Über das Wesen der gesetzlichen Ersatzversorgung, die immer dann greift, wenn eine Letztverbraucher Strom oder Gas entnimmt, diese aber keiner vertraglichen Lieferung zugeordnet werden kann, hatten wir bereits hier schon einmal grundsätzlich geschrieben.
Allerdings gilt der Rechtsrahmen der gesetzlichen Ersatzversorgungspflicht durch den örtlichen Grundversorger ausdrücklich nur im Bereich der Niederspannung (Strom) bzw. des Niederdrucks (Gas). Für Kunden auf einer höheren Anschlussstufe (Mittelspannung) war die Zuordnung der Energienentnahme im Ersatzversorgungsfall daher oft fraglich. Eine analoge Anwendung der Ersatzversorgung auf die Mittelspannung scheidet jedenfalls nach einer aktuellen Entscheidung des BGH aus (BGH, 17.09.2024, EnZR 57/23).
Aber wer muss dann für den Energieverbrauch des vertragslosen Mittelspannungskunden bilanziell einstehen, wenn nicht der Ersatzversorger? Wir hätten jetzt nach dem Ausschlussprinzip auf den Netzbetreiber getippt, aber der BGH löst das in einer Entscheidung aus September 2024 anders.
„Besteht für eine Entnahmestelle kein Lieferverhältnis (mehr) und droht deshalb eine Versorgungslücke, ist eine diskriminierungsfreie Zuordnung nach sachlichen Kriterien erforderlich. Die Zuordnung beinhaltet für den betreffenden Lieferanten eine Erwerbschance. Sie führt zwar zunächst nur zur wirtschaftlichen Einstandspflicht des Lieferanten der an solchen Lieferstellen entnommenen Strommengen. Er muss sie unabhängig davon, ob er sich bei dem Nutzer der Lieferstelle schadlos halten kann oder nicht, auf eigene Kosten beschaffen oder dem Übertragungsnetzbetreiber als Ausgleichsenergie vergüten“
Das bedeudet, dass ein Lieferant für diese „außergesetzliche Ersatzversorgung“ einstehen muss – aber nicht zwingend der Ersatzversorger. Vielmehr muss eine „diskriminierungsfreie Zuordnung nach sachlichen Kriterien“ erfolgen. Und diese Zuordnung muss der Netzbetreiber treffen, denn die Marktlokation auch während eines vertragslosen Zustands zwingend einem Bilanzkreis zuzuordnen. Der BGH führt aus:
„Jedenfalls für eine zur Umsetzung der Sperrung erforderliche Übergangszeit bedarf es einer Bilanzkreiszuordnung der betroffenen Lieferstellen. Die Zuordnung muss der Netzbetreiber diskriminierungsfrei nach sachlichen Kriterien vornehmen, wobei er insbesondere die Netzstabilität, die Versorgungssicherheit und sonstige Interessen der betroffenen Letztverbraucher berücksichtigen muss. Es ist daher sachlich gerechtfertigt, wenn ein Netzbetreiber sie einem Energieversorgungsunternehmen zuordnet, das aus seiner Sicht nach den vorstehenden Kriterien voraussichtlich am besten in der Lage ist, die Versorgung kurzfristig sicherzustellen.“
(Christian Dümke)
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