Rechtfertigung der Klimapolitik in Karlsruhe
Wir hatten schon ein paar Mal über die Klagen berichtet, die vor deutschen und europäischen Gerichten anhängig sind. In der F.A.Z. wurde Ende letzten Jahres die lapidare Einschätzung eines unbenannten Verfassungsrechtlers zu einer Verfassungsbeschwerde in Sachen Klimapolitik vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wiedergegeben. Die Klimaklage sei „Quatsch“. Denn normalerweise würden sich Verfassungsbeschwerden gegen konkrete Rechtsakte richten. Hier ginge es aber um die Untätigkeit der Bundesregierung, ihrer Verpflichtung zum Erreichen des 1,5°C‑Ziels nach dem Pariser Übereinkommen nachzukommen.
Nun haben Verfassungsbeschwerden, die von vornherein als sinnlos angesehen werden, in der Regel geringe Chancen von den Richtern in Karlsruhe auch nur inhaltlich bearbeitet zu werden. Von den knapp 3000 Verfassungsbeschwerden, die im Geschäftsjahr 2017 in Karlsruhe erledigt wurden, haben mehr über 2000 sehr wenig Spuren hinterlassen. Sie wurden per Kammerbeschluss ohne Begründung einfach nicht zur Entscheidung angenommen. Bei weiteren knapp 500 wurde der Nichtannahmebeschluss immerhin mit einer Begründung versehen. Von den wenigen verbleibenden, die tatsächlich in der Sache entschieden wurden, hatten nur 19 Erfolg.
Auch Verfassungsbeschwerden, in denen Grundrechte für den Umweltschutz ins Feld geführt wurden, sind in Karlsruhe regelmäßig „verschollen“. Sie wurden oft mit knapper Begründung nicht angenommen. Insofern ist es bereits als Erfolg der Verfassungsbeschwerde zum Klimaschutz verzeichnen, dass laut einer Pressemitteilung eines der klagenden Umweltverbände der Erste Senat die Bundesregierung, den Bundestag und den Bundesrat zur Stellungnahme auffordert. Denn aus rechtlicher Sicht zeigt dies, dass das Gericht die Sache Ernst nimmt und sich die Sache nicht allzu einfach macht. Also den Fall verfassungsrechtlich nicht einfach als „Quatsch“ ansieht. Für die Politik ist es alleine schon ein Novum, sich in Karlsruhe für ihre Klimapolitik am Maßstab der Grundrechte rechtfertigen zu müssen. Insofern tritt hier der Effekt vieler aktivistischer Klagen ein: Die Kläger können nur gewinnen, wenn es ihnen nicht in erster Linie um Recht, sondern um politische Aufmerksamkeit geht.