Die Versammlungsfreiheit ist nach dem Grundgesetz ein sehr hohes Gut. So hoch, dass die Anmeldung einer Demonstration unterbleiben darf, die aus aktuellem Anlass spontan einberufen wurde. In allen anderen Fällen fordert das Versammlungsgesetz, Versammlungen unter freiem Himmel mindestens 48 Stunden vorher anzumelden.
Wenn sich also Aktivisten mit einem Transparent an eine Neckarbrücke in Heilbronn hängen, um gegen Atomtransporte zu demonstrieren, ist dies ohne vorherige Anmeldung nach § 14 Versammlungsgesetz (VersG) unzulässig. Zumindest, wenn dies nicht frühmorgens nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima stattgefunden hat. Dann gilt es nämlich, siehe oben, als eine Spontandemonstration, bei der die Anmeldepflicht entfällt.
Die Konsequenz einer unterbliebenen Anmeldung ist, dass der Veranstalter oder Leiter der Versammlung gemäß § 26 Nr. 2 VersG strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden kann. Was aber, wenn eine Versammlung nie formal jemand als Veranstalter oder Leiter benannt hat? Dazu hat sich im Juli das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geäußert. Anlass dazu war eben dieser Heilbronner Fall, in dem einer der Teilnehmer der Protestaktion vom Amtsgericht mit Strafvorbehalt verwarnt worden war. Dagegen wendet er sich als Beschwerdeführer in Karlsruhe. Das Verfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gar nicht erst zur Entscheidung angenommen, da sie keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung habe und die Annahme nicht zur Durchsetzung der Grundrechte erforderlich sei.
Das Verfassungsgericht hat seine Entscheidung jedoch begründet und diese Begründung ist nichtsdestotrotz interessant zu lesen:
Nach Auffassung des BVerfG reicht es, dass der Teilnehmer wie ein Leiter agiert hat, um seine strafrechtliche Verantwortung für die Versammlung zu begründen. So hat er per Mobilfunk Anweisungen an die anderen Aktivisten gegeben und die Veranstaltung schließlich auch für beendet erklärt. Auch wenn er nicht formell als Leiter benannt wurde, kann er daher als faktischer Leiter angesehen werden. Das ist nach dem BVerfG vom Gesetz gedeckt, das die Verantwortlichkeit nicht auf formal bestellte Leiter beschränkt.
Außerdem sei die Anmeldung von Veranstaltungen grundsätzlich zumutbar. Das Versammlungsgesetz verstößt insofern nicht gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in Artikel 8 GG. Denn die Anmeldepflicht soll der Sicherheit der Teilnehmer dienen, z.B. indem die Polizei Gegendemonstranten von der Versammlung fernhält und den Verkehr sichert.
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