Wenn der Staat nicht spurt

Stellen wir uns vor, Sie haben Ärger mit Herrn Abusch, dem alten Queru­lanten. Das ist Ihr Mieter. Sie haben ihm gekündigt, er soll ausziehen, Sie wollen, dass er poten­tielle Nachmieter in die Wohnung lässt, und darauf haben Sie auch einen schon gerichtlich durch ein Urteil festge­stellten Anspruch.

Macht er aber nicht. Sie haben sich mit den Nachmietern angekündigt, aber Herr Abusch macht nicht auf. Herr Abusch befolgt das Urteil einfach nicht. Sie wenden sich also wieder ans Gericht und beantragen Vollstre­ckungs­mittel. Erst beantragen Sie Zwangs­gelder für jeden Fall, in dem Sie wieder vor verschlos­sener Tür stehen. Aber Herr Abusch hat einfach kein Geld, deswegen haben Sie ihm ja auch gekündigt. Schließlich beantragen Sie Zwangshaft. Wird Herr Abusch es soweit kommen lassen? Das nehmen wir doch eher nicht an.

Stellen wir uns nun vor, Sie haben nicht Herrn Abusch, sondern die Stadt Oberal­theim verklagt, beispiels­weise auf eine Auskunft. Sie gewinnen mit Pauken und Trompeten Ihren Prozess vorm Verwal­tungs­ge­richt. Die Stadt macht aber nicht, was sie soll. Frau Bürger­meis­terin Birkner ist für Sie nicht zu sprechen, die verlangten Akten gibt es auch nicht, und nun stehen Sie da. Sie also zurück zum Verwaltungsgericht.

Zwangshaft, sagen Sie. § 172 VwGO sagt das Verwaltungsgericht:

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einst­wei­ligen Anordnung aufer­legten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Frist­setzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach frucht­losem Frist­ablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken“

Typisch Staat, sagen Sie. Immer eine Extra­wurst. Und auf der Gegen­seite sitzt Bürger­meis­terin Birkner und dreht Ihnen eine lange Nase. Die Stadt zahlt also, es passiert gar nichts, und irgendwann sind Sie das Ganze müde. Dann legen Sie die Sache zu den Akten und im Rathaus knallen die Korken.

Die Kläger gegen die Schad­stoff­be­lastung in deutschen Innen­städten, darunter die Deutsche Umwelt­hilfe (DUH), werden, schätzen wir mal, die Sache aber nicht auf sich beruhen lassen. Nach Bayern hat nun auch Baden-Württemberg Zwangsgeld erlassen, weil immer noch keine Fahrverbote oder gleich wirksame Maßnahmen verhängt wurden. Bedau­erlich: Diese Gelder fließen in die Staats­kasse, also direkt wieder ans Land Bsden-Württemberg, so dass keine besonders motivie­rende Wirkung zu erwarten ist. Hier stellt sich also durchaus die Frage, ob nicht am Ende doch – trotz des Wortlauts des § 172 VwGO – aus der verfas­sungs­rechtlich veran­kerten Geset­zes­bindung der Verwaltung direkt heraus, Zwangshaft angeordnet werden muss. Aber bis es dahin kommen sollte, ist es sicherlich noch ein langer Weg.