Der Landtag und das liebe Geld (zu BVerwG 7 C 7.15)

Mit dem Urteil des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG) vom 27.9.2018 (BVerwG 7 C 5.17) geht ein Rechts­streit zu Ende, der 2013 damit begann, dass der Chefre­dakteur einer bayeri­schen Zeitung vom bayeri­schen Landtag Auskunft darüber verlangte, welches monat­liche Brutto­gehalt ein Landtags­ab­ge­ord­neter seiner Frau zahlte, die angeblich als Sekre­tärin im häuslichen Abgeord­ne­tenbüro des Abgeord­neten über acht Jahre tätig war. Die Landtags­prä­si­dentin lehnte ab. Dabei gewährt Art. 4 des bayeri­schen Presse­ge­setzes (BayPRG) einen Anspruch auf Auskunft der Presse gegenüber den Behörden. Dieses Auskunfts­recht endet aber dort, wo aufgrund beamten­recht­licher oder sonstiger gesetz­liche Vorschriften eine Verschwie­gen­heits­pflicht besteht, so Abs. 2 der Norm.

Hierauf berief sich der Landtag. Es bestünde ein gesetz­licher Anspruch auf Versagung der Infor­mation in Form des Grund­satzes des freien Mandat des Abgeord­neten, dessen allge­meinem Persön­lich­keits­recht und dem seiner Frau.

Die Zeitung – bzw. deren Chefre­dakteur – ließ sich das nicht bieten. Der Kläger wandte sich im Oktober 2013 ans Verwal­tungs­ge­richt (VG) München. Das VG München verur­teilte am 16.4.2015 den Landtag zur Auskunft über die jährliche Brutto­ver­gütung der Ehefrau für die angeb­liche Tätigkeit als Sekre­tärin. Die Klage sei als allge­meine Leistungs­klage zulässig, weil kein Verwal­tungsakt vorliege. Die Auskunft sei von einem Berech­tigten erhoben worden, ihre Erfüllung möglich, und ein Auskunfts­ver­wei­ge­rungs­recht bestünde nicht. Bei Abwägung der Rechts­po­si­tionen der Presse einer­seits und dem Geheim­hal­tungs­in­teresse der Behörde und des Abgeord­neten und seiner Frau anderer­seits überwiege das Infor­ma­ti­ons­recht der Presse. Das Gericht sah damals kein Beein­träch­tigung des freien Mandats, schließlich könne der Abgeordnete mit seinem ihm für den Bürobe­trieb zur Verfügung gestellten Geld im Wesent­lichen machen, was er für richtig halte, er müsse es nur offen liegen. Das allge­meine Persön­lich­keits­recht greifen nicht, den ein Abgeord­neter sei eine Person des öffent­lichen Lebens und die infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stimmung seiner Frau werde durch die Publi­kation ihrer Einnahmen nicht unange­messen oder unver­hält­nis­mäßig beein­trächtigt. Schließlich wisse auch bei allen anderen Angestellten und Beamten im öffent­lichen Dienst jeder, was diese Leute verdienen.

Der Landtag ließ das Urteil vom VGH Bayern überprüfen. Dieser hob es am 24. November 2016 auf und wies die Klage auf die Berufung ab. Seiner Ansicht nach gab es keinen Anspruch auf eine presse­recht­liche Auskunft, weil im Zuge der Abwägung der wider­strei­tenden Inter­essen die Inter­essen des Abgeord­neten seiner Frau vorgehen würden. Das Recht auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stimmung würde keine Einschränkung dadurch erfahren, dass jemand Landtags­ab­ge­ord­neter sei. Der VGH wies darauf hin, dass der Abgeordnete wegen einer Altfall­re­gelung seine Frau beschäf­tigen durfte (heute ist das nicht mehr in dieser Form möglich). Für ein Fehlver­halten des Abgeord­neten gebe es keine Anhalts­punkte. Außerdem sei seine Frau keine Beschäf­tigte im öffent­lichen Dienst. Im Übrigen sah der VGH das Infor­ma­ti­ons­in­teresse der Presse nicht als beein­trächtigt an, schließlich könne die Presse ja auch Fragen stellen.

Dies wiederum akzep­tierte der Chefre­dakteur nicht. Er rief das BVerwG an. Dieses hat nun, am 27.9.2018, entschieden, dass die begehrte Auskunft gegeben werden muss. Das BVerwG stellte sich auf den Stand­punkt, dass im Rahmen der Abwägung der Auskunfts­an­spruch der Presse überwiegt. Die Auskunft muss also gegeben werden. Aller­dings dürfte es nicht ganz fernliegend sein, dass die nun unter­legene Seite wegen des Bezugs zum freien Mandat, aber auch zur infor­ma­tio­nellen Selbst­be­stimmung, sich noch einmal an das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt wenden wird. Es bleibt damit unter Umständen spannend.

2018-09-30T23:45:56+02:0030. September 2018|Verwaltungsrecht|

Das Vattenfall-Schieds­ver­fahren geht weiter

Neues vom Atomaus­stieg: Vattenfall hatte neben einer Verfas­sungs­klage 2012 wegen des Atomaus­stiegs Schadens­ersatz von der Bundes­re­publik vor einem ICSID-Schieds­ge­richt in Washington verlangt. Konkret ging es um das Erlöschen der Betriebs­ge­neh­mi­gungen für die Kraft­werke Krümmel und Brunsbüttel. 

Schieds­ge­richte wie dieses genießen in der deutschen Öffent­lichkeit wenig Ansehen. Man vermutet eine Paral­lel­justiz für Konzerne. Dabei ist der Grund­ge­danke natürlich nachvoll­ziehbar: Ohne die Möglichkeit des Rechts­schutzes sind viele Abkommen in der Praxis nicht viel wert. Ein auslän­di­scher Investor muss sich aber darauf verlassen können, dass er vor unrecht­mä­ßigen Enteig­nungen oder plötz­lichen Kurswechsel entgegen laufender Verträge geschützt ist. Ansonsten werden Inves­ti­tionen im Ausland deutlich erschwert.

So argumen­tiert hier auch Vattenfall. Der Atomaus­stieg hätte seine Inves­ti­tionen in die Kernkraft­werke Krümmel und Bruns­büttel beschädigt und seine Gewinn­erwar­tungen frustriert. Aber kann es wirklich sein, dass die Spiel­räume der natio­nalen Politik durch solche Abkommen und Schieds­ge­richte wirklich so einschneidend verkleinert werden? Und ist das auch zwischen EU-Mitglieds­staaten zulässig?

Eine Entscheidung des europäi­schen Gerichtshofs vom 6.3.2018 (Rs.: C‑284/16) schien die Bundes­re­gierung in ihrer Skepsis gegenüber der Klage des schwe­di­schen Energie­kon­zerns zu bestä­tigen. In dieser Entscheidung hatten die Luxem­burger Richter über ein Schieds­ver­fahren geurteilt, das in Frankfurt auf Betreiben eines nieder­län­di­schen Unter­nehmens gegen die slowa­kische Republik stattfand, weil letztere eine Libera­li­sierung des Versi­che­rungs­marktes erst vorge­nommen und dann wieder rückgängig gemacht hat. Die slowa­kische Republik berief sich darauf, dass Art. 19 EUV und Art. 344 AEUV Strei­tig­keiten zwischen den Mitglied­staaten auf die in den Verträgen vorge­se­henen Wege beschränkt. Zuständig sind also die europäi­schen Gerichte, keine Schiedsgericht.

Mit diesem Argument war die Bundes­re­gierung im Streit mit Vattenfall auch nach Washington bezogen. Das inter­na­tionale Schieds­ge­richt sei unzuständig. Dies sieht das Gericht, wie nun bekannt wurde, aber anders. Der Grund: Die EU sei Vertrags­partei der Streit­grundlage. Entspre­chend gehe die Schieds­ge­richts­ver­ein­barung den Verträgen vor, sodass die Beschränkung auf die supra­na­tio­nalen Gerichte nicht greife. Es bleibt also abzuwarten, ob die Bundes­re­publik für den Atomaus­stieg ein weiteres Mal tief in die Tasche greifen muss. 

2018-09-28T14:32:18+02:0028. September 2018|Strom|

Preis­an­passung in der Grundversorgung

Die Brenn­stoff­kosten steigen und mit ihnen steigen vielfach die Preise für Haushalts­strom. Doch Energie­ver­sorger können viel falsch machen, wenn sie ihre Preise erhöhen. Dies liegt auch an den Gerichts­ent­schei­dungen der vergan­genen Jahre, die vielfach langgeübte Praktiken von Unter­nehmen für rechts­widrig erklärt haben. Besonders im nach wie vor wichtigen Bereich der Grund­ver­sorgung müssen Unter­nehmen nun Einiges beachten, wenn sie die Preise den gestie­genen Bezugs­kosten anpassen. Das Wichtigste in aller Kürze:

Der Bundes­ge­richtshof (BGH), Urteil v. 29.10.2015, VIII ZR 13/12 und VIII ZR 158/11, geht davon aus, dass der Versorger ein Preis­an­pas­sungs­recht besitzt. Es beruht auf einer ergän­zenden Vertrags­aus­legung. Schließlich kann niemand davon ausgehen, dass er für alle Zeiten denselben Strom- oder Gaspreis bezahlt, und sein Lieferant alle Kosten­stei­ge­rungen trägt.

Aber Achtung! Gestiegene Kosten dürfen weiter­ge­geben werden. Gesunkene Kosten müssen aber auch weiter­ge­geben werden. Rosinen­picken ist nicht erlaubt. Auch nicht erlaubt: Die Marge darf nicht steigen. Da der Versorger das im Streit nachweisen muss, ist eine saubere Kalku­lation unbedingt nötig.

Obacht ist auch bei der Umsetzung geboten. Hier ist eine öffent­liche Bekanntgabe mindestens sechs Wochen vor der Preis­an­passung nötig. Das allein reicht aber nicht. Zeitgleich muss der Versorger diese zusätzlich per Brief an seine Kunden kommu­ni­zieren. Und sie im Internet veröf­fent­lichen. Hier reicht auch nicht ein ganz knapper Hinweis. Vielmehr muss er den Umfang, den Anlass und die Voraus­set­zungen der Änderung sowie den Hinweis auf die Rechte des Kunden zur Kündigung kommunizieren.

Diese Veröf­fent­li­chungs­pflichten und – daran anknüpfend – auch das Sonder­kün­di­gungs­recht bestehen auch dann, wenn der Versorger nur Abgaben und Umlagen 1:1 weitergibt. Das haben in der Vergan­genheit nicht ganz wenige Versorger anders gehalten. Einen Trost immerhin gibt es: Ist es schief­ge­laufen und die Preis­an­passung unwirksam, so kann der Kunde nur für einen Zeitraum von drei Jahren seit der Rechnungs­stellung rügen. Wider­spricht er solange nicht, kann er später für die weiter zurück­lie­gende Zeiten keine Rückzah­lungen geltend machen.

 

Sie brauchen einen Check der Preis­an­passung und eine Schritt-für-Schritt-Liste für die Umsetzung? Rufen Sie uns an unter 030 403 643 62 0. Oder sprechen Sie uns an

 

2018-09-27T00:14:33+02:0027. September 2018|Gas, Strom|