Kein Anspruch auf Leistungs­an­passung nach der AVBFernwärmeV

Üblicher­weise sehen Fernwär­me­lie­fer­ver­träge zwei Preis­be­stand­teile vor: Den Leistungs­preis, der die Vorhaltung der Wärme­ka­pa­zität abdeckt. Und den Arbeits­preis, der sich auf die tatsächlich gelie­ferte Wärme bezieht. Mit anderen Worten: Der Kunde bezahlt einmal dafür, dass sein Versorger ein für alle Versorgten ausrei­chend großes Heizkraftwerk und zum Transport geeignete Versor­gungs­lei­tungen unterhält. Und dann zahlt er separat dafür, dass diese Anlage auch läuft und liefert.

Wie hoch die für ihn vorge­haltene Leistung ist, legt der Kunde vor Beginn des Vertrags­ver­hält­nisses fest. Praktisch macht meistens der Versorger einen Vorschlag, der sich entweder am früheren Verbrauch der Immobilie orien­tiert. Oder am Effizi­enz­standard und dem Nutzungs­zweck des Gebäudes.

Nun laufen Fernwär­me­lie­fer­ver­träge lange. Die AVBFern­wärmeV erlaubt Laufzeiten bis zu zehn Jahren, vgl. § 32 Abs. 1 AVBFern­wärmeV. In zehn Jahren aber kann viel passieren. Oft muss heute auch viel passieren, was die Effizienz von Gebäuden angeht. Wird saniert, sinkt der Bedarf an Wärme aber natur­gemäß. Der Kunde verhält sich zu seinem seit Jahren laufenden Fernwär­me­lie­fer­vertrag nun also wie ein Mensch, der stark abgenommen hat, zu seinen alten Hosen: Viel zu viel Stoff, bzw. viel zu viel Leistung.

Doch kann der Kunde nun einfach verlangen, dass die für ihn vorge­haltene und von ihm bezahlte Leistung nun nach unten angepasst wird? Dafür spricht, dass er sie ja nun schlicht nicht mehr braucht. Dagegen spricht aber auch ein gewich­tiges Argument: Der Versorger muss langfristig planen, weil Heizkraft­werke schließlich nicht beliebig vergrößer- und verkleinerbar sind. Würde er beispiels­weise 2005 ein Kraftwerk für einen Bedarf von damals 100% bauen, und dann würden ihm bis 2015 30% von dieser Gesamt­leistung trotz an sich langfris­tiger Verträge gekündigt, müsste er die Inves­ti­ti­ons­kosten und die Fixkosten für die nun nicht mehr benötigte Kraft­werks­leistung ja trotzdem tragen. Schon deswegen erscheint es unbillig, wenn der Wärme­kunde nun einfach seine Leistung beliebig verringern kann.

Dies sieht auch der Verord­nungs­geber der  AVBFern­wärmeV so. In § 3 AVBFern­wärmeV heißt es deswegen:

… Der Kunde ist verpflichtet, seinen Wärme­bedarf im verein­barten Umfange aus dem Vertei­lungsnetz des Fernwär­me­ver­sor­gungs­un­ter­nehmens zu decken. Er ist berechtigt, Vertrags­an­passung zu verlangen, soweit er den Wärme­bedarf unter Nutzung regene­ra­tiver Energie­quellen decken will;…“

Ist der Kunde berechtigt, beim Umstieg auf Erneu­erbare Vertrags­an­passung zu verlangen, heißt das im Umkehr­schluss, dass er dann, wenn er einfach nur weniger Fernwärme braucht, jeden­falls seine Leistung nicht verringern kann. Er muss also auf das Auslaufen seines Vertrags warten, bzw. recht­zeitig kündigen, um den Vertrag anpassen zu können.

Versorger müssen also nicht die verein­barte Leistung im laufenden Vertrag anpassen. das heißt aber natürlich nicht, dass sie es nicht können. Kommt ein Kunde recht­zeitig auf den Versorger zu, so dass dieser langfristig dispo­nieren kann, ist es in vielen Fällen möglich, eine einver­nehm­liche Lösung zu finden und die verein­barte Leistung auf freiwil­liger Basis zu reduzieren, etwa, weil der Versorger andere Kunden hat, die die freiwer­denden Kapazi­täten nachfragen. Auch hier gilt also: Recht­zeitige Kommu­ni­kation hilft.

 

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2018-08-14T08:46:13+02:0013. August 2018|Wärme|

BVerwG entscheidet über Grenzen der Befrei­ungs­mög­lichkeit von Festset­zungen des B‑Plans

Vielleicht haben Sie schon davon gehört: Ein Unter­nehmen wollte am Wannsee einen Sechs­ge­schosser bauen. Warum auch nicht, denkt sich der unbefangene Bürger. Die Stadt wächst, Wohnraum ist knapp, und jedes Geschoss mehr gerade in so begehrten Lagen wie am Großen Wannsee städte­baulich deswegen ein Gewinn. Die Nachbarn – ein Segel­verein – aller­dings waren nicht begeistert. Sie zogen vor Gericht und fochten den Bauvor­be­scheid teilweise an.

Zwar sind Nachbarn nicht Adres­saten einer Bauge­neh­migung bzw. eines Bauvor­be­scheides. Und in Deutschland gibt es keine Popular­klage, es kann also nicht jeder klagen, sondern erst einmal nur die Betrof­fenen. Nachbarn können aber selbst, unmit­telbar und gegen­wärtig betroffen sein, wenn neben ihrem Grund­stück etwas Rechts­wid­riges geschieht. Deswegen billigt ihnen das deutsche Verwal­tungs­pro­zess­recht das Recht zu, wie Adres­saten einen Verwal­tungsakt gerichtlich überprüfen zu lassen. Hiervon ganz klar zu unter­scheiden sind die sog. Verbands­klagen, etwa das Klage­recht der Umwelt­ver­bände, die nicht wegen eigener Betrof­fenheit, sondern sozusagen stell­ver­tretend für Umwelt und Natur vor Gericht ziehen können, wenn es um Umwelt­normen geht.

Unter Berufung auf das nachbar­liche Klage­recht zog auch der Segelclub vom Wannsee vors Verwal­tungs­ge­richt (VG). Sein Argument: Für das Grund­stück gebe es einen Bebau­ungsplan aus dem Jahre 1959, und der sehe nur Zweige­schosser vor.

Gut, 1959 ist wirklich lange her. Aber Bebau­ungs­pläne haben kein einge­bautes Verfalls­datum. Und es ist zwar an sich gem. § 31 BauGB möglich, sich von einer maximalen Vollge­schosszahl ausnahms­weise befreien zu lassen. Aber diese Befrei­ungs­mög­lichkeit der Baube­hörden besteht nicht unbegrenzt. In diesem Fall sagen VG, Oberver­wal­tungs­ge­richt und jetzt auch das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt die Spiel­räume für zulässige Abwei­chungen als überschritten an. Denn § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB  erlaubt Abwei­chungen nur dann,

wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden“

Dies sei – so jetzt das BVerwG – aber der Fall, wenn eine Abwei­chung wie hier die Umgebung so weitgehend verändern würde, dass nicht die Baube­hörden allein, sondern der Satzungs­geber darüber entscheiden solle.

Was heißt das für die Praxis? Wenn ein Gebäude nach Erteilung einer Abwei­chungs­er­laubnis auffällig aus der Umgebung heraus­sticht, sollten Behörden und Bauherren es nach Möglichkeit nicht auf einen Prozess ankommen lassen. In einem solchen Fall ist eine Bebau­ungs­plan­än­derung der aufwän­digere, aber letztlich auch wegen der Dauer eines Verwal­tungs­pro­zesses erfolg­ver­spre­chendere Weg.

2018-08-13T08:42:31+02:0013. August 2018|Verwaltungsrecht|