Hick-Hack um Radfahr­streifen statt Mitein­ander im Verkehr

Die Ankün­digung der großen Koalition in Berlin, sich für ein „Mitein­ander“ im Verkehr einzu­setzen, hatte bereits für Skepsis gesorgt. Denn der Verdacht lag nahe, dass es vor allem darum geht, alles beim Alten zu lassen und darauf zu vertrauen, dass die Stärkeren, vor allem Kraft­fahrer, die Schwä­cheren und Verletz­li­cheren, Radfahrer und Fußgänger schon aus Eigen­ver­ant­wortung schonen werden. In einer Großstadt wie Berlin, in der die Verkehrs­teil­nehmer sich in der Regel nicht persönlich kennen und die Polizei mäßig präsent ist, ist das ein frommer Wunsch.

Mitein­ander“ heißt demnach schlicht, dass keine Sonder­fahr­streifen für Radfahrer nötig sein sollen. Und dass auch der ÖPNV keine Vorrechte gegenüber dem motori­sierten Indivi­du­al­verkehr bekommen soll, dass also weder die Einrichtung von Busspuren priori­siert wird, noch dass der Straßen­bahnbau voran­ge­trieben wird.

Die Rede vom „Mitein­ander“ sugge­riert, dass Maßnahmen für den Umwelt­verbund auf ein „Gegen­ein­ander“ hinaus­laufen. Dabei sorgt die gerechtere Verteilung des Verkehrs­raums und der Schutz schwä­cherer Verkehrs­teil­nehmer zugleich für eine besser genutzte, weniger stauan­fällige Infra­struktur. Denn die Raumaus­nutzung von Fahrrad‑, Fuß- und Öffent­lichem Verkehr ist sehr viel effizi­enter. Daher wird der Stau von Kfz und die Parkplatznot durch flüssige und verläss­liche Alter­na­tiven vermindert.

In den letzten Tagen sah es so aus, als würde das „Mitein­ander“ von der neuen CDU-Verkehrs­se­na­torin noch etwas antago­nis­ti­scher ausge­tragen als befürchtet: Nicht nur sollte die Planung weiterer Radfahr­streifen durch ein Moratorium einge­froren und auf den Prüfstand gestellt werden, es sollten darüber hinaus sogar bereits angeordnete oder im Bau befind­liche Fahrradwege gestoppt werden. In Reini­ckendorf ist sogar bereits ein fertig gestellter Radfahr­streifen rückgebaut worden.

Heute heißt es dagegen in der Presse, dass die Senatorin die ursprüng­liche Weisung an die Bezirks­ämter inzwi­schen revidiert hat: Sie wolle nunmehr das Moratorium nicht auf  bereits begonnene und im Bau befind­liche Radfahr­streifen anwenden. Das ist wohl eine ganz gute Idee, denn unabhängig von den oben genannten verkehrs­po­li­ti­schen Aspekten, gibt es auch recht­liche und haushäl­te­rische Gründe, einmal angeordnete und finan­zierte Projekte nicht zu stoppen, weil sie einem politisch nicht in den Kram passen:

So wurden die Radfahr­streifen größten­teils mit Bundes­mitteln gefördert, etwa im Rahmen der Förderung kommu­naler Radin­fra­struktur im Sonder­pro­gramm Stadt/Land. Diese Gelder müssten zurück­ge­zahlt werden, obwohl sie schon ausge­geben sind. So ein Vorgang dürfte den Landes­rech­nungshof inter­es­sieren. Weiterhin sind im Mobili­täts­gesetz für die Planung von Fahrrad­in­fra­struktur weitge­hende Betei­li­gungs­rechte vorge­sehen, gegen die nun verstoßen wird.

Nicht zuletzt sind Anord­nungen von Radfahr­streifen gemäß § 45 Abs. 1 und Abs. 9 Satz 1 StVO begrün­dungs­be­dürftig. Aufgrund einer für Radfahr­streifen in den § 45 StVO einge­fügten Ausnahme ist zwar keine quali­fi­zierte Gefah­renlage, aber immerhin eine einfache Gefah­renlage erfor­derlich: Immerhin muss die Anordnung „auf Grund der beson­deren Umstände zwingend erfor­derlich“ sein. Wenn das von der zustän­digen Behörde festge­stellt wurde, dann ist es sicherlich ermes­sens­feh­lerhaft, wenn die Aufsichts­be­hörde aufgrund anderer politi­scher Präfe­renzen, aber ohne eine fallbe­zogene Rechts­prüfung diese Entscheidung revidiert. Es ist nicht auszu­schließen, dass diese Frage in der nächsten Zeit auch Gerichte beschäf­tigen wird. (Olaf Dilling)

 

 

 

2023-06-21T16:06:05+02:0021. Juni 2023|Allgemein, Verkehr|

Ja, mia san mim Radl(weg) do!

Pop-up-Radfahr­streifen hat es nicht nur in der Bundes­haupt­stadt gegeben, sondern unter anderem auch in der Landes­haupt­stadt München. Auch dort sind auf drei Straßen im Innen­stadt­be­reich die neuen Radwege so gut angenommen worden, dass sie inzwi­schen verstetigt wurden. Die Stadt München hatte dafür auf Grundlage verkehrs­recht­licher Anord­nungen nach § 45 StVO zu Lasten von Kfz-Fahrbahnen in der Elisen­straße, Rosen­heimer Straße und There­si­en­straße dauer­hafte Fahrradwege angeordnet.

Radfahrersymbol auf Asphaltdecke

Aller­dings blieb dies, wie so oft, wenn Verkehrs­wen­de­pro­jekte zu Lasten des Kfz-Verkehrs gehen, nicht ohne Proteste. Ein CSU-Stadtrat und Präsident eines Automo­bil­clubs hat gegen die Anordnung der geschützten Radfahr­streifen geklagt. Denn er fühle sich wie andere Autofahrer auch, durch die Fahrradwege behindert, unter anderem, weil es öfter zu Staubildung komme.

Dem ist das Verwal­tungs­ge­richt nach Berichten in der regio­nalen und überre­gio­nalen Presse nicht gefolgt. Das Gericht war offenbar schon am Zweifeln, ob die Klage überhaupt zulässig sei. Denn der Vereins­prä­sident hatte nicht dargelegt, wann er wie selbst durch die neue Verkehrs­re­gelung beein­trächtigt sei.

Auch in der Sache seien die Wege gerecht­fertigt. Denn angesichts des hohen Verkehrs­auf­kommens in den betrof­fenen Straßen und der erheb­lichen Zunahme des Fahrrad­ver­kehrs seien die Wege aus Sicher­heits­gründen zu recht­fer­tigen. Im Übrigen liege die Entscheidung über die Verteilung des Verkehrs­raums jedoch im Ermessen der Verwaltung und könne nur bedingt gerichtlich überprüft werden. Wie schon vorher ähnliche Entschei­dungen zu geschützten Radfahr­streifen in Berlin zeigt die Entscheidung einmal mehr, dass die Kommunen bei der Verteilung des Verkehrs­raums an andere Verkehrs­arten weit größere Spiel­räume haben, als oft angenommen (Olaf Dilling).

2021-10-27T21:35:12+02:0027. Oktober 2021|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Weiteres Eilver­fahren gegen Radfahr­streifen ohne Erfolg

Kürzlich hatte das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Berlin-Brandenburg in einem Eilver­fahren einen Antrag gegen die Einrichtung von Pop-up-Radwegen in Fried­richshain-Kreuzberg nach der Beschwerde der Antrags­geg­nerin abgewiesen. Nachdem das Verwal­tungs­ge­richt Berlin dem Antrag zunächst statt­ge­geben hatte.

In einem weiteren Verfahren hat das OVG per Presse­er­klärung heute die Entscheidung über eine Beschwerde bekannt­ge­geben. Diesmal ging es um die Invali­den­straße im Bezirk Mitte. Hier waren letzten Herbst bei einer Umgestaltung der Straße beidseitig geschützte Radfahr­streifen einge­richtet worden. Nicht zuletzt war dies unter dem Eindruck eines schweren Unfalls geschehen, bei dem der Fahrer eine Sports Utility Vehicles (SUV) bei einem epilep­ti­schen Anfall die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte und dabei vier Passanten von dem Fahrzeug getötet worden waren. 

Für die Umgestaltung fielen etliche Parkplätze und auch Ladezonen vor einer Weinhandlung weg. Daher stellte der Weinhändler nach Erhebung der Klage einen Eilantrag gegen die Einrichtung der Radfahr­streifen. Aller­dings hatte dies bereits in erster Instanz keinen Erfolg: Denn bei Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs können Straßen­ver­kehrs­be­hörden Anord­nungen treffen, die den Verkehr beschränken. Aufgrund der geringen Breite der Invali­den­straßen und der dort auch verlau­fenden Straßenbahn war es immer wieder zu Unfällen mit Betei­ligung von Fahrrad­fahrern gekommen. 

Diese Gefahren würden durch die Anordnung des geschützten Radfahr­streifens und den Wegfall der Parkplätze verringert. Durch beide Maßnahmen wurde insbe­sondere Übersicht­lichkeit und damit Verkehrs­si­cherheit für alle Verkehrs­teil­nehmer erreicht. Zudem fällt die Gefahr der sich öffnenden Autotüren weg, die inbesondere in Kombi­nation mit den Straßen­bahn­schienen eine erheb­liche Gefahr für die Radfahrer darstellten.

Das OVG hat den Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts ausweislich der Presse­ver­laut­barung im Wesent­lichen bestätigt. Zudem sei der Händler durch den Wegfall der Ladezone vor seinem Geschäft auch nicht unzumutbar beein­trächtigt. Die Belie­ferung bleibe weiterhin über die Seiten­straßen möglich. Aus dem Anlie­ger­recht folge für den Antrag­steller keinen Anspruch auf Einrichtung oder Beibe­haltung von Park- und Lademög­lich­keiten vor seinem Geschäft (Olaf Dilling).

2021-01-28T23:25:49+01:0028. Januar 2021|Verkehr|