Sind NNE zu geheim?

Die Agora Energie­wende hat u. a. bei Herrn von Hammer­stein, Energie­rechtler bei der Kanzlei Raue LLP, ein am 22. August vorge­stelltes Gutachten in Auftrag gegeben, bei dem heraus­ge­kommen sein soll, dass Verbraucher viel weniger Netzentgelt zahlen könnten, wenn mehr Daten öffentlich zugänglich wären.

Aber halt. Gab es da nicht das Infor­ma­ti­ons­frei­heits­gesetz (IFG)? Und können Verbraucher nicht auch gemäß § 315 BGB vor Gericht die Offen­legung von Kalku­la­tionen verlangen? Der Agora reicht das aber nicht. Sie schießt scharf gegen das Recht von Unter­nehmen, Betriebs und Geschäfts­ge­heim­nisse nicht veröf­fent­lichen zu lassen. Forderung der Agora: Netzent­gelt­ge­neh­mi­gungen und damit Netzkosten müssten komplett veröf­fent­licht werden.

Nun ist Trans­parenz stets eine populäre Forderung. Doch übersieht die Agora, dass es durchaus auch ein legitimes, nicht anrüchiges Geheim­hal­tungs­in­teresse gibt. Denn Netzbe­treiber wollen keineswegs überhöhte Kosten verstecken. Das ist allein schon deswegen eine verfehlte Annahme, weil Netzbe­treiber nicht wie alle anderen Unter­nehmen ihre Preise frei bilden können, sondern regula­to­rische Vorgaben gelten, und sogar die zulässige Eigen­ka­pi­tal­ver­zinsung geregelt ist. Das Gutachten übersieht aber darüber hinaus, dass sich Netzbe­treiber durchaus auch mitein­ander im Wettbewerb befinden, etwa wenn Unter­nehmen sich um weitere Konzes­sionen bemühen. Und ein Betriebs – und Geschäfts­ge­heimnis existiert auch nicht nur einfach deswegen, weil der Betroffene es behauptet: Es gibt eine diffe­ren­zierte Recht­spre­chung zu den §§ 3 und 6 IFG, wann Behörden schweigen dürfen. Nach dieser, erst kürzlich noch einmal nachge­schärften Recht­spre­chung ist klar, dass die Verwei­gerung von Infor­ma­tionen stets die gerichtlich voll überprüfbare Ausnahme sein muss. Auch der EuGH hat in einer recht aktuellen Entscheidung klar gefordert, dass nur bei Inter­es­sen­be­ein­träch­ti­gungen der Person, von der die Infor­ma­tionen stammen oder eines Dritten oder auch des Aufsichts­systems insgesamt Infor­ma­tionen der Öffent­lichkeit verweigert werden dürfen.
Wer argwöhnt, dass die Behörden dabei zu großzügig vorgehen, kann jederzeit klagen. Hier muss das betroffene Unter­nehmen nun sehr detail­liert darlegen, warum es von Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nisse ausgeht, wie kürzlich auch nochmal das OVG Berlin-Brandenburg festge­stellt hat. Angesichts dieser Rechtslage ist nicht recht nachvoll­ziehbar, wo es noch Infor­ma­tionen geben soll, die die Öffent­lichkeit nicht erfährt, obwohl dies niemandem schadet.
2018-08-23T08:56:26+02:0023. August 2018|Gas, Strom, Verwaltungsrecht|

Reklame, Reklame

Noch zu unseren Studi­en­zeiten durften Anwälte nur dort auftreten, wo sie zugelassen waren. Das klassische Werbe­verbot für Rechts­an­wälte belastete deswegen die Kollegen früher weniger, als es heute der Fall wäre. Schließlich kannte man sich vor Ort, und die meisten Mandate kamen über die persön­liche Empfehlung. Letzteres ist bis heute so. Aber wir dürfen vor allen Gerichten bis auf den Bundes­ge­richtshof auftreten und konkur­rieren damit zumindest theore­tisch mit allen Anwälten bundesweit.

Rein praktisch ist dies zwar für spezia­li­sierte Kanzleien wir uns nur von begrenzter Bedeutung. Doch die Frage, wie Anwälte um Mandate werben dürfen, ist natürlich auch in begrenzten Märkten inter­essant. Ein Urteil des Bundes­ge­richtshof (BGH) vom 2. Juli 2018, AnwZ (Brfg) 24/17, stellt deswegen in dankens­werter Weise noch einmal klar, dass entgegen einer verbrei­teten Ansicht § 43b BRAO es Rechts­an­wälten nicht untersagt, sich direkt an poten­tielle Mandanten zu wenden. Die Norm lautet:

Werbung ist dem Rechts­anwalt nur erlaubt, soweit sie über die beruf­liche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unter­richtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.“

In dem vom Bundes­ge­richtshof entschie­denen Fall hatte einen Anwalt aber exakt dies getan. Der auf Insol­venz­ver­fahren spezia­li­sierte Rechts­anwalt hatte im Insol­venz­re­gister den Geschäfts­führer einer insol­venten GmbH gefunden und direkt angeschrieben. In dem Schreiben zeigte er die beson­deren Risiken für Geschäfts­führer in Insol­venz­ver­fahren auf und führte aus, dass er sich auf die Beratung in solchen Fällen spezia­li­siert habe. Direkter um eine Einzel­fall­man­da­tierung kann man kaum mehr werben.
Die zuständige Anwalts­kammer sah dies als standes­widrig an und erteilte eine Rüge. Dies ließ der Betref­fende nicht auf sich sitzen. Daraufhin hob die Kammer die Rüge auf und schwächte zu einem beleh­renden Hinweis ab. Gegen diesen ging der Anwalt wiederum vor. In der ersten Instanz blieb seine Klage aller­dings erfolglos. Doch sein Rechts­mittel zum BGH hatte Erfolg. Der BGH kam zum Ergebnis, dass das Werbe­verbot einschränkend auszu­legen sei. Werbung, die sich am tatsäch­lichen Bedarf orien­tiert, ist danach zulässig.
Der BGH trifft aus unserer Sicht mit dieser Entscheidung den Nagel auf den Kopf. Denn der poten­tielle Mandant möchte ja nicht unspe­zi­fisch angesprochen werden. Sondern in genau der Situation, in der er anwalt­lichen Rat braucht. Gerade auch dann, wenn ihm selbst die recht­lichen Risiken seiner Lage nicht vollends bewusst sind, sucht er aber nicht zwangs­läufig dann auch aktiv Rechtsrat. Angebot und Nachfrage in dieser Situation zusam­men­zu­bringen ist nicht nur wirksame Werbung für den Anwalt. Sondern nützt auch dem poten­ti­ellen Mandanten. Wir meinen deswegen: Eine bemer­kens­werte und lebens­prak­tisch sinnvolle Entscheidung.
2018-08-21T22:17:59+02:0021. August 2018|Allgemein|

besAR unter Beschuss

Wieder einmal steht die besondere Ausgleichs­re­gelung (besAR) unter Beschuss. Frau Dr. Julia Verlinden, die energie­po­li­tische Sprecherin der Fraktion Die Grünen fordert, der Kreis der begüns­tigten Unter­nehmen müsse einge­schränkt werden. Wenn für ein Fünftel des gesamten deutschen Strom­ver­brauchs eine Ausnahme gelte, dann sei das zu viel.

Doch worum geht es eigentlich bei dieser Ausnahme?

Bekanntlich wird die Erzeugung von Strom aus erneu­er­baren Quellen wie Sonne, Wind oder Wasser gefördert. In der Vergan­genheit erhielten solche Anlagen durchweg eine Garan­tie­ver­gütung für 20 Jahre. Heute ist dies nur noch ausnahms­weise der Fall. In aller Regel werden die so erzeugten Strom heute regulär vermarktet und nur durch einen Zuschlag gefördert. Die Zahlungen zur Förderung werden aus einem zentralen Konto geleistet, das alle Letzt­ver­braucher über eine Umlage füllen. Derzeit beträgt diese Umlage 6,79 Cent pro kWh.

Die von Frau Verlinden gegei­ßelte Ausnahme beruht auf den §§ 63 EEG 2017 ff. Hiernach müssen bestimmte als strom­kos­ten­in­tensiv einge­stufte Branchen nicht die volle EEG-Umlage zahlen. Die Strom­kos­ten­in­ten­sität bezeichnet dabei das Verhältnis der Strom­kosten zum arith­me­ti­schen Mittel der Brutto­wert­schöpfung in den letzten drei abgeschlos­senen Geschäfts­jahren des Unternehmens.

Die EEG-Umlage wird für die Betrof­fenen der Höhe nach begrenzt. Bis einschließlich 1 GWh gilt dies jedoch nicht. Hier gilt ein Selbst­behalt, für den die Industrie auch nicht weniger zahlt als jeder von uns daheim. Bei den 1 GWh überstei­genden Mengen wird diffe­ren­ziert. Unter­nehmen, die besonders strom­kos­ten­in­tensiv sind, zahlen weniger als solche, bei denen die Strom­kos­ten­in­ten­sität hoch, aber eben nicht genauso hoch ist. Hier enthält das EEG 2017 zwei Listen in Anlage 4, die Branchen aufführen, von denen man weiß, dass sie besonders hohe Strom­kosten tragen. Es gelten dabei sowohl Höchst­grenzen, als auch eine Unter­grenze. Ob ein Unter­nehmen die Kriterien erfüllt, testiert erst ein Wirtschafts­prüfer, dann prüft das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr­kon­trolle (BAFA) die alljährlich zum 30.06. einge­henden Anträge.

Doch bei aller Diffe­ren­zierung nach Branchen: warum wird die Industrie überhaupt bevor­teilt? Grund für die Erleich­te­rungen sind die unter­schied­lichen Belas­tungen von Unter­nehmen im inter­na­tio­nalen Wettbewerb. Denn in vielen Ländern, in denen die Wettbe­werber der strom­in­ten­siven Industrie ansässig sind, existieren keine vergleich­baren Belas­tungen. Gerade bei Unter­nehmen, deren Produk­ti­ons­kosten stark von den Strom­kosten abhängen, würde sich eine volle EEG Umlage als echter Hemmschuh oder gar als absolutes Produk­ti­ons­hin­dernis erweisen.

Natürlich ist eine Überför­derung stets auszu­schließen. Hierüber wacht – schließlich handelt es sich um Beihilfen – die Europäische Kommission. Doch anders als Frau Dr. Verlinden meint, profi­tiert die Industrie von der besAR nicht auf Kosten der Verbraucher. Denn diese sind ja nicht nur Strom­kunden. Sie profi­tieren auch als Arbeit­nehmer und Bürger von einer leistungs­fä­higen Industrie.

2018-08-20T18:39:35+02:0020. August 2018|Allgemein, Erneuerbare Energien, Industrie, Strom|