Ein Klassiker: Sonder­kün­di­gungs­recht nach Preisanpassung

Ein Klassiker des Energie­rechts sorgt immer wieder für Diskus­sionen. § 41 Abs. 3 Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG) bestimmt, dass Liefe­ranten Letzt­ver­braucher infor­mieren müssen, wenn sich die Vertrags­be­din­gungen ändern. Ändert der Lieferant die Vertrags­be­din­gungen einseitig, kann der Letzt­ver­braucher auch einen Sonder­kun­den­vertrag ohne Einhaltung einer Kündi­gungs­frist kündigen.

Auf dieser Regelung fußen Kündi­gungs­recht und Infor­ma­ti­ons­pflicht über die geplante Änderung, wenn ein Unter­nehmen die Preise etwas wegen gestie­gener Bezugs­kosten für Brenn­stoffe anhebt. In den letzten Jahren war der Strom­preis aber insgesamt kaum gestiegen. Dafür hatten die gestie­genen Umlagen, vor allem die EEG – Umlage zur Finan­zierung der Förderung erneu­er­barer Energien, für eine Erhöhung der letztlich vom Verbraucher zu zahlenden Entgelte geführt.
Die Frage, ob auch bei Erhöhung dieser Umlagen, die der Versorger schließlich genau wie Steuern gar nicht beein­flussen kann, ein Kündi­gungs­recht und eine Infor­ma­ti­ons­pflicht bestehen, hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) letzten Sommer am 05.07.2017 (VIII ZR163/16) entschieden. In diesem Urteil kam der BGH letztlich zu dem Ergebnis, dass bei Entgel­t­än­de­rungen, die lediglich auf einer Weiter­be­lastung von neu einge­führten, wegge­fal­lenen oder geänderten Steuern, Abgaben oder sonstigen hoheit­lichen Belas­tungen beruhen, Sonder­kün­di­gungs­recht und Infor­ma­ti­ons­pflicht ebenso gelten wie bei Preis­an­pas­sungen, die anders motiviert sind. Fehlt ein entspre­chender Hinweis im Vertrag, so ist die Preis­an­pas­sungs­klausel unwirksam, legiti­miert also keine Preisanpassungen.
Der Leitsatz verführt nicht wenige Letzt­ver­braucher dazu, deutlich mehr Preis­an­pas­sungen als unwirksam anzusehen, als es wohl letztlich vom BGH beabsichtigt ist. Denn § 41 Abs. 3 EnWG gilt nicht für alle Änderungen der Vertrags­be­din­gungen, sondern nur für einseitige Anpas­sungen. Eine einseitige Anpassung liegt aber nicht vor, wenn die Preis­an­passung gemäß einer beidseitig, also vertraglich verein­barten Formel im Sinne einer Anpas­sungs­au­to­matik ohne weiteren Zwischen­schritt abläuft. In diesem Fall ändert ja nicht der Versorger einseitig eine zweiseitig verein­barte Regelung. Statt­dessen findet genau das statt, worauf sich die Parteien von vornherein geeinigt haben: Nämlich eine Preis­gleitung anhand einer festste­henden und auch vom Versorger gar nicht mehr beein­fluss­baren Berech­nungs­formel. In diesem Fall greift § 41 Abs. 3 EnWG nicht.
Was bedeutet diese nun knapp ein Jahr alte Entscheidung für die Praxis? Es spricht viel dafür, dass eine unbeein­flussbare, rein rechne­risch bestimmte Formel den Preis gleiten lässt, ohne dass jeweils ein Sonder­kün­di­gungs­recht des Kunden greift. Entspre­chend muss dann auch nicht über ein solches infor­miert werden. Wäre dem anders, hätte der BGH seine recht detail­lierten Ausfüh­rungen zur Einsei­tigkeit der Vertrags­än­derung in der Entscheidung ja gar nicht gebraucht. Für die Versor­ger­praxis ist das gut handhabbar. Aber wie immer gilt: Sicher ist nichts auf Erden. Außer, dass der BGH früher oder später auch in dieser Sache erneut entscheiden wird.
2018-08-20T08:31:22+02:0019. August 2018|Strom, Vertrieb|

Reise­kosten des auswär­tigen Anwalts

Als spezia­li­sierte Rechts­an­wälte haben wir – anders als manche andere Kollegen – oft Verfahren im gesamten Bundes­gebiet. Bei Prozessen stellt sich damit stets die Frage, ob die Reise­kosten ersetzt werden. Denn schließlich ist es teurer, von Charlot­tenburg bis zum OLG Düsseldorf zu fahren, als von Charlot­tenburg bis zum – in Tiergarten gelegenen – VG Berlin.

Wann die unter­legene Partei auch einen auswär­tigen Rechts­anwalt beauf­tragen darf, hat der Gesetz­geber in § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO geregelt, wo es heißt:

Die gesetz­lichen Gebühren und Auslagen des Rechts­an­walts der obsie­genden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reise­kosten eines Rechts­an­walts, der nicht in dem Bezirk des Prozess­ge­richts nieder­ge­lassen ist und am Ort des Prozess­ge­richts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweck­ent­spre­chenden Rechts­ver­folgung oder Rechts­ver­tei­digung notwendig war.“

Erfah­rungs­gemäß bejahen Gerichte die Notwen­digkeit der Zuziehung eines auswär­tigen Anwalts eher zurück­haltend. Schließlich gibt es in den meisten Gerichts­be­zirken ja auch spezia­li­sierte Kollegen für fast alle erdenk­lichen Rechts­ge­biete. Faktisch ist die Praxis hier unein­heitlich und hängt natur­gemäß auch von dem konkreten Rechts­streit und dem Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen Anwalt und Mandant ab. Doch auch dann, wenn das Gericht meint, ein ortsan­säs­siger Anwalt hätte es doch auch getan, bleibt der obsie­gende Mandant nicht auf allen Anwalts­kosten sitzen. Hierzu hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) am 09.05.2018 (I ZB 61/17) nunmehr geklärt, dass der Reise­kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch sich auf die Kosten reduziert, die entstanden wären, wenn ein Anwalt aus dem am weitesten vom Gerichtssitz entfernten Ort des Gerichts­be­zirks beauf­tragt worden wäre. Dies war in der Vergan­genheit umstritten. Eine Tabelle, wie groß diese Distanzen sind, bietet zum Download übrigens der Deutsche Anwalts­verein.

Angesichts der Größe der Gerichts­be­zirke sind damit oft auch für weitere Reisen annähernd kosten­de­ckende Erstat­tungen verbunden. Für Unter­nehmen, die oft auf spezia­li­siertere Anwälte angewiesen sind, als die Gerichte anerkennen wollen, ist das erfreulich. Um dies zu illus­trieren: Wenn wir am OLG Düsseldorf prozes­sieren, würden uns fiktiv Reise­kosten aus Emmerich zugestanden, das 103 km entfernt liegt. Bei 0,30 EUR/km (RVG, VV 7003) würde für die einfache Fahr also ein Reise­kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch von 30,90 entstehen. Bei recht­zei­tiger Buchung und Bahn Card ist dafür durchaus eine Bahnfahrt von Berlin nach Köln realistisch.

2018-08-16T23:31:21+02:0016. August 2018|Allgemein|

Kein Anspruch auf einen Hortplatz

Der Rechts­an­spruch auf einen Kitaplatz ist inzwi­schen mehrere Jahre alt. Die Recht­spre­chung hat zwischen­zeitlich geklärt, dass der Kitaplatz bereit gestellt werden muss und dies nicht den Eltern aufge­geben werden kann. Dass er nicht weit weg sein darf. Dass er die Zeiten abdecken muss, wenn die Eltern ihn wirklich brauchen. Und dass Städte Schadens­ersatz schulden, wenn die Eltern nicht arbeiten können.

Doch Kinder bleiben nicht immer klein. Mit Beginn der Schulzeit endet – abgesehen von landes­recht­lichen Regelungen wie in Brandenburg – der Rechts­an­spruch auf einen Kitaplatz. Für Schul­kinder und ihre Eltern ist das ein Problem. Denn § 24 Abs. 4 SGB VIII enthält – dies wurden wir in den letzten Wochen mehrfach gefragt – keinen Anspruch auf eine Hortbe­treuung. Und die Grund­schule endet meist mittags. Im § 24 Abs. 4 S. 1 SGB VIII heißt es nämlich nur:

Für Kinder im schul­pflich­tigen Alter ist ein bedarfs­ge­rechtes Angebot in Tages­ein­rich­tungen vorzuhalten.“

Von „bedarfs­ge­recht“ kann tatsächlich keine Rede sein. In den meisten Bundes­ländern ist der Hortbe­reich nicht so ausgebaut, dass Eltern auch nur verlässlich in Teilzeit arbeiten können, von einer Vollzeit mit Arbeits­wegen mal ganz abgesehen. Doch gewährt diese Regelung trotz der offen­kun­digen Zielver­fehlung durch die Gemeinden kein subjek­tives öffent­liches Recht. Zwar kann in begrün­deten Einzel­fällen nach § 90 SGB Abs. 2 VIII ein Anspruch auf Kosten­über­nahme eines Hortplatzes bestehen. Generell können Eltern aber nicht vor Gericht ziehen, wenn sie arbeiten müssen und niemanden haben, der ihr Schulkind am nachmittag betreut, wie z. B. das VG Ansbach am 17.02.2017, AN 15 E 17.00226, festge­stellt hat. In nicht wenigen Fällen bedeutet das, dass bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Kind nachmittags allein zu Hause bleiben kann, ein Elternteil maximal in Teilzeit arbeiten kann.

 

2018-08-16T10:08:27+02:0016. August 2018|Verwaltungsrecht|