Herr Valk ruft an

Herr Valk ist nieder­ge­schlagen. Dabei dachte er diesmal, nun hätte er es endgültig raus: Vor wenigen Monaten war die Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) ja schon einmal abgemahnt worden, als er als Vertriebs­leiter nur ein paar wahllos aus dem Telefonbuch heraus­ge­griffene Leute aus Unter­al­theim angerufen und über die günstigen Tarife der SWO gegenüber der Konkurrenz, der Stadt­werke Unter­al­theim GmbH (SWU), aufge­klärt hatte. Das war über einige Wochen mit nicht geringem Erfolg sogar recht gut gelaufen. Aber als er dann verse­hentlich den Kraft­werks­leiter der Konkurrenz an der Strippe hatte: Da war es dann aus.

Frau Göker hatte kopfschüt­telnd eine straf­be­wehrte Unter­las­sungs­er­klärung abgegeben. Für jeden Anruf ohne Einwil­ligung sollte die SWO als Schuld­nerin nun eine von der SWU als Gläubi­gerin zu bestim­mende, gerichtlich überprüfbare Vertrags­strafe zahlen. Solche Vertrags­stra­fen­be­stim­mungen nennt man „Hamburger Brauch“.

Hoch und heilig hatte Valk versprochen, so etwas nie wieder zu tun.

Indes: Es nagte an seiner Vertriebs­lei­ter­seele. Zu erfolg­reich waren die Anrufe gewesen. Und als dann noch die SWU überpro­por­tional die Preise erhöhte … Kurz und gut. Vor zwei Wochen griff Valk wieder zum Telefon. Aber diesmal nicht ohne Einwil­ligung, schließlich sollte ihm ein so dummer Fehler nur einmal passieren. Statt­dessen fragte er nun mehr direkt zum Beginn jedes Telefonat: „Sind Sie einver­standen, ein kurzes Infoge­spräch über ihren Strom­tarif zu führen?“ Fast jeder hatte einge­willigt. Aber Unter­al­theim ist ein kleiner Ort, und die Leute sprechen mitein­ander. Und so flatterte schon nach wenigen Tagen Frau Göker eine Vertrags­stra­fen­for­derung auf den Tisch. 20.000 € will die SWU nun haben.

Aber ich habe doch Einwil­li­gungen eingeholt.“, ächzte Valk, als Frau Göker wie der rächende Engel Gottes wieder einmal vor seinem Schreib­tisch erschien. In ihrem Gefolge Justi­ziarin Frau Birte Berlach.

Eine unzumutbare Beläs­tigung ist stets anzunehmen bei Werbung mit einem Telefon­anruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrück­liche Einwil­ligung“, zitierte Frau Berlach aus § 7 Abs. 2 UWG.

Ist 20k nicht ganz schön viel?“, jammerte Falk, und Frau Göker sah Frau Berlach fragend an. In der Tat: Im Wettbe­werbs­sachen mit normaler wirtschaft­licher Bedeutung liegt die Spanne einer ausrei­chenden Vertrags­strafe norma­ler­weise eher zwischen 2500 € und 10.000 €. Um auf 20.000 €, also weit über dem Niveau des von der Recht­spre­chung im Rahmen einer Billig­keits­prüfung nach § 315 BGB heraus­ge­bil­deten Rahmens zu gehen, braucht es schon einige Argumente.

Solche Umstände hatte die SWU aber gar nicht dargelegt. Auf die Klage der SWO hin blieb es deswegen nicht bei den aufge­ru­fenen 10.000 €. Auf einen richter­lichem Hinweis einigten sich die Parteien auf eine Zahlung von 2.500 €, und Herr Valk schwor diesmal beim Leben seiner Großmutter, nie wieder etwas Vergleich­bares zu tun.

Das Valks Großmutter seit zehn Jahren auf dem Friedhof von Oberal­theim lag, musste ja niemand wissen

2018-08-23T21:21:40+02:0023. August 2018|Strom, Wettbewerbsrecht|

Sind NNE zu geheim?

Die Agora Energie­wende hat u. a. bei Herrn von Hammer­stein, Energie­rechtler bei der Kanzlei Raue LLP, ein am 22. August vorge­stelltes Gutachten in Auftrag gegeben, bei dem heraus­ge­kommen sein soll, dass Verbraucher viel weniger Netzentgelt zahlen könnten, wenn mehr Daten öffentlich zugänglich wären.

Aber halt. Gab es da nicht das Infor­ma­ti­ons­frei­heits­gesetz (IFG)? Und können Verbraucher nicht auch gemäß § 315 BGB vor Gericht die Offen­legung von Kalku­la­tionen verlangen? Der Agora reicht das aber nicht. Sie schießt scharf gegen das Recht von Unter­nehmen, Betriebs und Geschäfts­ge­heim­nisse nicht veröf­fent­lichen zu lassen. Forderung der Agora: Netzent­gelt­ge­neh­mi­gungen und damit Netzkosten müssten komplett veröf­fent­licht werden.

Nun ist Trans­parenz stets eine populäre Forderung. Doch übersieht die Agora, dass es durchaus auch ein legitimes, nicht anrüchiges Geheim­hal­tungs­in­teresse gibt. Denn Netzbe­treiber wollen keineswegs überhöhte Kosten verstecken. Das ist allein schon deswegen eine verfehlte Annahme, weil Netzbe­treiber nicht wie alle anderen Unter­nehmen ihre Preise frei bilden können, sondern regula­to­rische Vorgaben gelten, und sogar die zulässige Eigen­ka­pi­tal­ver­zinsung geregelt ist. Das Gutachten übersieht aber darüber hinaus, dass sich Netzbe­treiber durchaus auch mitein­ander im Wettbewerb befinden, etwa wenn Unter­nehmen sich um weitere Konzes­sionen bemühen. Und ein Betriebs – und Geschäfts­ge­heimnis existiert auch nicht nur einfach deswegen, weil der Betroffene es behauptet: Es gibt eine diffe­ren­zierte Recht­spre­chung zu den §§ 3 und 6 IFG, wann Behörden schweigen dürfen. Nach dieser, erst kürzlich noch einmal nachge­schärften Recht­spre­chung ist klar, dass die Verwei­gerung von Infor­ma­tionen stets die gerichtlich voll überprüfbare Ausnahme sein muss. Auch der EuGH hat in einer recht aktuellen Entscheidung klar gefordert, dass nur bei Inter­es­sen­be­ein­träch­ti­gungen der Person, von der die Infor­ma­tionen stammen oder eines Dritten oder auch des Aufsichts­systems insgesamt Infor­ma­tionen der Öffent­lichkeit verweigert werden dürfen.
Wer argwöhnt, dass die Behörden dabei zu großzügig vorgehen, kann jederzeit klagen. Hier muss das betroffene Unter­nehmen nun sehr detail­liert darlegen, warum es von Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nisse ausgeht, wie kürzlich auch nochmal das OVG Berlin-Brandenburg festge­stellt hat. Angesichts dieser Rechtslage ist nicht recht nachvoll­ziehbar, wo es noch Infor­ma­tionen geben soll, die die Öffent­lichkeit nicht erfährt, obwohl dies niemandem schadet.
2018-08-23T08:56:26+02:0023. August 2018|Gas, Strom, Verwaltungsrecht|