Das Öko-Institut zu CO2-Steuer oder Handel: Was bedeutet das praktisch?

Es ist inzwi­schen Konsens, dass auch in den bisher vom Emissi­ons­handel nicht erfassten Sektoren Gebäude und Verkehr effizi­entere Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Klima­ziele zu erreichen. Denn während Energie Wirtschaft und Industrie durch den europäi­schen Emissi­ons­handel deutlich weniger CO2 emittieren als vor dessen Einführung 2005, stagnieren die Emissionen der bisher nicht regulierten Sektoren oder nehmen sogar zu.

Aktuell werden als Regelungs­al­ter­na­tiven sowohl eine CO2-Steuer als auch die Einführung eines Emissi­ons­handels auch für diese von der europäi­schen Emissi­ons­han­dels­richt­linie 2003/87/EU nicht erfassten Sektoren disku­tiert. Die Debatte, welches Instrument vorteil­hafter und für den Bürger weniger belastend ist, wird dabei bisher insbe­sondere entlang der Frage geführt, wie sich ein solches System auswirken würde. Die Frage, wie man sich die Einführung entweder einer Steuer oder eines Emissi­ons­handels praktisch vorzu­stellen hat, wurde aller­dings bisher wenig disku­tiert. Diese Leerstelle hat das Öko–Institut im Auftrag der Agora Energie­wende nun geschlossen.

Das Ökoin­stitut ist für diese Bewertung präde­sti­niert, weil es den europäi­schen Emissi­ons­handel seit seinem Start intensiv begleitet. Welche Aufwände in prakti­scher Hinsicht mit dem Aufbau einer adminis­tra­tiven und regula­to­ri­schen Struktur für ein solches Handels­system sowohl auf Seiten des Staates, als auch auf Seiten der adres­sierten Unter­nehmen verbunden sind, ist damit bei den Gutachtern bekannt. Schließlich läuft so ein System nicht einfach so. Berichts – und Abgabe­pflichten müssen geschaffen werden. Es muss eine Behör­den­struktur geben, die Verstöße überwacht, Zerti­fikate ausgibt und einsammelt. Die Abgrenzung zu den Emissionen des EU – Emissi­ons­handels muss sicher funktio­nieren. Die Unter­nehmen, die bisher noch nie mit dem Emissi­ons­handel zu tun hatten, müssen sich auf das neue Instrument einstellen.

Was für das Gutachten einnimmt: Das Ökoin­stitut deckt eine Vielzahl unter­schied­licher denkbarer Ausge­stal­tungen eines Gebäude – und Verkehrs­emis­si­ons­handels ab. Sowohl ein mit dem EUETS verbun­dener oder auf Annäherung ausge­legter Emissi­ons­handel, als auch ein solitäres deutsches System finden ebenso Nieder­schlag, wie unter­schied­liche verwal­tungs­tech­nische Anknüp­fungs­punkte für die Berichts- und Abgabe­pflicht. Diese Breite bedingt auch eine gewisse Bandbreite im Hinblick auf die Ergeb­nisse. Der Tenor dieser Ergeb­nisse ist aber klar: Ein solitärer Emissi­ons­handel könnte in ungefähr zwei bis drei Jahren einge­führt werden. Ein mit dem europäi­schen Instrument sinnvoll verbind­barer Emissi­ons­handel würde eher drei bis vier Jahre beanspruchen. Eine Erwei­terung des EU – System selbst würde wohl fünf Jahre oder mehr kosten.

Angesichts des Umstandes, dass die Klima­ziele bis 2030/2050 schnellere Erfolge voraus­setzen, spricht dies aus Sicht des Gutachtens klar für eine Steuer, die schnell einge­führt werden könnte.

2019-08-27T15:55:18+02:0027. August 2019|Emissionshandel, Energiepolitik, Umwelt|

Streit um Quecksilber

In doch eher seltener Einmü­tigkeit wendet sich eine Reihe von Verbänden gegen ein Arbeits­papier des Bundes­um­welt­mi­nis­te­riums zur Änderung der 13. Bundes-Imissi­ons­schutz­ver­ordnung (13. BImSchV), die vor allem Schad­stoff­grenz­werte für Großfeue­rungs­an­lagen enthält. Das Papier unter­laufe durch überam­bi­tio­nierte Grenz­wert­vor­schläge für Queck­silber die Beschlüsse der Kohlekommission.Was ist passiert?

Die 2010 erlassene Industrie-Emissi­ons­richt­linie (IED) sieht vor, dass alle acht Jahre neue Grenz­werte für die von der IED erfassten Anlagen gemein­schaftsweit erlassen werden. Diese sollen dann innerhalb von vier Jahren von allen Großfeue­rungs­an­lagen in Europa einge­halten werden. Dieses ehrgeizige Programm wird durch engma­schige Berichts­pflichten flankiert.Für die Großfeue­rungs­an­lagen, also Anlagen mit mindestens 50 MW Feuerungs­wär­me­leistung, ist 2017 das so genannte LCPBREF in Kraft getreten. In den verbind­lichen Schluss­fol­ge­rungen dieses Beschlusses sind Bandbreiten vorge­sehen, die von Europas großen Anlagen bis nunmehr 2021 einzu­halten sind. Hieraus resul­tiert: die 13. BImSchV muss dringend über arbeitet werden.

Bei der Frage, wo innerhalb der gemein­schaftsweit geltenden Bandbreiten nun die Bundes­re­publik ihren Grenzwert findet, hat das feder­füh­rende BMU gewisse Spiel­räume. Es hängt also von einer politi­schen Entscheidung in Deutschland ab, wie anspruchsvoll die Werte ausfallen, und damit: Ob und wer unter den deutschen Kraft­werks­be­treiber seine Anlage unter teilweise erheb­lichem finan­zi­ellen Aufwand nachrüsten oder gar ganz abschalten muss.

Im Hinblick auf Queck­silber hat das Umwelt­mi­nis­terium sich für eine harte Gangart entschieden. Dies wird nun von Seiten der Verbände kriti­siert: Die vorge­se­henen Grenz­werte seien so anspruchsvoll, dass die Anlagen sie selbst mit Nachrüs­tungen nicht mehr stemmen könnten. Sie würden ihre Geneh­mi­gungen verlieren und müssten still­gelegt werden. Auf diese Weise, so der Verdacht, würde das Umwelt­mi­nis­terium versuchen, die aus Sicht der beamteten Umwelt­schützer unzurei­chenden Ergeb­nisse der Kohle­kom­mission auf eigene Faust und weit über den erzielten Konsens hinaus nachzu­bessern. Ein solcher Kohle­aus­stieg durch die kalte Küche sei von den Beschlüssen der Kohle­kom­mission nicht gedeckt, die den Ausstieg nicht 2021, sondern gestreckt bis 2038 vorge­sehen hat.

Bei Gericht käme man mit diesem Argument kaum weiter. Die Kohle­kom­mission konnte schon keine verbind­lichen Beschlüsse fassen, sondern politische Entschei­dungen durch Bundestag und Bundesrat nur vorbe­reiten. Ihr Beschluss ist also nicht verbindlich. Überdies beschäf­tigte sich die Kohle­kom­mission mit dem Kohle­aus­stieg unter dem Aspekt des Klima­schutzes. Der Schutz vor Schad­stoffen, der im BImSchG und seinen Verord­nungen geregelt ist, ist eine andere, keineswegs explizit oder auch nur diffus mitge­re­gelte Materie. Es gibt also keine implizite Garantie, alle deutschen Kohle­kraft­werke bis spätestens 2038 betreiben zu dürfen, völlig egal, was genau aus ihrem Schorn­stein kommt.

Politisch ist der Verweis auf die Kohle­kom­mission aber zumindest teilweise durchaus valide. Werden Beschlüsse, die wie die der Kohle­kom­mission in einem breiten, gesell­schaft­lichen Konsens gefällt werden, auf diese Weise unmit­telbar und bei nächster sich bietender Gelegenheit wieder infrage gestellt, schwächt man solche Möglich­keiten der gesell­schaft­lichen Parti­zi­pation mögli­cher­weise nachhaltig. Damit nimmt die Bundes­re­publik sich für die Zukunft unter Umständen ein Instrument, besonders umstrittene Frage­stel­lungen unter Einbe­ziehung aller relevanten gesell­schaft­lichen Gruppen befrie­digend und dauerhaft aufzulösen.

Selbst verschuldete Flauten

Für Journa­listen bietet die Windener­gie­branche immer wieder Anlass für eingängige Metaphern. Allen voran und auch aktuell wieder ist von „Flaute“ in der Windener­gie­branche die Rede. Das ist kaum verwun­derlich, gilt doch Wind als eins der unzuver­läs­sigsten Natur­er­eig­nisse: Metaphern von „windigen Geschäften“ oder dem „Fähnchen im Wind“ als Symbol für Wechsel­haf­tigkeit und Oppor­tu­nismus sprechen eine klare Sprache. Dies ist im öffent­lichen Bewusstsein tief verankert. Daran ändert auch nicht, wenn gleicher­maßen bekannt ist, dass in einigen Gebieten, am Meer oder auf den Bergen, der Wind so zuver­lässig aus der vorherr­schenden Windrichtung weht, dass sogar die Bäume irgendwann schief wachsen.

Tatsächlich sind die Zeitungen der letzten Wochen voll von Pleiten, Pech und Pannen, was die Windenergie angeht. Der Ausbau der Windenergie sei im ersten Halbjahr 2019 fast zum Erliegen gekommen. Gerade mal 35 neue Anlagen sind in ganz Deutschland dazu gekommen. Dementspre­chend schlecht geht es der Branche. Bereits im Jahr 2017 sind nach der Antwort der Bundes­re­gierung auf eine kleine Bundes­tags­an­frage der LINKEN rund 26.000 Arbeits­plätze abgebaut worden, ohne dass der Trend bisher aufge­halten werden konnte. Aktuell steht in Stuttgart ein promi­nenter Gründer der Branche vor Gericht, um sich wegen Insol­venz­ver­schleppung zu verantworten.

Nun ist der aktuelle Niedergang der Branche nicht natur­ge­geben. Trotz Beibe­haltung der umwelt­po­li­ti­schen Ausbau­ziele sind vielmehr die recht­lichen Rahmen­be­din­gungen und die Akzeptanz in der Bevöl­kerung die begren­zenden Faktoren. Aller­dings ist es auch nicht so ganz einfach, den Schul­digen zu finden: Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die für die drastische Reduzierung des Zuwachses verant­wortlich gemacht werden:

  1. pauschale Abstands­re­ge­lungen, wie in Bayern, die Neupla­nungen fast unmöglich machen
  2. langwierige Geneh­mi­gungs- und Gerichts­ver­fahren mit Klagen von Nachbarn oder Umweltverbänden
  3. ein (missglückter) Versuch, Bürger­en­er­gie­ge­sell­schaften im Ausschrei­bungs­ver­fahren zu privi­le­gieren und dadurch die Akzeptanz zu erhöhen
  4. eine Deckelung des Ausbaus durch die Bundes­netz­agentur (BNetzA) zur Vermeidung von Überkapazitäten
  5. ein weiterhin schlep­pender Ausbau der Netz-Infrastruktur

Zuletzt ist die BNetzA von Branchen­ver­bänden der erneu­er­baren Energie, von den Grünen und dem Land Nieder­sachsen für diese Deckelung kriti­siert worden, insbe­sondere, da sie zuvor auch beim Ausbau der Netzin­fra­struktur gebremst hätte. Der Vizeprä­sident der BNetzA, Peter Franke, entgegnet, dass die Obergrenze in den letzten Jahren ohnehin nicht ausge­schöpft worden sei.

Da der Windener­gie­ausbau für das Erreichen der Klima­ziele weiterhin nötig ist, muss die Politik wieder an Gestal­tungs­fä­higkeit gewinnen. Daher will sich Bundes­wirt­schafts­mi­nister Peter Altmaier Anfang September mit den Branchen­ver­bänden treffen. Es ist zu hoffen, dass die Gründe für den Abwärts­trend zutreffend analy­siert und geeignete Maßnahmen zur Förderung gefunden werden. Sonst heißt es in der Presse wieder: „Viel Wind um nichts“, wetten?

2019-08-23T15:03:24+02:0023. August 2019|Allgemein, Erneuerbare Energien, Strom|