbrau­cher­ver­bände und Versorger vor verschie­denen Gerichten um die Frage, ob die treuen Kunden die kurzfristige Beschaffung sehr teurer Energie­mengen eigentlich mit bezahlen müssen (wir berich­teten bereits mehrfach).

Diesem Problem und einigen anderen Heraus­for­de­rungen, die mit der Ersatz­ver­sorgung verbunden sind, will sich das Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium (BMWK) nun stellen. Es sieht in seinem Entwurf für eine Novelle des EnWG nun zum einen die Klarstellung vor, dass auch für Haushalts­kunden, die in die Ersatz­ver­sorgung fallen, erhöhte  Vertriebs­kosten und Beschaf­fungs­kosten ohne Einhaltung einer Ankün­di­gungs­frist berück­sichtigt werden dürfen. Es besteht eine Ausweis­pflicht. Nach drei Monaten, wenn die Ersatz­ver­sorgung endet, können die Kunden aber in die Grund­ver­sorgung ohne diese Aufschläge wechseln.

Reichstag, Berlin, Regierung, Glaskuppel, Gebäude

Korre­spon­dierend zu dieser verüber­ge­henden fakti­schen Schlech­ter­stellung wertet der Entwurfs­ver­fasser den Schadens­er­satz­an­spruch gegenüber dem vertrags­brü­chigen bishe­rigen Liefe­ranten auf. Dieser haftet bereits bisher wegen Nicht­er­füllung einer vertrag­lichen Pflicht und müsste daraus die Differenz zwischen dem verein­barten Preis und dem Ersatz­ver­sor­gungs­tarif tragen. Der Entwurf der EnWG-Novelle sieht nun vor, dass dieser Anspruch laut einem neuen § 41b Absatz 5 mindestens 160 EUR beträgt. Dies ist hilfreich, weil es dem Kunden Nachweis­aufwand abnimmt, hilft aber nicht im Insol­venzfall. Dies gilt auch für eine weitere Neuerung, die der Entwurf vorsieht: Wer die Lieferung einstellt, soll dies drei Monate vorher ankün­digen (Miriam Vollmer).

2022-03-23T01:20:26+01:0023. März 2022|Energiepolitik, Gas, Strom, Vertrieb|

Redis­patch 2.0: Was ist neu für EEG- und KWK-Anlagen?

In wenigen Tagen geht es los: Der in der Novelle des Netzausbau-Beschleu­ni­gungs­ge­setzes (NABEG) von 2019 vorge­sehene Redis­patch 2.0 soll ab dem 1. Oktober 2021 die Stabi­lität der Strom­netze weiter verbessern, unter anderem, weil der Ausbau der Übertra­gungs­netze stottert, während der Strom aus volatil erzeu­genden EE-Anlagen zunimmt. Während bisher nur relativ große konven­tio­nelle Erzeu­gungs­an­lagen und Übertra­gungs­netz­be­treiber in die stabi­li­täts­be­zogene Steuerung der Kraft­werks­ein­satz­planung über „Kraft­werks­pärchen“ einge­bunden waren, ändert sich dies künftig: „Neu“ im Redis­patch 2.0 sind die Verteil­netz­be­treiber (hierzu demnächst hier mehr). Aber auch viele Anlagen­be­treiber sind erstmals Adres­saten von Maßnahmen nach den §§ 13, 13a und 14 EnWG. Details regeln drei Festle­gungen der Bundes­netz­agentur (BNetzA) (BK6-20–059, BK6-20–060 und BK6-20–061).

Für die bisher nicht erfassten Anlagen löst Redis­patch 2.0 das bisherige Einspei­se­ma­nagement ab. Redis­patch 2.0 hat also deutlich mehr Adres­saten als bisher. Erfasst sind künftig alle Strom­erzeu­gungs­an­lagen von 100 kW elektrische Leistung an. Anlagen, die Erneu­erbare Energien verwenden, sind nun ebenfalls ins Redis­patch einbe­zogen wie KWK-Anlagen auch. Anlagen, die durch einen Netzbe­treiber gesteuert werden können, sind sogar unabhängig von ihrer Leistung einbezogen.

Die neu erfassten EEG- und KWK-Anlagen verlieren also neben der Umstellung des Abrufs entlang der Vortags­pro­gnosen den bisher geltenden Vorteil, immer erst dann abgeregelt zu werden, wenn Redis­patch­maß­nahmen nicht gegriffen haben. Doch auch innerhalb des Redis­patch 2.0 sind sie privi­le­giert: Auf KWK-Anlagen wird erst zurück­ge­griffen, wenn die Abregelung fünfmal günstiger ist als bei Zugriff auf eine konven­tionele Anlage. Für EEG-Anlagen gilt das sogar erst dann, wenn der Zugriff zehnmal günstiger ist. Doch gleichwohl bleibt festzu­halten: Die Privi­le­gierung von EEG-Anlagen im Vergleich EinsMan vs. Resdis­patch 2.0 nimmt deutlich ab, was sich auch an der Ausfall­ver­gütung zeigt: Während bisher der Netzbe­treiber die entgan­genen Einnahmen komplett ausge­zahlt hat, wird nun nur noch die Markt­prämie vom Netzbe­treiber gezahlt. Um den Rest muss sich der Anlagen­be­treiber selbst kümmern und sich vertraglich die an den Direkt­ver­markter geflos­senen Börsen­erlöse für die Ausfall­arbeit sichern. Hier besteht Konfliktpotential.

Windräder, Strommast, Weinberg, Landschaft

Für die Anlagen­be­treiber ergeben sich aus den neuen Regelungen zusätz­liche Handlungs­ver­pflich­tungen. Sie müssen zunächst entweder selbst als Einsatz­ver­ant­wort­licher (EIV) und Betreiber der techni­schen Ressource (BTR) fungieren oder schalten einen oder mehrere Dienst­leister ein. Handelt es sich um EEG-Anlagen­be­treiber in der Direkt­ver­marktung, so mussten sie die Vertragslage mit dem Direkt­ver­markter anpassen und einige Entschei­dungen treffen, wie etwa die Bestimmung der Abrech­nungs­va­riante für die Ausfall­arbeit, die Zuordnung zum Progno­se­modell oder zum Planwert­modell, die Entscheidung, ob der Anlagen­be­treiber selbst regelt (Auffor­de­rungsfall) oder die Regelung durch den Netzbe­treiber duldet (Duldungsfall) und die Sicher­stellung der Daten­ver­füg­barkeit. Insgesamt steigen die Anfor­de­rungen an den Daten­aus­tausch, weil Stamm­daten, Planungs­daten und Nicht­ver­füg­bar­keiten gemeldet werden mussten bzw. fortlaufend gemeldet werden müssen.

2021-09-24T17:49:24+02:0024. September 2021|BNetzA, Erneuerbare Energien, Strom|

Änderung im EnWG: Wenn der Versorger nicht abrechnen will

Wir hatten erst neulich hier darüber berichtet, dass der Gesetz­geber im Zuge der letzten Novel­lierung des Energie­wirt­schafts­ge­setzes eine bisher besondere Regelung aus der gesetz­lichen Grund­ver­sorgung zur Fälligkeit von Entgelt­for­de­rungen aus Energie­lie­fe­rungen nunmehr mit den neuen § 40c EnWG auf alle übrigen Liefer­ver­hält­nisse ausge­weitet hat. Das hat zur Folge, dass Zahlungs­for­de­rungen eines Energie­ver­sorgers nicht fällig werden – und damit auch nicht verjähren – solange keine Abrechnung erfolgt.

Man könnte nun meinen, dies sei unpro­ble­ma­tisch, da Versorger ihrer­seits an einer zeitnahen Abrechnung inter­es­siert sein dürften, um für ihre Leistung bezahlt zu werden. Es gibt in der Praxis jedoch tatsächlich regel­mäßig Fälle, in denen der Versorger sich mit der Abrechnung übermäßig Zeit lässt oder diese sogar über längere Zeiträume vergisst. In dieser Situation schwebt das Damokles­schwert der Forderung unbekannter Höhe weiterhin über dem betrof­fenen Letzt­ver­braucher ohne das die sonst übliche Verjährung irgendwann Rechts­frieden herstellen würde.

Der Gesetz­geber hat diesem Umstand zwar durch eine zeitnahe gesetz­liche Abrech­nungs­pflicht des Versorgers in § 40b EnWG EnWG Rechnung getragen – die Recht­spre­chung geht jedoch davon aus, dass ein entspre­chender Verstoß des Versorgers keine Auswirkung auf die (Nicht)verjährung der nicht abgerech­neten Lieferung hat (vgl. BGH,17.07.2019, VIII ZR 224/18)

Das bedeutet nun aber nicht, dass Versorger die Abrech­nungs­pflicht nach § 40b EnWG getrost ignorieren dürften. Im Rahmen der Änderung des EnWG gab es auch eine Erwei­terung des § 41 EnWG, der grund­sätz­liche Vorgaben für den Mindest­inhalt von Energie­lie­fer­ver­trägen mit Letzt­ver­brau­chern enthält.

Eine dieser Vorgaben lautete bisher:

Verträge über die Belie­ferung von Letzt­ver­brau­chern mit Energie müssen einfach und verständlich sein. Die Verträge müssen insbe­sondere Angaben enthalten über:

(…)

8. Haftungs- und Entschä­di­gungs­re­ge­lungen bei Nicht­ein­haltung vertraglich verein­barter Leistungen,

Diese Vorgabe wurde nun erweitert und lautet jetzt:

Verträge über die Belie­ferung von Letzt­ver­brau­chern mit Energie müssen einfach und verständlich sein. Die Verträge müssen insbe­sondere Angaben enthalten über:

(…)

8. Haftungs- und Entschä­di­gungs­re­ge­lungen bei Nicht­ein­haltung vertraglich verein­barter Leistungen, wozu auch ungenaue oder verspätete Abrech­nungen zählen,

Die verspätete Abrechnung begründet somit nach Ansicht des Gesetz­gebers einen Haftungsfall, dessen Entschä­digung in Energie­lie­fer­ver­trägen künftig dem Grunde nach geregelt sein muss. Energie­ver­sorger sollten ihre bishe­rigen Vertrags­muster dem entspre­chend anpassen.

(Christian Dümke)

2021-08-24T20:43:07+02:0024. August 2021|Grundkurs Energie, Vertrieb|