Ab dem ersten Geburtstag hat ein Kind Anspruch auf einen Kitaplatz. Wie man diesen geltend macht, habe ich vor einigen Wochen bereits einmal dargestellt. Aber was, wenn das Jugendamt – in Berlin sind das die Bezirke – diesen nicht bereitstellen kann, weil es nicht genug gibt? Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) stellte im letzten Jahr fest, dass bundesweit fast 300.000 Plätze fehlen. Das ist nicht nur dramatisch für die Kinder, denen die Förderungsmöglichkeiten einer Kita vorenthalten werden. Sondern auch für die Eltern, die nicht so arbeiten können, wie sie es möchten.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2015 klargestellt hat (1 BvF 2/13, dort Rn. 43), dass der Anspruch auf einen Kitaplatz nicht unter einem Kapazitätsvorbehalt steht, konnten sich die Gemeinden nicht mehr darauf herausreden, dass sie keine Plätze haben. Zuletzt hatte sich eine Rechtsprechung durchgesetzt, nach der die Jugendämter Kitaplätze zuweisen mussten, und ansonsten auch teurere private Betreuungslösungen tragen oder die entgangenen Einkünfte für längere Elternzeiten als ursprünglich beabsichtigt tragen mussten.
Am Ende sahen sich also doch die Eltern in der Pflicht. Das könnte sich jetzt allerdings ändern: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 22.03.2018 (OVG 6 S 2.18 und OVG 6 S 6.18) das Land Berlin verpflichtet, innerhalb von fünf Wochen Kitaplätze (oder gleichwertige Betreuungsplätze) in angemessener Entfernung von weniger als 30 Minuten nachzuweisen. Wie diese Plätze angesichts von Fachkräftemangel und Ausbauschwierigkeiten herzustellen sind, ist dabei nicht das Problem der Eltern.
Was folgt daraus für die Praxis? Eltern sollten so früh wie möglich Kitagutscheine beantragen. Den Weg zur Wunschkita wird wohl jede Familie auch weiterhin einschlagen, denn schließlich gibt es erhebliche räumliche und qualitative Unterschiede zwischen den Einrichtungen. Doch wenn die Wunschkita absagt, sollten Eltern rechtzeitig das Gespräch mit dem Jugendamt suchen, wenn der vollständig und fristgemäß gestellte Antrag nicht beschieden wird, mit Untätigkeitsklage drohen und diese notfalls einlegen. Diese Schritte sollten so rechtzeitig eingeleitet werden, dass das Jugendamt mindestens die in diesen beiden Eilverfahren für angemessen erklärten fünf Wochen Zeit hat, um Kitaplätze nachzuweisen. Sollte sich auch dann nichts tun, wäre an gerichtlich festgesetzte Zwangsmaßnahmen zu denken. Doch erfahrungsgemäß lassen Behörden es so weit dann doch nicht kommen. Als Eltern vergrößern sich durch diese sich fortentwickelnde Rechtsprechung die Spielräume. Für die Städte und Gemeinden jedoch heißt es nun, auch unkonventionelle Wege zu gehen, um den gesetzlich eingeräumten Anspruch in jedem Fall erfüllen zu können. Abwimmeln und aussitzen und auf private Initiative hoffen ist jedenfalls keine ernsthafte Option mehr.
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