Selbst verschuldete Flauten
Für Journalisten bietet die Windenergiebranche immer wieder Anlass für eingängige Metaphern. Allen voran und auch aktuell wieder ist von „Flaute“ in der Windenergiebranche die Rede. Das ist kaum verwunderlich, gilt doch Wind als eins der unzuverlässigsten Naturereignisse: Metaphern von „windigen Geschäften“ oder dem „Fähnchen im Wind“ als Symbol für Wechselhaftigkeit und Opportunismus sprechen eine klare Sprache. Dies ist im öffentlichen Bewusstsein tief verankert. Daran ändert auch nicht, wenn gleichermaßen bekannt ist, dass in einigen Gebieten, am Meer oder auf den Bergen, der Wind so zuverlässig aus der vorherrschenden Windrichtung weht, dass sogar die Bäume irgendwann schief wachsen.
Tatsächlich sind die Zeitungen der letzten Wochen voll von Pleiten, Pech und Pannen, was die Windenergie angeht. Der Ausbau der Windenergie sei im ersten Halbjahr 2019 fast zum Erliegen gekommen. Gerade mal 35 neue Anlagen sind in ganz Deutschland dazu gekommen. Dementsprechend schlecht geht es der Branche. Bereits im Jahr 2017 sind nach der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Bundestagsanfrage der LINKEN rund 26.000 Arbeitsplätze abgebaut worden, ohne dass der Trend bisher aufgehalten werden konnte. Aktuell steht in Stuttgart ein prominenter Gründer der Branche vor Gericht, um sich wegen Insolvenzverschleppung zu verantworten.
Nun ist der aktuelle Niedergang der Branche nicht naturgegeben. Trotz Beibehaltung der umweltpolitischen Ausbauziele sind vielmehr die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Akzeptanz in der Bevölkerung die begrenzenden Faktoren. Allerdings ist es auch nicht so ganz einfach, den Schuldigen zu finden: Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die für die drastische Reduzierung des Zuwachses verantwortlich gemacht werden:
- pauschale Abstandsregelungen, wie in Bayern, die Neuplanungen fast unmöglich machen
- langwierige Genehmigungs- und Gerichtsverfahren mit Klagen von Nachbarn oder Umweltverbänden
- ein (missglückter) Versuch, Bürgerenergiegesellschaften im Ausschreibungsverfahren zu privilegieren und dadurch die Akzeptanz zu erhöhen
- eine Deckelung des Ausbaus durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) zur Vermeidung von Überkapazitäten
- ein weiterhin schleppender Ausbau der Netz-Infrastruktur
Zuletzt ist die BNetzA von Branchenverbänden der erneuerbaren Energie, von den Grünen und dem Land Niedersachsen für diese Deckelung kritisiert worden, insbesondere, da sie zuvor auch beim Ausbau der Netzinfrastruktur gebremst hätte. Der Vizepräsident der BNetzA, Peter Franke, entgegnet, dass die Obergrenze in den letzten Jahren ohnehin nicht ausgeschöpft worden sei.
Da der Windenergieausbau für das Erreichen der Klimaziele weiterhin nötig ist, muss die Politik wieder an Gestaltungsfähigkeit gewinnen. Daher will sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Anfang September mit den Branchenverbänden treffen. Es ist zu hoffen, dass die Gründe für den Abwärtstrend zutreffend analysiert und geeignete Maßnahmen zur Förderung gefunden werden. Sonst heißt es in der Presse wieder: „Viel Wind um nichts“, wetten?