Änderungen an EnWG und EEG

Die Sommer­pause neigt sich dem Ende zu, und der Gesetz­geber dreht noch einmal auf. Mit Referen­ten­entwurf vom 28.08.2024 will das Wirtschafts­mi­nis­terium einige lange erwartete Änderungen am Energie­recht nun noch in der laufenden Legis­la­tur­pe­riode umsetzen. Uns sind neben der Erwei­terung des Bundes­be­darfs­plans folgende Punkte besonders aufgefallen:

Wichtig für die Praxis sind die geplanten Änderungen des Verbrau­cher­schutz­rechts. Besonders markant: Versor­gungs­un­ter­bre­chungen werden nach einem neuen § 41f EnWG noch schwie­riger. Für Versorger kann das bedeuten, dass trotz erheb­licher Rückstände und abseh­baren weiteren Zahlungs­schwie­rig­keiten die Versorgung nicht einge­stellt werden kann, ohne dass schwierige Abwägungen anstehen.
Ein neuer § 42c soll die gemeinsame Nutzung von Strom aus erneu­er­baren Energien regeln und erleichtern. Die Regelung hat besondere Relevanz für die Aufdach-PV. Wer als Letzt­ver­braucher eine solche Anlage betreibt, soll mit anderen Letzt­ver­brau­chern, also etwa Kunden aus der Nachbar­schaft, Familie oder Freunden den Strom teilen können, ohne sofort alle Pflichten eines Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmens auf der Agenda zu haben. Dabei soll es nicht darauf ankommen, dass man im selben Haus sitzt, es soll reichen, wenn man im gleichen Bilan­zie­rung­gebiet eines Netzbe­treibers bezieht. Ab 2028 sogar im Bilan­zie­rungs­gbiet eines angren­zenden Netzbe­treibers. Eine Vollver­sor­gungs­pflicht soll nach dem neuen § 42c Abs. 5 EnWG nicht bestehen.  Der mit nutzende Letzt­ver­braucher schließt also einen weiteren Strom­lie­fer­vertrag. Dabei sind die ansonsten geltenden gesetz­lichen Versor­ger­pflichten deutlich einge­schränkt, wenn nur Haushalts­kunden aus einer Anlage mit einer Leistung von weniger als 30 kW versorgt werden, oder bei Nutzung innerhalb eines Gebäudes die Anlage nicht mehr als 100 kW aufweist.
Weiter will der Gesetz­geber eine Lücke schließen, die in den letzten Jahren immer relevanter geworden ist: durch einen neuen § 8a EEG soll es spezielle Regeln für die Anschluss­re­ser­vierung von EE-Anlagen und Speichern geben. Damit schafft der Gesetz­geber erstmals einen Anspruch auf die Reser­vierung von Netzan­schluss­ka­pa­zi­täten. Voraus­setzung sind objektive, trans­pa­rente und diskri­mi­nie­rung­freie Kriterien für die Reser­vierung. Diese sollen als gemeinsame Branchen­lösung neun Monate nach Inkraft­treten der Norm der Bundes­netz­agentur kommu­ni­ziert werden.
Derzeit läuft die Verband­s­an­hörung. Der Entwurf ist auch in der Regierung noch nicht abgestimmt. Im September geht es weiter. (Miriam Vollmer).
2024-08-30T00:20:04+02:0030. August 2024|Energiepolitik|

Die Zukunft der Ersatzversorgung

Das Beste zuerst: In Deutschland verliert man nicht seine Strom­ver­sorgung, wenn der Strom­lie­ferant insolvent wird oder die Versorgung aus anderen Gründen beendet. In diesen Fällen greift der Ersatz­ver­sor­gungs­an­spruch nach § 38 EnWG (ausführ­licher hier). Praktisch läuft der Strom einfach weiter, nur dass nicht mehr der selbst gewählte Versorger Rechnungen schickt, sondern der örtliche Grund­ver­sorger bis der Kunde sich für einen anderen Liefe­ranten oder Tarif entscheidet.

Bislang darf für die Versorgung von Haushalts­kunden nicht mehr als der Grund­ver­sor­gungs­tarif berechnet werden, vgl. § 38 Abs. 1 Satz 3 EnWG. Doch angesichts der hohen Preise für die Beschaffung rumort es seit geraumer Zeit. So streiten u. a. Verbrau­cher­ver­bände und Versorger vor verschie­denen Gerichten um die Frage, ob die treuen Kunden die kurzfristige Beschaffung sehr teurer Energie­mengen eigentlich mit bezahlen müssen (wir berich­teten bereits mehrfach).

Diesem Problem und einigen anderen Heraus­for­de­rungen, die mit der Ersatz­ver­sorgung verbunden sind, will sich das Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium (BMWK) nun stellen. Es sieht in seinem Entwurf für eine Novelle des EnWG nun zum einen die Klarstellung vor, dass auch für Haushalts­kunden, die in die Ersatz­ver­sorgung fallen, erhöhte  Vertriebs­kosten und Beschaf­fungs­kosten ohne Einhaltung einer Ankün­di­gungs­frist berück­sichtigt werden dürfen. Es besteht eine Ausweis­pflicht. Nach drei Monaten, wenn die Ersatz­ver­sorgung endet, können die Kunden aber in die Grund­ver­sorgung ohne diese Aufschläge wechseln.

Reichstag, Berlin, Regierung, Glaskuppel, Gebäude

Korre­spon­dierend zu dieser verüber­ge­henden fakti­schen Schlech­ter­stellung wertet der Entwurfs­ver­fasser den Schadens­er­satz­an­spruch gegenüber dem vertrags­brü­chigen bishe­rigen Liefe­ranten auf. Dieser haftet bereits bisher wegen Nicht­er­füllung einer vertrag­lichen Pflicht und müsste daraus die Differenz zwischen dem verein­barten Preis und dem Ersatz­ver­sor­gungs­tarif tragen. Der Entwurf der EnWG-Novelle sieht nun vor, dass dieser Anspruch laut einem neuen § 41b Absatz 5 mindestens 160 EUR beträgt. Dies ist hilfreich, weil es dem Kunden Nachweis­aufwand abnimmt, hilft aber nicht im Insol­venzfall. Dies gilt auch für eine weitere Neuerung, die der Entwurf vorsieht: Wer die Lieferung einstellt, soll dies drei Monate vorher ankün­digen (Miriam Vollmer).

2022-03-23T01:20:26+01:0023. März 2022|Energiepolitik, Gas, Strom, Vertrieb|

Redis­patch 2.0: Was ist neu für EEG- und KWK-Anlagen?

In wenigen Tagen geht es los: Der in der Novelle des Netzausbau-Beschleu­ni­gungs­ge­setzes (NABEG) von 2019 vorge­sehene Redis­patch 2.0 soll ab dem 1. Oktober 2021 die Stabi­lität der Strom­netze weiter verbessern, unter anderem, weil der Ausbau der Übertra­gungs­netze stottert, während der Strom aus volatil erzeu­genden EE-Anlagen zunimmt. Während bisher nur relativ große konven­tio­nelle Erzeu­gungs­an­lagen und Übertra­gungs­netz­be­treiber in die stabi­li­täts­be­zogene Steuerung der Kraft­werks­ein­satz­planung über „Kraft­werks­pärchen“ einge­bunden waren, ändert sich dies künftig: „Neu“ im Redis­patch 2.0 sind die Verteil­netz­be­treiber (hierzu demnächst hier mehr). Aber auch viele Anlagen­be­treiber sind erstmals Adres­saten von Maßnahmen nach den §§ 13, 13a und 14 EnWG. Details regeln drei Festle­gungen der Bundes­netz­agentur (BNetzA) (BK6-20–059, BK6-20–060 und BK6-20–061).

Für die bisher nicht erfassten Anlagen löst Redis­patch 2.0 das bisherige Einspei­se­ma­nagement ab. Redis­patch 2.0 hat also deutlich mehr Adres­saten als bisher. Erfasst sind künftig alle Strom­erzeu­gungs­an­lagen von 100 kW elektrische Leistung an. Anlagen, die Erneu­erbare Energien verwenden, sind nun ebenfalls ins Redis­patch einbe­zogen wie KWK-Anlagen auch. Anlagen, die durch einen Netzbe­treiber gesteuert werden können, sind sogar unabhängig von ihrer Leistung einbezogen.

Die neu erfassten EEG- und KWK-Anlagen verlieren also neben der Umstellung des Abrufs entlang der Vortags­pro­gnosen den bisher geltenden Vorteil, immer erst dann abgeregelt zu werden, wenn Redis­patch­maß­nahmen nicht gegriffen haben. Doch auch innerhalb des Redis­patch 2.0 sind sie privi­le­giert: Auf KWK-Anlagen wird erst zurück­ge­griffen, wenn die Abregelung fünfmal günstiger ist als bei Zugriff auf eine konven­tionele Anlage. Für EEG-Anlagen gilt das sogar erst dann, wenn der Zugriff zehnmal günstiger ist. Doch gleichwohl bleibt festzu­halten: Die Privi­le­gierung von EEG-Anlagen im Vergleich EinsMan vs. Resdis­patch 2.0 nimmt deutlich ab, was sich auch an der Ausfall­ver­gütung zeigt: Während bisher der Netzbe­treiber die entgan­genen Einnahmen komplett ausge­zahlt hat, wird nun nur noch die Markt­prämie vom Netzbe­treiber gezahlt. Um den Rest muss sich der Anlagen­be­treiber selbst kümmern und sich vertraglich die an den Direkt­ver­markter geflos­senen Börsen­erlöse für die Ausfall­arbeit sichern. Hier besteht Konfliktpotential.

Windräder, Strommast, Weinberg, Landschaft

Für die Anlagen­be­treiber ergeben sich aus den neuen Regelungen zusätz­liche Handlungs­ver­pflich­tungen. Sie müssen zunächst entweder selbst als Einsatz­ver­ant­wort­licher (EIV) und Betreiber der techni­schen Ressource (BTR) fungieren oder schalten einen oder mehrere Dienst­leister ein. Handelt es sich um EEG-Anlagen­be­treiber in der Direkt­ver­marktung, so mussten sie die Vertragslage mit dem Direkt­ver­markter anpassen und einige Entschei­dungen treffen, wie etwa die Bestimmung der Abrech­nungs­va­riante für die Ausfall­arbeit, die Zuordnung zum Progno­se­modell oder zum Planwert­modell, die Entscheidung, ob der Anlagen­be­treiber selbst regelt (Auffor­de­rungsfall) oder die Regelung durch den Netzbe­treiber duldet (Duldungsfall) und die Sicher­stellung der Daten­ver­füg­barkeit. Insgesamt steigen die Anfor­de­rungen an den Daten­aus­tausch, weil Stamm­daten, Planungs­daten und Nicht­ver­füg­bar­keiten gemeldet werden mussten bzw. fortlaufend gemeldet werden müssen.

2021-09-24T17:49:24+02:0024. September 2021|BNetzA, Erneuerbare Energien, Strom|