Was der Kohle­aus­stieg bedeutet: Die Studie der AGORA und Schluss­fol­ge­rungen daraus

Zwar sind die Ergeb­nisse der Kohle­kom­mission immer noch nicht umgesetzt, doch immerhin beteuern die politi­schen Akteure, dass dies noch in dieser Legis­la­tur­pe­riode geschehen soll. Die Bundes­re­publik plant also tatsächlich, bis 2038 sowohl aus der Atomkraft als auch aus der Kohle­ver­stromung auszusteigen.

Doch wie wirkt sich das auf die Strom­märkte aus? Wie teuer wird Strom für Industrie und Verbraucher? Der Berliner Think Tank „Agora Energie­wende“ hat dies unter­sucht und seine Ergeb­nisse in einer Studie publi­ziert. Einen Download finden Sie hier.

Die Ergeb­nisse sind in mehr als einer Hinsicht inter­essant. Die „Agora Energie­wende“ hat berechnet, dass das Klimaziel für die Energie­wirt­schaft erreichbar ist, wenn bis 2030 Erneu­erbare Energien 65 % des Brutto­strom­ver­brauchs erbringen, und gleich­zeitig die Strom­erzeu­gungs­ka­pa­zi­täten auf Basis von Kohle nur noch 17 GWh betragen. Dadurch würde der Börsen­preis für Strom sinken, so dass die Industrie bei Fortführung der heutigen Erleich­te­rungen insbe­sondere bei Netzent­gelten und Umlagen weniger für elektrische Energie bezahlen müsste als heute. Etwas mehr müssten aller­dings Verbraucher zahlen, denn die Kosten für ein den Erfor­der­nissen der Energie­wende angepasstes Stromnetz würden über die Netzent­gelte umgelegt, die die Verbraucher überpro­por­tional treffen. Hier müsste mit Steuer­geldern entlastet werden, was aller­dings volks­wirt­schaftlich zwar Härten vermeiden würde, jedoch bei einer Betrachtung der Energie­wen­de­kosten nicht außer Betracht bleiben darf, ebenso wie die Struk­tur­bei­hilfen für Regionen, in denen der Braun­koh­le­ta­gebau heute eine besondere Rolle spielt.

Was radikale Klima­schützer nicht unein­ge­schränkt freuen wird: Auch die Agora rechnet damit, dass weiterhin fossile Kraft­werks­ka­pa­zi­täten errichtet werden müssen, nämlich in Gestalt von Gaskraft­werken, die die Versor­gungs­si­cherheit gewähr­leisten müssten, wenn weder der Wind weht, noch die Sonne scheint. Insgesamt beziffert die Agora die Kosten der Energie­wende bis 2038 mit 69 Mrd.  bis 93 Mrd. €. Ein erheb­licher Teil dieser Summe entfällt auf die Unter­stützung der vom Struk­tur­wandel besonders betrof­fenen Regionen. Aber auch die Strom­kos­ten­kom­pen­sation, die Entschä­digung für die Betreiber von Kohle­kraft­werken und nicht zuletzt die Still­legung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen schlägt hier zu Buche.

Insgesamt rechnet auch die „Agora Energie­wende“ also nicht mit einem finan­zi­ellen und struk­tur­po­li­ti­schen Spaziergang. Was in der öffent­lichen Diskussion der Studie, in der vorwiegend auf die verhält­nis­mäßig geringe Kosten­stei­gerung für den Strom­ver­braucher abgestellt wurde, bisher unter­ge­gangen ist: Die Gaskraft­werke, die die Energie­wende absichern müssen, gibt es aktuell noch nicht. Es git zwar einige Neubau­pro­jekte vor allem auf kommu­naler Ebene. Aber die aktuell schon angescho­benen Projekte dürften nicht reichen, um die Lücke zwischen Bedarf und Angebot zu schließen. 

Nun ist auch ein Gaskraftwerk nicht über Nacht gebaut. Wenn der Gesetz­geber auf allen Ebenen die Energie­wende zu einem Erfolg machen möchte, muss er also heute Voraus­set­zungen für Kraft­werke schaffen, die in vier. bis fünf Jahren, pünktlich zur ersten Runde der Still­le­gungen von Kohle­kraft­werken im Jahre 2022, ans Netz gehen. Dies setzt einen Strauß von Maßnahmen voraus. Zum einen sollten Planung und Geneh­migung von erdgas­be­trie­benen Kraft­werken erleichtert werden. Um langfristige Planungs­si­cherheit zu schaffen, ist zu prüfen, inwieweit Gaskraft­werken beispiels­weise Garantien gegeben werden könnten, dass die Reser­ve­me­cha­nismen, über die sich dieser Anlagen in Zukunft maßgeblich finan­zieren werden, nicht unter dem Druck vermeintlich kurzfristig zu hoher Preise negativ abgeändert werden. Im Übrigen ist auch der Öffent­lichkeit reiner Wein einzu­schenken: Es wird auch in Zukunft fossil betriebene Strom­erzeu­gungs­an­lagen geben müssen, bis Speicher­tech­no­logien tatsächlich so gut sind, dass man ohne eine solche Brücken­tech­no­logie auskommt. Zuletzt sollte immer wieder ergeb­nis­offen geprüft werden, ob der Energy-Only-Markt tatsächlich das beste Design für den Energie­markt der Zukunft darstellt.

2019-08-19T14:26:51+02:0019. August 2019|Energiepolitik|

Weg mit dem § 556c Abs. 1 Nr. 2 BGB!

Ein gutes Beispiel dafür, dass gut gemeint und gut gemacht zwei Paar Schuhe sind, ist der unter Wärme­ver­sorgern berüch­tigte § 556c Abs. 1 BGB, der lautet:

Hat der Mieter die Betriebs­kosten für Wärme oder Warmwasser zu tragen und stellt der Vermieter die Versorgung von der Eigen­ver­sorgung auf die eigen­ständig gewerb­liche Lieferung durch einen Wärme­lie­fe­ranten (Wärme­lie­ferung) um, so hat der Mieter die Kosten der Wärme­lie­ferung als Betriebs­kosten zu tragen, wenn

1. die Wärme mit verbes­serter Effizienz entweder aus einer vom Wärme­lie­fe­ranten errich­teten neuen Anlage oder aus einem Wärmenetz geliefert wird und

2. die Kosten der Wärme­lie­ferung die Betriebs­kosten für die bisherige Eigen­ver­sorgung mit Wärme und Warmwasser nicht übersteigen. (…)“

Die Regelung sollte es erleichtern, von den oft überal­terten und wenig energie­ef­fi­zi­enten Öl- oder Gashei­zungen in Miets­häusern auf Wärme­lie­fe­rungen, vor allem Fernwärme, aus hochef­fi­zi­enten Anlagen umzusteigen. Man erhoffte sich damit einen Effizi­enz­schub im Gebäu­de­be­reich, in dem die Energie­wende nicht so gut voran­kommt wie es eigentlich erfor­derlich wäre, damit die Bundes­re­publik Deutschland die Klima­ziele erreicht.

Heute, einige Jahre nach Inkraft­treten, herrscht Ernüch­terung: Die Regelung hat sich nicht als Turbo, sondern vielmehr als Stolper­stein erwiesen. Statt den Umstieg zu erleichtern, bildet das Gebot der Kosten­neu­tra­lität in Nr. 2 eine echte Hürde. Hier wollte der Gesetz­geber den Mietern etwas Gutes tun und hat den Umstieg und die anschlie­ßende Umlage der Wärme­kosten aus der neuen Anlage nur dann für zulässig erklärt, wenn die Heizung nach dem Wechsel nicht teurer wird.

Faktisch scheitern viele ökolo­gisch sinnvolle Wechsel weg von der alten, oft ineffi­zi­enten Heizung hin zu der Versorgung aus zentralen, hochef­fi­zi­enten KWK-Anlagen gerade an dem Umstand, dass neue, moderne Anlagen eben oft zunächst teurere Wärme erzeugen als alte Anlagen. Dies wurde schon vor Einführung der neuen Norm und der diese konkre­ti­sie­renden Wärme­lie­fer­ver­ordnung heftig disku­tiert. Doch obwohl sich alle Bedenken auch in der Praxis reali­siert haben, bewegt sich der Gesetz­geber bisher nicht.

Nun ist es verständlich, gerade in politisch aufge­wühlten Zeiten und angesichts mehrerer Landtags­wahlen nicht noch eine Regelung einzu­führen, die Mieter mit erhöhten Kosten für ökolo­gi­schere Wärme belastet. Doch wird nicht gerade viel Geld bewegt, um den Klima­wandel sozial zu moderieren? Mögli­cher­weise könnte der Gesetz­geber hier gerade im schwie­rigen Gebäu­de­be­reich durch eine simple Abschaffung des § 556c Abs. 1 Nr. 2 BGB flankiert durch ein Härten ausglei­chendes finan­zi­elles Instrument dem Ziel eines klima­freund­li­cheren Gebäu­de­be­stands unkom­pli­ziert näher kommen.

2019-08-16T00:05:29+02:0016. August 2019|Energiepolitik, Wärme|

Das gar nicht so objektive Tarif­ver­gleichs­portal: OLG Dresden, 14 U 207/19

Preis­ver­gleichs­portale sind oft nicht das, was die Öffent­lichkeit erwartet: Die meisten Leute denken an eine objektive Insti­tution, die ihnen den besten Preis für die verlangte Leistung präsen­tiert. Nur wenige wissen, dass es sich um Veröf­fent­li­chungen von Unter­nehmen handelt, die von den Anbietern der angeblich bewer­teten Tarife regel­mäßig Provi­sionen für Vertrags­ab­schlüsse erhalten. Zwar hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) schon vorletztes Jahr festge­stellt, dass es eine abmahnbare Irreführung darstellt, diese Infor­mation den Besuchern vorzu­ent­halten (BGH I ZR 55/16). Aber bis heute ist diese Infor­mation kein Allge­meingut. Immerhin sieht auch das Bundes­kar­tellamt (BKartA) in Auswertung seiner Sektor­un­ter­su­chung im April dieses Jahres politi­schen Handlungs­bedarf.

Auch das BKartA wies darauf hin, dass viele angeb­liche Portale nicht selbst Daten generieren, sondern diese nur von anderen übernehmen. Um ein solches Portal geht es auch in einer aktuellen Entscheidung, die ein Energie­ver­sorger erwirkt hat. Dieser sah einen Wettbe­werbs­verstoß in dem Umstand, dass das Portal über sog. Affiliate Links, also Provi­si­ons­links, mitver­diente, ohne dies kenntlich zu machen. Doch damit nicht genug: Auf der Seite wurde zudem auch noch mehrfach beteuert, man treibe keine Werbung.

Dies sah auch das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Dresden als wettbe­werbs­widrig an. Mit Urteil vom 05.07.2019, Az.: 14 U 207/19, verur­teilte es den Anbieter des Preis­ver­gleichs­portals zur Unter­lassung. Die Entscheidung stützte es auf § 5a Abs. 6 UWG, der lautet:

Unlauter handelt auch, wer den kommer­zi­ellen Zweck einer geschäft­lichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmit­telbar aus den Umständen ergibt, und das Nicht­kennt­lich­machen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäft­lichen Entscheidung zu veran­lassen, die er andern­falls nicht getroffen hätte.“

Genau dies war hier geschehen: Der Anbieter hatte den geschäft­lichen Charakter seines Handelns verschleiert. Anders als noch die erste Instanz verur­teilte das OLG das Unter­nemen deswegen dazu, künftig deutlich zu machen, dass es hier um Werbung geht und nicht um Infor­mation der Öffent­lichkeit im Rahmen der Presse. Verstößt das Unter­nehmen hiergegen, kann das klagende Unter­nehmen die Verhängung von Ordnungs­geldern beantragen.

Was bedeutet diese Entscheidung für die Praxis? Die Recht­spre­chung stellt nochmals klar, dass Tarif­ver­gleichs­portale dann, wenn sie über Links oder direkte Provi­si­ons­ab­reden an Vertrags­ab­schlüssen verdienen, dies deutlich machen müssen, und zwar so, dass der Durch­schnitts­bürger das auch versteht. Ist dem nicht so, kann sich für Wettbe­werber eine Abmahnung lohnen. Wettbe­werber sind dabei keineswegs nur andere Tarif­s­ver­gleichs­portale, sondern auch Anbieter, die – wie in der Dresdner Entscheidung – Strom vermarkten.

2019-08-13T22:43:32+02:0013. August 2019|Wettbewerbsrecht|