Vielleicht haben Sie schon davon gehört: Ein Unternehmen wollte am Wannsee einen Sechsgeschosser bauen. Warum auch nicht, denkt sich der unbefangene Bürger. Die Stadt wächst, Wohnraum ist knapp, und jedes Geschoss mehr gerade in so begehrten Lagen wie am Großen Wannsee städtebaulich deswegen ein Gewinn. Die Nachbarn – ein Segelverein – allerdings waren nicht begeistert. Sie zogen vor Gericht und fochten den Bauvorbescheid teilweise an.
Zwar sind Nachbarn nicht Adressaten einer Baugenehmigung bzw. eines Bauvorbescheides. Und in Deutschland gibt es keine Popularklage, es kann also nicht jeder klagen, sondern erst einmal nur die Betroffenen. Nachbarn können aber selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen sein, wenn neben ihrem Grundstück etwas Rechtswidriges geschieht. Deswegen billigt ihnen das deutsche Verwaltungsprozessrecht das Recht zu, wie Adressaten einen Verwaltungsakt gerichtlich überprüfen zu lassen. Hiervon ganz klar zu unterscheiden sind die sog. Verbandsklagen, etwa das Klagerecht der Umweltverbände, die nicht wegen eigener Betroffenheit, sondern sozusagen stellvertretend für Umwelt und Natur vor Gericht ziehen können, wenn es um Umweltnormen geht.
Unter Berufung auf das nachbarliche Klagerecht zog auch der Segelclub vom Wannsee vors Verwaltungsgericht (VG). Sein Argument: Für das Grundstück gebe es einen Bebauungsplan aus dem Jahre 1959, und der sehe nur Zweigeschosser vor.
Gut, 1959 ist wirklich lange her. Aber Bebauungspläne haben kein eingebautes Verfallsdatum. Und es ist zwar an sich gem. § 31 BauGB möglich, sich von einer maximalen Vollgeschosszahl ausnahmsweise befreien zu lassen. Aber diese Befreiungsmöglichkeit der Baubehörden besteht nicht unbegrenzt. In diesem Fall sagen VG, Oberverwaltungsgericht und jetzt auch das Bundesverwaltungsgericht die Spielräume für zulässige Abweichungen als überschritten an. Denn § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erlaubt Abweichungen nur dann,
„wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden“
Dies sei – so jetzt das BVerwG – aber der Fall, wenn eine Abweichung wie hier die Umgebung so weitgehend verändern würde, dass nicht die Baubehörden allein, sondern der Satzungsgeber darüber entscheiden solle.
Was heißt das für die Praxis? Wenn ein Gebäude nach Erteilung einer Abweichungserlaubnis auffällig aus der Umgebung heraussticht, sollten Behörden und Bauherren es nach Möglichkeit nicht auf einen Prozess ankommen lassen. In einem solchen Fall ist eine Bebauungsplanänderung der aufwändigere, aber letztlich auch wegen der Dauer eines Verwaltungsprozesses erfolgversprechendere Weg.
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