Geld für den Kohle­aus­stieg: Der Entwurf des Struk­tur­wan­del­ge­setzes ist da

Manchmal geht schnell: Im Mai hat das Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium Eckpunkte für das geplante Struk­tur­wan­del­gesetz vorgelegt. Nun ist der Entwurf gestern parallel in die Verbän­de­an­hörung und zeitgleich in die Ressort­ab­stimmung gegangen. Offenbar war es dem feder­füh­renden Minis­terium wichtig, diesen Schritt noch vor den anste­henden ostdeut­schen Landtags­wahlen abgeschlossen zu haben. 

Der Entwurf selbst entspricht im Wesent­lichen dem Eckpunk­te­papier vom Mai. Er verteilt den warmen Regen, mit dem über die nächsten 20 Jahre bis zum von der Kohle­kom­mission avisierten endgül­tigen Ausstieg aus der Kohle­ver­stromung 2038 Härten vermieden werden sollen, auf die vom Kohle­aus­stieg betrof­fenen Regionen und eine Reihe von Projekten. Profi­tieren sollen von 14 Milli­arden € die Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, aber daneben auch das Saarland, Nieder­sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Es geht also nicht nur um die Braun­kohle, sondern auch um Stein­koh­le­standorte. Neben dieser Förderung an die Bundes­länder sollen weitere 26 Milli­arden € vor allem in Infra­struktur- und Verkehrs­pro­jekte fließen, die den Regionen eine Zukunft nach der Kohle ermög­lichen sollen.

Das Geld soll fließen, wenn der Kohle­aus­stieg wie geplant kommt. Das Gesetz, das die Abschaltung bzw. den Ausstieg regelt, liegt aller­dings noch nicht vor, da die Gespräche mit den Betrof­fenen derzeit noch laufen. Hier hat der Gesetz­geber also noch etwas zu tun. 

Um das Gesamt­paket besser beurteilen zu können, wäre es wünschenswert gewesen, die Vorschläge der Kohle­kom­mission zusam­men­ge­fasst in einem Paket der Öffent­lichkeit vorzu­legen. Und apropos Öffent­lichkeit: Dass die Verbände nur einen Tag Zeit haben sollen, entwertet die Öffent­lich­keits­be­tei­ligung erheblich. Man scheint im Wirtschafts­mi­nis­terium anzunehmen, dass die Öffent­lichkeit, kanali­siert über die Verbände, ein Gesetz nur zerreden, nicht aber verbessern kann. Dies mag in manchen Fällen zutreffen, aber vielfach erscheint es uns als sinnvoll, die berühmte Schwarm­in­tel­ligenz auch zu nutzen

2019-08-22T09:41:27+02:0022. August 2019|Energiepolitik, Strom|

Schluss mit den Zweijahresverträgen

Seit April ist bekannt, dass das Justiz­mi­nis­terium eine Änderung des Rechts der Allge­meinen Geschäfts­be­din­gungen in den §§ 305 BGB ff. anstrebt. Insbe­sondere lange Bindungen an Fitness­ver­träge und Handy­ver­träge sollen bald der Vergan­genheit angehören. Zwar liegt noch kein offizi­eller Referen­ten­entwurf vor, aber ein Eckpunk­te­papier verdeut­licht die Vorstel­lungen des Minis­te­riums, die sich auch auf viele Energie­lie­fer­ver­träge auswirken würden.

Konkret bestimmt § 309 Nr. 9 BGB heute, dass Dauer­schuld­ver­hältnis, die sich auf die wieder­keh­rende Lieferung oder Erbringung von Waren und Dienst­leis­tungen beziehen, maximal für zwei Jahre abgeschlossen werden dürfen. Die Verlän­ge­rungen dieser Verträge für den Fall, dass nicht gekündigt wird, sind an dieser Stelle auf jeweils ein Jahr begrenzt. Diese Regelung hat auch im Energie­be­reich große Bedeutung, wo sie die Bindungs­frist für Sonder­kun­den­ver­träge im Strom-und Gasver­sor­gung­be­reich begrenzt.

Das Bundes­jus­tiz­mi­nis­terium möchte künftig nur noch Verträge mit einjäh­riger Bindungs­frist zulassen. Auch die automa­tische Verlän­gerung soll begrenzt werden, künftig auf wohl nur noch jeweils drei Monate. Kunden könnten also zwischen verschie­denen Versorgern viel schneller hin-und her wechseln. Das bedeutet: Auch Energie­lie­fer­ver­träge müssen künftig wohl kurzfris­tiger kalku­liert werden. Die Wettbe­werbs­in­ten­sität am ohnehin umkämpften Strom­markt dürfte sich auch dadurch noch einmal erhöhen.

Doch die Geset­zes­än­derung umfasst nicht alle Strom-und Gaslie­fer­ver­träge. Wenn der § 309 BGB nicht anwendbar ist, ist es natur­gemäß auch nicht die dort veran­kerte  Begrenzung. Dies betrifft zum einen den gewerb­lichen Bereich, da § 309 BGB laut § 310 Abs. 1 BGB nur Verbraucher erfasst. Zum anderen sind alle indivi­duell ausge­han­delten und gerade nicht für die Anwendung in vielen Fällen vorfor­mu­lierten Klauseln nicht betroffen, § 305b BGB. Aller­dings liegen solche Indivi­du­al­re­ge­lungen deutlich seltener vor, als viele Markt­ak­teure glauben. Und nicht zuletzt der immer wichtigere Bereich der Fernwärme ist wegen der Geltung der AVBFern­wärmeV ohnehin außen vor, die eine zehnjährige Mindest­laufzeit des ersten und fünfjährige Vertrags­lauf­zeiten aller weiteren Verträge erlaubt.

Die CDU hat bereits ihr grund­sätz­liches Einver­ständnis mit dieser Änderung aus dem von der SPD geführten Justiz­mi­nis­terium signa­li­siert. Gegenwind kommt wohl nur von der FDP, so dass die Neure­gelung schon fast beschlossene Sache sein dürfte. Die Branche muss also neu rechnen und ein scharfes Auge auf die Übergangs­re­ge­lungen haben, die laufende Verträge betreffen.

2019-08-21T17:52:18+02:0021. August 2019|Gas, Strom, Wärme|

Der faktische Versammlungsleiter

Die Versamm­lungs­freiheit ist nach dem Grund­gesetz ein sehr hohes Gut. So hoch, dass die Anmeldung einer Demons­tration unter­bleiben darf, die aus aktuellem Anlass spontan einbe­rufen wurde. In allen anderen Fällen fordert das Versamm­lungs­gesetz, Versamm­lungen unter freiem Himmel mindestens 48 Stunden vorher anzumelden.

Wenn sich also Aktivisten mit einem Trans­parent an eine Neckar­brücke in Heilbronn hängen, um gegen Atomtrans­porte zu demons­trieren, ist dies ohne vorherige Anmeldung nach § 14 Versamm­lungs­gesetz (VersG) unzulässig. Zumindest, wenn dies nicht frühmorgens nach der Nukle­ar­ka­ta­strophe von Fukushima statt­ge­funden hat. Dann gilt es nämlich, siehe oben, als eine Spontan­de­mons­tration, bei der die Anmel­de­pflicht entfällt.

Die Konse­quenz einer unter­blie­benen Anmeldung ist, dass der Veran­stalter oder Leiter der Versammlung gemäß § 26 Nr. 2 VersG straf­rechtlich zur Rechen­schaft gezogen werden kann. Was aber, wenn eine Versammlung nie formal jemand als Veran­stalter oder Leiter benannt hat? Dazu hat sich im Juli das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) geäußert. Anlass dazu war eben dieser Heilbronner Fall, in dem einer der Teilnehmer der Protest­aktion vom Amtsge­richt mit Straf­vor­behalt verwarnt worden war. Dagegen wendet er sich als Beschwer­de­führer in Karlsruhe. Das Verfas­sungs­ge­richt hat die Verfas­sungs­be­schwerde gar nicht erst zur Entscheidung angenommen, da sie keine grund­sätz­liche verfas­sungs­recht­liche Bedeutung habe und die Annahme nicht zur Durch­setzung der Grund­rechte erfor­derlich sei.

Das Verfas­sungs­ge­richt hat seine Entscheidung jedoch begründet und diese Begründung ist nichts­des­to­trotz inter­essant zu lesen:

Nach Auffassung des BVerfG reicht es, dass der Teilnehmer wie ein Leiter agiert hat, um seine straf­recht­liche Verant­wortung für die Versammlung zu begründen. So hat er per Mobilfunk Anwei­sungen an die anderen Aktivisten gegeben und die Veran­staltung schließlich auch für beendet erklärt. Auch wenn er nicht formell als Leiter benannt wurde, kann er daher als fakti­scher Leiter angesehen werden. Das ist nach dem BVerfG vom Gesetz gedeckt, das die Verant­wort­lichkeit nicht auf formal bestellte Leiter beschränkt.

Außerdem sei die Anmeldung von Veran­stal­tungen grund­sätzlich zumutbar. Das Versamm­lungs­gesetz verstößt insofern nicht gegen das Grund­recht auf Versamm­lungs­freiheit in Artikel 8 GG. Denn die Anmel­de­pflicht soll der Sicherheit der Teilnehmer dienen, z.B. indem die Polizei Gegen­de­mons­tranten von der Versammlung fernhält und den Verkehr sichert.

2019-08-20T12:58:29+02:0020. August 2019|Allgemein, Verwaltungsrecht|