Anlieger- statt Bewohnerparken: Ist das rechtlich zulässig?
Es ist ein bisschen wie die Erfindung des Rades: Wir haben uns so daran gewöhnt, dass Autos in der Stadt die meiste Zeit in Wohnortnähe herumstehen, dass es wie eine Neuigkeit klingt, wenn die Berliner Verkehrssenatorin der Presse verkündet, „dass Menschen nicht nur dort parken möchten, wo sie wohnen, sondern häufig auch einen bestimmten anderen oder zwei bestimmte andere Punkte haben in der Stadt, wo ihr Verkehrsbedürfnis sie immer wieder hinführt“. Daher arbeitet die Berliner CDU nach Presseverlautbarungen an einem „Gesamtkonzept für das Anwohnerparken“. Dies soll vorsehen, dass Berliner nicht nur für ihr eigenes Quartier einen Bewohnerparkausweis bekommen können, sondern auch für weitere Bewohnerparkgebiete, für die sie ein Verkehrsbedürfnis nachweisen können. Dies soll im Rahmen des Gesamtkonzepts mit einer Erhöhung der Gebühren für den Parkausweis auf 80 – 120 Euro einhergehen.
Darauf, wie das Konzept im Einzelnen ausgearbeitet und begründet wird, sind wir schon gespannt. Denn wir haben Zweifel rechtlicher, ökonomischer und verkehrspolitischer Natur:
- Rechtlich beruht das inzwischen sogenannte Bewohnerparken, auf das sich die Senatorin bezieht, auf der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 15 b) StVG geregelten Gesetzesgrundlage. Es stellt eine eng begrenzten Ausnahme für „Bewohner städtischer Quartiere“ vom Grundsatz der Präferenz- und Privilegienfreiheit des Straßenverkehrsrechts dar. Wie sich aus der Rechtsprechung und den Verwaltungsvorschriften für § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 a) StVO ergibt, dürfen Bewohnerparkgebiete nur mit einer Ausdehnung von 1.500 m angeordnet werden, da sie diese Bevorrechtigung sonst unzulässig ausdehnen. Menschen mit einem Verkehrsbedürfnis sind straßenverkehrsrechtlich „Anlieger“. Sie können im Rahmen des Gemeingebrauchs wie alle Verkehrsteilnehmer auch parken, aber bisher nicht bevorrechtigt. Wenn man Menschen mit einem wichtigen Anliegen Möglichkeiten geben will, dann wäre das nach geltendem Recht nur im Einzelfall aufgrund einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahme nach § 46 StVO möglich. Eine Alternative wären entsprechend teure Dauerparkausweise im Rahmen der normalen Parkraumbewirtschaftung nach dem sogenannten „Landauer Modell“.
- Ökonomisch ist sehr fragwürdig, ob die nach dem Konzept erforderliche Bedarfsprüfung für die Nutzung weiterer Bewohnerparkgebiete tatsächlich auf der Grundlage von 80 – 120 Euro erfolgen kann. Allein der Verwaltungsaufwand für die Beantragung üblicher Bewohnerparkausweise und die Instandhaltung der Parkplätze dürfte von diesem Betrag nicht abgedeckt sein.
- Verkehrspolitisch diente das Bewohnerparken der Verringerung des Parkdrucks und inzwischen auch dem Umweltschutz und der Unterstützung der geordneten städtebaulichen Entwicklung. Diese Ziele werden durch eine inflationäre Ausweitung der Berechtigten des Bewohnerparkens in Frage gestellt.
Das Anliegen von Autofahrern, nicht nur in Wohnortnähe einen Parkplatz zu finden, ist nachvollziehbar. Es kann auch wichtige Verkehrsbedürfnisse in weiteren Quartieren als dem „eigenen Kiez“ geben. Dafür bedarf es aber einer Lösung, die Berliner nicht gegenüber Pendlern aus Brandenburg unzulässig privilegiert. Für Härtefälle gibt es die Möglichkeit straßenverkehrsrechtlicher Ausnahmen, für den normalen Berufspendler oder für häufiger Verwandtenbesuche könnten Dauerparkausweise zu angemessenen Rabatten eine Lösung sein. (Olaf Dilling)
Die neue „Übergangsversorgung“ – § 38a EnWG‑E
Ende 2022 hingen wir einige Male am Telefon: Großkundenverträge Gas und Strom liefen zum Jahresende aus, und ein Ersatz war einfach nicht zu beschaffen. Wir kennen eigentlich viele Leute. Aber das hatten wir noch nicht erlebt.
Das Problem sah auch die Politik. Sie erließ deswegen für die Monate Januar und Februar 2023 einen § 118c EnWG, der eine befristete Notversorgung von Letztverbrauchern durch denjenigen Energielieferanten vorsah, der den jeweiligen Letztverbraucher bis zum 31. Dezember 2022 beliefert hatte. Die Betroffenen erhielten somit zwei Monate Zeit, um einen neuen Lieferanten zu finden. Der Lieferant war berechtigt, die Kosten der kurzfristigen Beschaffung mit einem Aufschlag von 10 % weiterzugeben. Damit schloss die Politik für einen vorübergehenden Zeitraum eine Lücke: Die Ersatzversorgung nach § 38 Abs. 1 EnWG regelt nur die Versorgung in der Niederspannung beziehungsweise im Niederdruck.
Hieran will der Gesetzgeber nun ganz anders, aber mit ähnlicher Zweckrichtung, anknüpfen (siehe hier). Ein neuer § 38a EnWG soll eine Übergangsversorgung auch für Mittelspannung bzw. Mitteldruck ermöglichen. Erfasst werden sollen dabei auch Letztverbraucher, die direkt an einer Umspannung von Niederspannung auf Mittelspannung angeschlossen sind. Allerdings ist keine verpflichtende Regelung vorgesehen. Vielmehr soll die neue Vorschrift es ermöglichen, dass der örtliche Netzbetreiber und der lokale Grundversorger ein Angebot zur Übergangsversorgung vereinbaren können. Der Abschluss einer solchen Regelung ist also fakultativ. Eine Zuordnung der Versorgungspflicht zu einer anderen Person erlaubt der Entwurf jedoch nicht. Gibt es eine solche Vereinbarung, muss sie aber diskriminierungsfrei angewandt werden, verweigert werden darf deswegen nur bei Unzumutbarkeit.
Damit es nicht zu einer Versorgungslücke kommt, verpflichtet ein geplanter Abs. 4 den Netzbetreiber, betroffene Letztverbraucher bei Kenntnis eines drohenden vertragslosen Zustands zu informieren, wie es weitergeht. Er muss diese Informationen zwar nicht selbst aktiv beschaffen, aber sobald er Kenntnis hat, muss er tätig werden.
Bei den Bedingungen der Übergangsversorgung greift der Entwurf auf die bewährten Regeln der Ersatzversorgung in Niederspannung bzw. Niederdruck zurück. Es besteht eine Veröffentlichungspflicht, auch hinsichtlich der Tarife. Diese dürfen jeweils zum 1. und zum 15. eines Monats geändert werden. Auch entsteht keine dauerhafte Versorgungspflicht, sondern lediglich eine zeitlich befristete Übergangsversorgung über maximal drei Monate.
Doch was passiert, wenn Grundversorger und Netzbetreiber keine Vereinbarung treffen? Mit dieser Frage hat sich die Rechtsprechung bereits befasst. Die Lage ist jedoch nicht eindeutig: Es gibt Rechtsprechung zu dieser Frage, die aber nicht widerspruchsfrei ist, insbesondere hinsichtlich der Frage, aus welchem Portfolio Strom stammt, der vertragslos entnommen wurde (hier, hier und hier). Schon um diese Unsicherheit zu beseitigen, wäre eine gesetzliche Regelung sinnvoll. Allerdings ist zu befürchten, dass sie aufgrund ihres fakultativen Charakters nicht flächendeckend zur Klärung beiträgt. Im Ergebnis muss also sicher weiterhin im Einzelfall geprüft werden (Miriam Vollmer).
Kommt der gesetzliche Drittzugang zum Wärmenetz?
Die Lieferung von Strom, Gas und Fernwärme galt aufgrund ihrer Netzgebundenheit noch bis in die 90er Jahre als „natürliche Monopole“ in denen ein Wettbewerb verschiedener Anbieter schon rein technisch nicht möglich erschien. Dann kam bekanntlich die Lisberalisierung der Strom- Und Gasversorgung und über das konzept der Entflechtung von Netzbetrien und Energielieferung, sowie die gesetzliche Pflicht zur diskriminierungsreien Netznutzung hielt der Wettbewerb einzug. Die Wärmeversorgung blieb hiervon aber verschont. Dort gilt weiterhin, der an ein Fernwärmenetz angeschlossene Wärmekunde kann dort nicht zwischen verschiedenen Wärmelieferanten wählen, sondern hängt am lokalen (Monopol)versorger.
Wie wir berichtet hatten, wurde dieser Zustand vor kurzem von der Monopolkommission bemängelt und auch hier die Einführung eines gesetzlich geregelten Systems des freien (Wärme)Netzzugangs gefordert.
Die Bundesregierung scheint hiervon jedoch insgesamt nicht sonderlich begeistert. In Ihrer Antwort heißt es:
„Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat bereits Möglichkeiten wettbewerbsstruktureller Eingriffe ins Marktdesign, insbesondere eine Zugangsregulierung zugunsten von Wärmeerzeugern, geprüft.Teilweise ist der Fremdbezug von Wärme bereits in der Praxis etabliert und dürfte zur Erfüllung der Dekarbonisierungsvorgaben des WPG künftig auch ausgeweitet werden. Einem Netzzugang von dritten Wärmelieferanten zur Versorgung eigener Kunden (i.S. einer Durchleitung wie bei Strom/Gas) können in vielen Fällen aber auch prohibitive technische und wirtschaftliche Hindernisse entgegenstehen. Ein gesetzlich geregelter, regulierter Drittnetzzugang wäre aufgrund der Heterogenität der Netzstruktur jedenfalls hochkomplex und bedarf politischer Weichenstellungen – es ist jedenfalls kein kurzfristig umsetzbares Instrument.“
Mit anderen Worten: Könnte man zwar machen, gibt es im Einzelfall auch schon, aber für eine gesetzliche Regelung ist uns das Ganze derzeit zu komplex.
(Christian Dümke)
Globales Plastikabkommen – Sommer, Sonne, Plastikmüll?
Wenn Sie in diesem Jahr im Urlaub am Meer (z.B. am Mittelmeer) waren, werden Sie es vielleicht auch gesehen haben. Mich betrübt es immer sehr. Kunststoffmüll an den Stränden. An einigen Meeren und Strandabschnitten ist es besonders schlimm. Gerade abseits der Touristenhotspots wird mit der Situation unmittelbar konfrontiert: Wo keine Reinigungskräfte frühmorgens den Strand aufwendig säubern, läuft man nicht nur durch feinkörnigen Sand, sondern auch durch jede Menge Plastikmüll. Übrigens: Zu den größten Verschmutzern gehören dabei die Mittelmeer-Anrainerstaaten Ägypten, Türkei und Italien. Zwei Drittel aller Kunststoffabfälle stammen von hier. Allein in Italien werden jeden Tag 32 Millionen Plastikflaschen benutzt – ein europaweiter Rekord, so der WWF.
Seit Jahren wächst im Grunde der Druck, die weltweite Plastikflut einzudämmen. Ein globales Abkommen unter dem Dach der Vereinten Nationen sollte verbindliche Regeln schaffen. Dies reicht von der Reduzierung der Plastikproduktion bis hin zu strengeren Vorgaben für Recycling. Doch die jüngsten Verhandlungsrunden sind ins Stocken geraten.
Vor allem die Interessenlage ist gespalten: Während viele Staaten ein ambitioniertes Abkommen mit klaren Reduktionszielen fordern – so auch Deutschland –, drängen erdöl- und kunststoffproduzierende Länder auf freiwillige Maßnahmen. Am Ende blieb der kleinste gemeinsame Nenner in Genf bei der letzten Verhandlungsrunde.
Die Praxis zeigt, dass wir in vielen Bereichen mit dem Recycling nicht weiterkommen. Es gibt zu viele Arten Kunststoffe, Additive, Weichmacher, Farbstoffe etc. Neben wirtschaftlichen Fragen erschweren technischen Hürden Recyclinglösungen. Daher ist auch beispielsweise ein Ende der Abfalleigenschaft schwierig zu erreichen. Das Scheitern der Verhandlungen verdeutlicht, dass die Lösung nicht allein im „besseren Recycling“ liegt. Notwendig wäre vor allem eine drastische Verringerung der Plastikproduktion – ein Schritt, zu dem sich die Weltgemeinschaft bislang nicht durchringen konnte.
Gasspeicher: Wie ist die Rechtslage?
Es geht durch die Presse: Die deutschen Gasspeicher sind aktuell nur zu 67,66% gefüllt. In den letzten zwei Jahren betrug der Füllstand zu diesem Zeitpunkt noch rund 90%. Im Jahr 2022, als man wegen der Beendigung der Versorgung aus Russland kalten Winter fürchtete, hatte man die Speicher zu immerhin 75% voll.
Die Bundesregierung hält dies für unproblematisch, auch wenn der neuen LNG-Terminals. Deutschland kann heute – das ist unbestritten – mehr amerikanisches und norwegisches Flüssiggas kaufen als in der Vergangenheit. Eilige Regelwerke, die Geschäfte zur frühzeitigen Verdunkelung und Unternehmen zur Absenkung der Raumtemperatur verpflichten, sind in der Tat unwahrscheinlich. Doch wie sieht es rechtlich aus?
Tatsächlich ist der Füllstand der deutschen Gasspeicher keine rein privatwirtschaftliche Frage. § 35a – § 35h Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verpflichten die Betreiber, Deutschland nicht noch einmal so in Bedrängnis zu bringen wie die Gazprom, die 2021 den größten deutschen Gasspeicher in Rehden leer laufen ließ, was die kurzfristige Abhängigkeit von der russischen Gasversorgung noch einmal drastisch erhöhte. Zwar hat die Bundesregierung die Gasspeicherbefüllungsverordnung inzwischen aufgehoben, auf deren Basis statt Gazprom seinerzeit die Trading Hub Europe (THE) das Speichermanagement übernahm. Aber die gesetzlichen Vorgaben gibt es nach wie vor. Sie laufen erst 2027 aus.
Hier schreibt nun § 35b Abs 1 EnWG vor, dass am jeweils 1. Oktober 80%, am 1. November 90% und am 1. Februar 30% Füllstand vorzuhalten sind. Aktuell besteht damit noch kein rechtswidriger Zustand, es spricht aber viel dafür, dass das Ziel zum 1. November nicht mehr erreichbar ist.
Doch was passiert, wenn am 1. November die Vorratskammern leer sind? Klappt es nicht, wird laut EnWG der Marktgebietsverantwortliche aktiv, wenn das Wirtschaftsministerium zustimmt oder dies anordnet. Zu deutsch: Die THE beschafft Mengen und bekommt das Geld für diese Maßnahmen ersetzt.Bislang wurden diese Gelder über die Gasspeicherumlage von den Gaskunden aufgebracht. Ab 2026 soll diese entfallen, das Geld soll wohl – das steht aber nicht fest – aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) ersetzt werden, in den die Gelder v. a. aus dem Emissionshandel fließen und der eigentlich den deutschen Weg zur Klimaneutralität ebnen soll.
Was bedeutet das aktuell? Die Bundesregierung sieht keinen Grund zur Sorge. Es ist also eher nicht zu erwarten, dass sie den Füllstand durch aktive Maßnahmen erhöht. Gut möglich also, dass die Gasspeicher dieses und auch nächstes Jahr, bis die Vorgaben sowieso auslaufen, die gesetzlichen Füllstandsvorgaben unterschreiten, ohne dass aktiv dagegen gesteuert wird. Ist das Grund zur Sorge? Eher nicht, es sei denn, die weltpolitische Lage ändert sich noch einmal so drastisch, wie es aktuell nur schwer vorstellbar erscheint. Und in einer derzeit noch mittelfernen Zukunft ist Deutschland dann ja ohnehin von Erdgas zumindest fürs Heizen weitgehend unabhängig (Miriam Vollmer).
Verkehrsberuhigte Bereiche als Kompetenz der Gemeinde
In § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 StVO ist zu lesen, dass die „Straßenverkehrsbehörde“, in der Regel der Kreis oder die kreisfreie Gemeinde, „die notwendigen Anordnungen zur Kennzeichnungen von Fußgängerbereichen oder verkehrsberuhigten Bereichen“ trifft. Heißt das, dass Gemeinden verkehrsberuhigte Bereiche oder Fußgängerzonen nicht aufgrund ihrer Planungsautonomie aus Art. 28 Abs. 1 GG festsetzen können?
Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof hat dazu im Juni 2025 ein instruktives Urteil (23.06.2025 – 3 S 1464/24) gefällt. Es geht dabei um die Frage der Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans in der kleinen Gemeinde Wilhelmsfeld im Odenwald.

Frank, CC BY-SA 2.5 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5>, via Wikimedia Commons
Betroffen ist ein Wohngebiet, das bisher als reines Wohngebiet galt und nun als allgemeines Wohngebiet festgesetzt werden soll. Das heißt, dass im begrenzten Umfang gewerbliche Tätigkeiten und nicht störende Betriebe, wie Friseure, Bürobetriebe und Arztpraxen zugelassen werden sollen. Die Antragsteller des Normkontrollverfahrens hatten die Sorge, dass durch die neuen Festsetzungen und die dadurch ermöglichte Bautätigkeit die Verkehrs- und Lärmbelastung in ihrem Wohnviertel zunehmen würde.
Zudem wollte der Gemeinderat mit dem neuen B‑Plan auch ein bisher bestehendes verkehrsberuhigtes Gebiet aufheben. Stattdessen sollten sie einem so genannten „Wohnweg mit höhengleichen Straßenausbau“ weichen. Denn der Gemeinderat war der Auffassung, dass trotz eines entsprechenden Interesses der Anwohnenden eine verkehrsberuhigte Zone im Bebauungsplan nicht beibehalten werden könne. Aus Sicht der Antragstellerin obliege die Widmung von Verkehrsflächen als „Spielstraße“ oder als „verkehrsberuhigter Bereich“ alleine der zuständigen Straßenbehörde.
Der B‑Plan wurde nach § 13a BauGB im beschleunigten Verfahren erlassen. Aus formaler Sicht hatte das Gericht an dem Erlass des Bebauungsplans nicht allzuviel zu beanstanden. Denn die meisten Kritikpunkte waren nach § 214 BauGB unbeachtlich oder wurden nach § 215 BauGB nicht rechtzeitig gerügt. Außerdem sei zur Beurteilung der Frage, ob durch die Änderung der Festsetzungen des Bebauungsplans vom reinen zum allgemeinen Wohngebiet sich das Verkehrsaufkommen wesentlich erhöht, keine Beauftragung eines externen Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen.
Der Senat geht letztlich doch von der Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans aus. Denn der kategorische Ausschluss der Festsetzung eines verkehrsberuhigten Bereichs sei ein erheblicher Ermittlungs- und Bewertungsfehler. Die Gemeinde sei aufgrund ihrer Planungshoheit dafür zuständig, solche Zonen selbst durch Widmung (bzw. Widmungsfiktion iSd § 5 Straßengesetz BW) festzulegen. Es handelt sich nämlich um eine städtebauliche Entscheidung, die die Gemeinde selbst treffen muss. Die Straßenverkehrsbehörde ordnet nur noch die nachgeordnete Kennzeichnung dieser Zonen an. Ein „Wohnweg“ sei im Übrigen eine Kategorie, die verkehrsrechtlich als solche nicht existiert, so dass die von der Gemeinde getroffene Festsetzung auch nicht bestimmt genug ist. Dieser beachtliche Fehler sei aufgrund der rechtzeitigen Rüge beachtlich geblieben.
Die Zurückhaltung bei der Festsetzung verkehrsberuhigter Bereiche ist für Gemeinden mit zu schmalen Straßen ohne richtige Gehwege typisch. Stattdessen lassen sie sich von Planungsbüros, die rechtlich nicht gut beraten sind, oft zu rechtwidrigen Lösungen überreden, bei denen ein niveaugleicher Gehweg im Gegenverkehr überfahren werden soll. Das beruht auf der Mode, den öffentlichen Raum ohne Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten als „Shared Space“ auszugestalten, was oft genug auf Kosten vulnerabler Verkehrsteilnehmer geht. Vor Gerichten scheitern solche Lösungen regelmäßig.
Dabei ist gegen „Shared Space“ in manchen Fällen gar nichts einzuwenden. Es sollte nur klar sein, dass das Parken nur dort möglich ist, wo es explizit erlaubt ist und dann die Geschwindigkeit an den Fußverkehr angepasst werden muss. Beide Voraussetzungen sind in verkehrsberuhigten Zonen gegeben. (Olaf Dilling)