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Ende der Abfall­ei­gen­schaft: Kommen jetzt EU-weite Standards für Kunststoffe?

Die Diskussion um das Ende der Abfall­ei­gen­schaft bei Kunst­stoffen nimmt auf europäi­scher Ebene Fahrt auf. Bislang gilt in Deutschland allein § 5 KrWG, der allge­meine Kriterien vorgibt – etwa, dass ein Verwer­tungs­ver­fahren abgeschlossen sein muss, ein konkreter Verwen­dungs­zweck und ein Markt existieren und Umwelt- wie Gesund­heits­ri­siken ausge­schlossen sind. In der Praxis führt das jedoch zu einer Vielzahl von Einzel­fall­ent­schei­dungen durch Behörden (wenn überhaupt!) und zu erheb­licher Rechts­un­si­cherheit für Recycler und Abnehmer. Über allem schwebt auch immer ein gewisses Maß Angst.

Mit dem Bericht des Joint Research Centre (JRC) der Europäi­schen Kommission liegt seit 2024 ein umfas­sender techni­scher Vorschlag für EU-weite End-of-Waste-Kriterien für Kunst­stoff­ab­fälle vor (hier). Vorge­sehen sind klare Anfor­de­rungen an die Qualität der Eingangs­ma­te­rialien, die Recycling­pro­zesse selbst sowie die Beschaf­fenheit der entste­henden Rezyklate. Auch Dokumen­­ta­­tions- und Rückver­folg­bar­keits­pflichten sind Teil des Konzepts. Ziel ist es, einheit­liche Standards zu schaffen, die über alle Mitglied­staaten hinweg gelten und den Markt für hochwertige Rezyklate beleben.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Rechts­si­cherheit für Unter­nehmen, weniger Bürokratie beim Handel und Transport sowie ein gestärkter Sekun­där­roh­stoff­markt. Gleich­zeitig stellen die Kriterien hohe Anfor­de­rungen an Quali­täts­si­cherung, Monitoring und die Schnitt­stellen zum Chemi­­kalien- und Produkt­recht. Vor allem die Hetero­ge­nität von Kunst­stoffen und die Vielzahl an Additiven machen die Ausge­staltung anspruchsvoll. Dies könnte hier auch die Achil­les­ferse werden.

Die JRC-Vorschläge sind nicht rechtlich bindend, doch sie bilden die Grundlage für eine kommende EU-Recht­­setzung. Und hier soll es wohl schnell gehen, berichtet zumindest EUWID. So wird die Kommission womöglich noch vor Jahresende einen Vorschlag für End-of-Waste-Kriterien an mecha­nisch und physi­ka­lisch recycelte Altkunst­stoffe vorlegen.

Zusammen mit der neuen Verpa­ckungs­ver­ordnung, die Rezyklat­quoten verbindlich vorschreibt, könnte das Ende der Abfall­ei­gen­schaft bei Kunst­stoffen damit in den nächsten Jahren zu einem echten Hebel für die europäische Kreis­lauf­wirt­schaft werden. Wünschenswert wäre es zumindest… (Dirk Buchsteiner)

Von |2. Oktober 2025|Kategorien: Abfall­recht|Schlag­wörter: , , , , |0 Kommentare

Jetzt auch Landge­richt Berlin: Erdgas­bindung kein ausrei­chendes Markt­element in Wärmelieferungsverträgen

Wir hatten hier bereits vor kurzem über die aktuelle Entscheidung des Landge­richts Frankfurt/Main berichtet, wonach eine Preis­än­de­rungs­klausel in einem Wärme­lie­fe­rungs­vertrag gegen die gesetz­lichen Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV verstößt, wenn der Wärme­ver­sorger zur Abbildung der Verhält­nisse auf dem Wärme­markt (Markt­element) allein auf die Bindung an einen Erdgas­index abstellt.

Zum gleichen Ergebnis ist nun auch das Landge­richt Berlin in einer von uns erstrit­tenen Entscheidung vom 26.09.2025, Az. 19 O 270/24 gelangt. Das Landge­richt Berlin führt dort aus:

Die Preis­an­pas­sungs­klausel wird den Anfor­de­rungen an das Markt­element nicht gerecht und ist daher gem. § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFern­wärmeV unwirksam. Die Klausel berück­sichtigt hierbei nur den Markt­preis für Erdgas und nicht den gesamten Wärme­markt. Mit dieser fernwär­me­recht­lichen Beson­derheit wollte der Verord­nungs­geber angesichts der häufig monopol­ar­tigen Stellung von Versor­gungs­un­ter­nehmen gegenüber einer rein kosten­ori­en­tierten Preis­an­passung (wie etwa nach § 24 Abs. 3 Satz 1 AVBWasserV) gewähr­leisten, dass Versorger durch Anpas­sungen des Wärme­preises nicht beliebig ihre Kosten weiter­reichen können, sondern sich aufgrund der Einbe­ziehung der Verhält­nisse am Wärme­markt – womit der allge­meine, das heißt der sich auch auf andere Energie­träger erstre­ckende Wärme­markt gemeint ist  – dem Vergleich mit anderen Energie­an­bietern stellen müssen und so einen Anreiz haben, die Wärme­ver­sorgung effizient zu gestalten.“

Weiterhin betont das Landge­richt Berlin das Erfor­dernis der Diver­sität beim Marktelement:

Da dieses Merkmal der Diver­sität der Energie­träger somit der zentrale Faktor für die Beurteilung des Markt­ele­ments ist, kommt es nicht darauf an, ob die von der Beklagten gewählte Referenz auf den Preis für Erdgas auf den markt­be­stim­menden und somit unter diesem Gesichts­punkt mögli­cher­weise markt­re­prä­sen­ta­tiven Energie­träger abstellt. Die Markt­re­ferenz der Beklagten hätte für die Anpassung des Arbeits­preises zumindest eine Vielzahl an Energie­trägern einbe­ziehen müssen, um ein mit § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFern­wärmeV verein­bares Markt­element darzu­stellen. Der Rückgriff auf den Mittelwert für Gas-Future-Preise nach dem EEX wird dem nicht gerecht.“

Eine reine Erdgas­bindung wurde in der Vergan­genheit in vielen Wärme­lie­fe­rungs­ver­trägen als vermeint­liches Markt­element verwendet. Man berief sich dafür auf eine angeb­liche Markfüh­rer­schaft von Erdgas. Dieser Auffassung haben mit LG Frankfurt und LG Berlin nunmehr in kurzer Zeit bereits zwei deutsche Gerichte widersprochen.

Beide Entschei­dungen sind noch nicht rechtskräftig.

(Christian Dümke)

Von |2. Oktober 2025|Kategorien: Allgemein|0 Kommentare

Rettung über den Radfahrstreifen

Radfahr­streifen und andere Maßnahmen der Verkehrs­wende haben zunehmend schlechte Presse, da sie angeblich die Rettungs­si­cherheit, Polizei und Feuerwehr beein­träch­tigen würden. Ist das tatsächlich in dieser Allge­meinheit zutreffend? Könnte die Zurück­drängung des Kfz-Verkehrs in den Städten nicht vielmehr dazu beitragen, freie Bahn für Einsatz­kräfte zu schaffen? Schließlich sind es oft Kraft­fahr­zeuge, die im Weg stehen, sei es, weil sie sich stauen und keine Rettungs­gasse gebildet wird oder werden kann, sei es, weil illegal parkende Kfz Feuer­wehr­ein­fahrten, Kurven oder enge Fahrbahnen blockieren.

Rettungswagen auf der Busspur

Bus- oder Radfahr­streifen: Beides könnte sich für Rettungs­fahr­zeuge eignen, um Staus zu umfahren.

Was Radfahr­streifen oder Fahrrad­straßen angeht, ist sowohl rechtlich als auch technisch Einiges möglich, was die Reakti­ons­zeiten der Rettungs­kräfte nicht beein­trächtigt oder sogar verbessern kann:

Grund­sätzlich dürfen Polizei und Feuerwehr aufgrund des § 35 Abs. 1 StVO von ihren Sonder­rechten Gebrauch machen, wenn es zur Erfüllung ihrer hoheit­lichen Aufgaben dringend erfor­derlich ist. Entspre­chendes gilt gemäß § 35 Abs. 5a StVO für Rettungs­fahr­zeuge, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschen­leben zu retten oder schwere gesund­heit­liche Schäden abzuwenden. Sie sind dann von den Vorschriften der StVO befreit und können daher auch Sonderwege benutzen, die für den Kfz-Verkehr nicht vorge­sehen sind. Nach § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO haben alle anderen Verkehrs­teil­nehmer sofort Platz zu schaffen, wenn dies durch das blaue Blink­licht der Einsatz­fahr­zeuge signa­li­siert wird. Dies gilt selbst­ver­ständlich auch für Fahrradfahrer.

Ob es auch technisch möglich ist, hängt davon ab, wie der Radfahr­streifen oder die Fahrrad­straße ausge­staltet ist. Bei schma­leren Radfahr­streifen, die noch nach dem Regelmaß von 1,85 m der Empfeh­lungen für Radver­kehrs­an­lagen (ERA) der FGSV geplant sind, ist eine Benutzung durch Rettungs­fahr­zeuge in der Regel nur dann möglich, wenn sie nicht durch bauliche Maßnahmen, insbe­sondere Poller, geschützt sind oder diese überfahrbar gestaltet sind. Letzteres setzt voraus, dass die Schwel­lenhöhe acht Zenti­meter nicht überschreitet. Da Fahrräder aufgrund ihrer wesentlich gerin­geren Platz­be­darfs flexibler aus dem Weg geräumt und notfalls auf den Bürger­steig geschoben werden können, bringt ein ungeschützter (oder mit überfahr­baren Schwellen geschützter) Radfahr­streifen an schmalen Fahrbahnen gegenüber einem weiteren Kfz-Streifen oft sogar einen Vorteil für die Rettungssicherheit.

Weiterhin ist es natürlich auch möglich, dass Radver­kehrs­in­fra­struktur so breit geplant wird, dass sie zugleich auch Rettungs­fahr­zeugen Platz bietet. Dies ist insbe­sondere bei Fahrrad­straßen sowie Zweirich­­tungs-Radwegen im Regelmaß der Fall. Gegenüber Straßen, die vom Durch­gangs­verkehr genutzt werden und in denen es leicht zu Staus kommt, bieten sie Rettungs­fahr­zeugen oft bessere Bedin­gungen. Voraus­setzung ist jedoch, dass die Durch­fahrts­sperren auf eine Weise gestaltet sind, dass Rettungs­ein­sätze nicht behindert werden, etwa durch Poller, die sich fernge­steuert herun­ter­fahren lassen.

Außerdem ist es inzwi­schen  rechtlich keineswegs mehr zwingend, dass für den Radverkehr nur Restflächen zur Verfügung stehen, die für den Kfz-Verkehr nicht gebraucht werden. Denn inzwi­schen können gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 b) StVO auch aus Gründen des Umwelt- und Gesund­heits­schutzes und zur Förderung der städte­bau­lichen Entwicklung angemessene Radver­kehrs­flächen angeordnet werden, die zugleich in Notfällen als Rettungsweg dienen können. Radfahr­streifen müssten dafür mindestens drei Meter lichte Breite aufweisen, also breiter gebaut werden, als es die bisherige Regel­breite der ERA verlangt. Ohnehin ist die ERA durch die E Klima 2022 dahin­gehend modifi­ziert worden, dass die Regel­breiten nunmehr als Mindest­breiten zu verstehen sind.

Einen entspre­chenden Vorschlag zur Ertüch­tigung von Radfahr­streifen an neural­gi­schen Straßen­ab­schnitten als sogenannten „Berlin Rescue Lanes“ hat die Fraktion der Grünen im Berliner Abgeord­ne­tenhaus vorge­schlagen. Angesichts der häufigen Probleme von Rettungs­fahr­zeugen angesichts von Staus, erscheint das ein sinnvoller Vorschlag, der zeigt, dass Verkehr­wende und Rettungs­si­cherheit sich mit ein bisschen gutem Willen keineswegs ausschließen müssen. (Olaf Dilling)

 

Von |1. Oktober 2025|Kategorien: Verkehr|Schlag­wörter: , |0 Kommentare

Novelle der Abfall­rah­men­richt­linie im Amtsblatt verkündet

Die Neufassung der Abfall­rah­men­richt­linie (Richt­linie (EU) 2025/1892) wurde heute im Amtsblatt der EU verkündet. Sie erweitert und verschärft zentrale Vorgaben der bishe­rigen Abfall­rah­men­richt­linie (Richt­linie 2008/98/EG) mit Blick auf Kreis­lauf­wirt­schaft, Ressour­cen­schutz und Abfallvermeidung.

Hierbei geht es im Wesent­lichen um folgende Neuerungen und Schwer­punkte in der überar­bei­teten Fassung:

  • Fokus­sierung auf Textilien und Lebens­mittel: Der Textil- und Lebens­mit­tel­sektor gelten als besonders ressour­cen­in­tensiv und hier sieht der EU-Geset­z­­geber große Poten­ziale für Verbes­se­rungen. Für Textilien werden daher strengere Regeln zur erwei­terten Herstel­ler­ver­ant­wortung einge­führt, inklusive Pflicht für Hersteller, Sammel‑, Sortier‑, Wieder­­ver­­­wen­­dungs- und Recycling­struk­turen aufzu­bauen und für die entste­henden Abfall­kosten aufzu­kommen. Zudem werden Defini­tionen und Klarstel­lungen (z. B. zu „gebrauchten Textilien, als zur Wieder­ver­wendung geeignet“) präzisiert.
  • Rechts­ver­bind­liche Minde­rungs­ziele für Lebens­mit­tel­ab­fälle: Für die Mitglie­der­staaten werden verbind­liche Ziele zur Reduktion von Lebens­mit­tel­ab­fällen bis 2030 einge­führt – sowohl für die Produk­­tions- und Verar­bei­tungs­ebene als auch für Vertrieb, Gastro­nomie und Haushalte. Außerdem soll ein System von Frühwarn­mel­dungen zu Zielver­feh­lungen einge­führt werden, um recht­zeitig Gegen­maß­nahmen zu ermöglichen.
  • Verstärkte Trans­parenz, Berichts- und Daten­er­he­bungs­pflichten: Die Richt­linie verpflichtet Staaten und Organi­sa­tionen zur Erfassung und Veröf­fent­li­chung von Daten zur getrennten Sammlung, Wieder­ver­wendung und Behandlung von Textil­ab­fällen. Ebenso sind regel­mäßige Erhebungen zur Zusam­men­setzung gesam­melter Siedlungs­ab­fälle vorge­schrieben, um den Anteil von Textilien darin zu überwachen.
  • Anreize für kreis­lauf­fähige Gestaltung (Ökodesign): Die Richt­linie sieht vor, dass die Beiträge der Hersteller im Rahmen der erwei­terten Herstel­ler­ver­ant­wortung je nach Umwelt­freund­lichkeit ihrer Produkte (z. B. Langle­bigkeit, Reparier­barkeit, Recycling­fä­higkeit) moduliert werden.

Ziel der Novel­lierung die Abfall­rah­men­richt­linie ist es, diese noch stärker zu einem Steue­rungs­in­strument mit verbind­lichen Zielen und erwei­terten Pflichten für Hersteller auszu­ge­stalten. Die Neure­ge­lungen treten Mitte Oktober in Kraft. Für die Umsetzung in natio­nales Recht bleiben den Mitglied­staaten dann 20 Monate Zeit. (Dirk Buchsteiner)

 

Von |26. September 2025|Kategorien: Abfall­recht|Schlag­wörter: , , , |0 Kommentare

Monito­ring­be­richt Energie­wende: Stand der Versorgungssicherheit

Der Monito­ring­be­richt Energie­wende befasst sich auch mit der Frage der künftigen Versor­gungs­si­cherheit und beschreibt hier heraus­for­de­rungen und Handlungsbedarf.

Die zukünftige Versor­gungs­si­cherheit im deutschen und europäi­schen Strom­system ist laut Monito­ring­be­richt mit erheb­lichen Unsicher­heiten verbunden. Entscheidend sind dabei vor allem die Entwicklung der Nachfrage, der Ausbau steuer­barer Kraft­werks­ka­pa­zi­täten sowie die Verfüg­barkeit von Flexi­bi­li­täts­op­tionen wie Speicher oder Lastmanagement.

Zur Bewertung der Lage dienen dem Monito­ring­be­richt vor allem zwei Studien: Das European Resource Adequacy Assessment (ERAA) der europäi­schen Übertra­gungs­netz­be­treiber und das Versor­gungs­si­cher­heits­mo­ni­toring (VSM) der Bundes­netz­agentur. Beide Berichte bilden die Grundlage für mögliche politische Entschei­dungen wie die Einführung eines Kapazitätsmechanismus.

Das ERAA 2024 zeigt, dass zumindest das angestrebte Niveau der Versor­gungs­si­cherheit in allen unter­suchten Jahren verfehlt wird. Im VSM 2025 tritt dieses Defizit nur im Szenario „Verstärkte Energie­wende“ für das Jahr 2030 auf. Wie groß der tatsäch­liche Bedarf an neuen Kraft­werken ist, hängt jedoch stark von den getrof­fenen Annahmen ab – etwa ob ein ausrei­chender Zubau an Gaskraft­werken ohne staat­liche Eingriffe wirklich über den Markt erfolgt. Angesichts politi­scher und regula­to­ri­scher Unsicher­heiten erscheint dies zweifelhaft, weshalb politi­scher Handlungs­bedarf besteht.

Für das Jahr 2035 wird ein noch höherer Zubau­bedarf erwartet als für 2030. Gründe hierfür sind ein deutlicher Anstieg des Strom­ver­brauchs, zusätz­liche markt­be­dingte Still­le­gungen von Kohle­kraft­werken und optimis­tische Annahmen zum Beitrag nachfra­ge­sei­tiger Flexibilität.

Die Versor­gungs­si­cherheit über das Stromnetz gilt bis 2027/28 dank der Netzre­serve als gewähr­leistet. Danach fehlen belastbare Analysen. Künftige Bewer­tungen müssen Faktoren wie Netzausbau, verfügbare Kraft­werke für Redis­patch und weitere System­ent­wick­lungen berücksichtigen.

Für die System­sta­bi­lität gibt es mit der Roadmap System­sta­bi­lität einen struk­tu­rierten Prozess, an dem viele Akteure beteiligt sind. Ein beglei­tender System­sta­bi­li­täts­be­richt zeigt regel­mäßig auf, welche Maßnahmen nötig sind, um ein stabiles Netz auch bei 100 % erneu­er­baren Energien sicher­zu­stellen. Aktuell besteht Handlungs­bedarf insbe­sondere bei der Deckung von Momen­­t­an­­re­­serve- und Blind­leis­tungs­be­darfen sowie beim Einsatz netzbil­dender Stromumrichter.

Die Energie­ver­sorgung der Zukunft ist damit zwar grund­sätzlich darstellbar, erfordert jedoch erheb­liche politische, regula­to­rische und technische Anstren­gungen. Kurzfristig erscheint die Lage stabil, langfristig jedoch unsicher. Entscheidend wird sein, recht­zeitig die richtigen Rahmen­be­din­gungen zu setzen, damit neue Kapazi­täten entstehen, die Nachfrage gedeckt wird und das Strom­system auch in einer vollständig erneu­er­baren Zukunft stabil bleibt.

(Christian Dümke)

Von |26. September 2025|Kategorien: Allgemein|0 Kommentare

Sachstand Polen: Was macht das neue AKW?

Polen hat es nicht leicht. Histo­risch bedingt ist der Anteil von Kohlestrom an der natio­nalen Strom­erzeugung hoch. Der Minde­rungs­fahrplan der EU stellt Polen deswegen vor große Schwie­rig­keiten. Zum polni­schen Plan der Dekar­bo­ni­sierung gehört deshalb der Ausbau der Kernenergie: Polen plant ein Kernkraftwerk in Lubiatowo–Kopalino. Die Anlage soll mit 3.750 MW Leistung Kohlestrom verdrängen, der wegen des europäi­schen Emissi­ons­handels wirtschaftlich absehbar nicht mehr mithalten kann.

Atomstrom steht im Ruf, preis­günstig zu sein, was – zumindest in Deutschland – mögli­cher­weise auf dem Vergleich der Erzeugung durch die letzten kurz vor Still­legung bereits abgeschrie­benen Kernkraft­werke mit neuen Windparks beruht. Doch ähnlich wie bei den Erneu­er­baren dominieren auch bei Kernkraft­werken die Kosten der Inves­tition: Die Anlage in Lubiatowo–Kopalino ist schon heute vor Baubeginn mit 45 Milli­arden Euro veranschlagt.

Diese Inves­tition will Polen durch staat­liche Beihilfen ermög­lichen. 14 Milli­arden Euro Eigen­ka­pital sollen rund 30 % der Projekt­kosten abdecken. Staats­ga­rantien sollen die Finan­zierung absichern. Das bedeutet: Sollte die Inves­tition höher ausfallen als aktuell geplant, springt der polnische Steuer­zahler ein. Das ist angesichts der Kosten­ex­plosion bei anderen modernen Kernkraft­werken realis­tisch. So haben sich die inzwi­schen abgeschlos­senen Projekte in Finnland und Frank­reich während des Baus jeweils deutlich verteuert.

Doch nicht nur die Errichtung soll staatlich teilfi­nan­ziert und abgesi­chert werden. Polen plant über 60 Jahre Laufzeit den Abschluss eines „Contract for Diffe­rence“ (CfD). Das bedeutet, dass der Staat einen Preis garan­tiert und, wenn der Markt­preis unter dem Garan­tie­preis liegt, die Differenz übernimmt. Das polnische Indus­trie­mi­nis­terium nennt nach Quellen im Netz einen Preis­rahmen von 112 bis 131 Euro pro MWh. Zum Vergleich: Wind onshore liegt per PPA derzeit bei ungefähr 75 Euro pro Megawattstunde.

Für den Betreiber sollte das Kernkraftwerk damit ein gutes Geschäft sein, für den Steuer­zahler dagegen weniger. Indes genießt das Projekt in Polen hohe Zustimmung, sodass die langjäh­rigen künftigen Mehrkosten offenbar von der Gesell­schaft getragen werden. Nicht so zufrieden ist aller­dings die Europäische Kommission, die bekanntlich für die Notifi­zierung von Beihilfen zuständig ist. Zwar räumt die Kommission ein, dass ohne das Beihil­fe­paket das Projekt wohl nicht reali­siert würde. Jedoch will sie die Angemes­senheit und Verhält­nis­mä­ßigkeit vertieft unter­suchen. Offenbar vermutet sie Überför­derung. Weiter prüft sie, ob durch die immensen Förder­gelder der Wettbewerb im Strom­markt beein­trächtigt wird. Schließlich müssen andere Erzeu­gungs­arten ohne eine vergleichbare Förderung auskommen.

Das Risiko für das polnische Projekt ist hoch: Wenn die Kommission die Beihilfe nicht genehmigt, kommt das Projekt mögli­cher­weise nicht zustande und die Kohle­blöcke laufen länger. Für den europäi­schen Klima­schutz wäre das ein großes Problem. Polen müsste seine Pläne von Grund auf ändern. Mögli­cher­weise springt Westing­house Bechtel ab. In jedem Fall tickt die Uhr: 2028 will Polen mit dem Bau beginnen. Zwischen 2036 und 2038 soll die schritt­weise Inbetrieb­nahme statt­finden. Schaut man auf bisherige Projekte, ist dieser Zeitplan ohnehin ambitio­niert (Miriam Vollmer).

Von |26. September 2025|Kategorien: Energie­po­litik, Energie­wende weltweit, Klima­schutz, Strom|Schlag­wörter: , |0 Kommentare